Der englische Begriff "Litigation" steht für Rechtsstreitigkeiten. Werden diese in der Öffentlichkeit ausgetragen, können involvierte Personen oder Unternehmen auf ein spezialisiertes Dienstleistungsangebot im Bereich Public Relations zugreifen, um ihre Reputation zu schützen. Ein anerkannter Experte für Litigation PR ist Alfred Autischer. Mit seiner Agentur Gaisberg Consulting betreut er namhafte Kunden, und hat über Jahrzehnte hinweg schon viele Gerichtsprozesse begleitet. Seine Services werden in erster Linie von betuchten Wirtschaftsmanagern und Politikern in Anspruch genommen. In einem aktuellen Podcast hat Autischer die Grundlagen von Litigation PR verständlich gemacht und Beispiele genannt.
Der Podcast "Ganz Ohr – der Blick aufs Ganze" bringt Diskussionen und Informationen über aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft aus der Perspektive strategischer Kommunikation an die Öffentlichkeit. Die aktuelle Ausgabe widmet sich voll und ganz dem Thema "Litigation PR", also prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit im Zuge von Rechtsstreitigkeiten. Im Gespräch mit dem Kommunikationsexperten Thomas Huemer, der seit Juli 2019 Partner in der Beratungsagentur ist, erörtert Alfred Autischer eine Reihe von Punkten. Dabei ist auch eine Message für Journalisten und MedienherausgeberInnen.
Die Berichterstattung über Verbrechen, Gerichtsverfahren, staatsanwaltliche Untersuchungen, Hausdurchsuchungen und dergleichen ist eine Grundsäule des Journalismus und Fundament vieler am Markt befindlicher Titel. Dass dabei auch Vorverurteilungen geäußert werden – natürlich mit Unschuldsvermutung – , ist demokratiepolitisch legitim, aber mitunter nicht immer gerecht. Wenn die Reputation einer Person oder eines Unternehmens ernsthaft gefährdet ist, sind Maßnahmen gefragt, die ein positives Bild in der Öffentlichkeit wieder herstellen sollen. Dienstleister im Segment Litigation PR nutzen dafür ihr Netzwerk zu Politik, Wirtschaft und Medien.
Die Methoden der Spin Doktoren orientieren sich an klassischer PR-Arbeit, gepaart mit Lobbying auf höchster Führungsebene. Gerade im Bereich Wirtschaftskriminalität ist das öffentliche Interesse oft sehr groß, da bekannte Marken des täglichen Lebens eine leichte Assoziation ermöglichen, was sich auf den Konsum und Umsatz auswirken kann. Alfred Autischer geht in seinem Podcast detailreich auf Vorgänge rund um den OMV-Borealis-Deal ein, die Ende September für Schlagzeilen sorgten. Seine Agentur Gaisberg Consulting sei zwar nicht mit der Angelegenheit betraut worden, aber der Fall gibt ein hervorragendes Beispiel dafür ab, wie Litigation PR in der Praxis funktioniert.
Nachrichtenanbieter bzw. investigative Journalisten würden dem Litigation PR-Geschäft keinen guten Dienst erweisen, genau dieses Beispiel für eine Analyse heranzuziehen, auf das die Experten Alfred Autischer und Thomas Huemer im Podcast eingehen. Nicht zuletzt deshalb, weil der Gründer von Gaisberg Consulting die zuhörenden Journalisten des Podcast ausdrücklich davor warnt, Erkenntnisse aus anonymen Anzeigen in ihren Berichten zu verwenden. Zumindest bevor Ermittlungen von Seiten eines staatlichen Organs losgetreten wurden. Kleineren Nachrichtenanbietern rät Autischer gar, sich an großen Medienkonzernen zu orientieren, bevor sie sich mit Berichten an die Öffentlichkeit trauen, die ihnen selbst Anzeigen und Klagen einbringen könnten.
Die Ermessensfrage ist entscheidend. Zahlreiche Ermittlungen würden ohne medialen Druck niemals eingeleitet werden. Somit wäre es die Pflicht einschlägiger Medien bei begründetem Anfangsverdacht, die Öffentlichkeit zu informieren und Zusammenhänge aufzuzeigen. "Whistleblower haben ihre Berechtigung", ist sich Autischer sicher. In Wirtschaftsstrafsachen hingegen würde ein Geheimnisverrat oft nur deshalb begangen, um einen Konkurrenten zu beschädigen.
Eine halbe Million anonyme Anzeigen werden jedes Jahr in Österreich erhoben, aber nur sechs Prozent davon vor einem ordentlichen Gericht behandelt. Ob deshalb die restlichen 94 Prozent von Denunzianten und Betrügern stammen, bleibt offen. Die Justiz ist zumindest nicht in der Lage, die Flut an Anzeigen befriedigend zu evaluieren. Die Menge an Anzeigen zeigt auch, dass sich Medien keinesfalls zu sehr auf "Nachrichtenquellen" anonymer Whistleblower verlassen sollten. Was also tun, wenn ein Konvolut mit Anschuldigungen und durchaus schlüßigen Indizien und Beweisen plötzlich am Redaktionstisch einer Tageszeitung liegt und zeitgleich bei einer zuständigen Strafverfolgungsbehörde eintrudelt? Ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, ist schneller gesagt als getan. Für einen Pressebericht reicht eine knappe Stellungnahme oft aus, um mit unbewiesenen Details an die Öffentlichkeit zu gehen.
Am Beispiel OMV-Borealis hat die Litigation PR scheinbar gute Arbeit geleistet. Artikel zu einer kolportierten anonymen Anzeige, die Postenschacher und abgesprochene Deals zum Schaden der Republik nahelegen sollen, sind in heimischen Medien auf ein Minimum beschränkt und teilweise hinter einer Paywall geschützt. Der vermeintliche "Skandal" wird andeutungsweise offengelegt, aber bleibt im Kern unausgesprochen.
Gute Kommunikationsexperten werden niemals preisgeben, wer ihr eigentlicher Mandat ist, wessen Reputation vorrangig geschützt werden soll und welche Parteien geopfert werden können. Im konkreten Fall ist die Rollenverteilung ersichtlich: Egal wie die Manager heißen, die breite Öffentlichkeit kennt sie sowieso nicht. Bei einer fundamentalen Verfehlung eines Staates sähe die Sache anders aus.
Litigation PR versucht im Sinne ihres Mandanten die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Wenn es um Persönlichkeiten geht, kommt die menschliche Komponente ins Spiel. Autischer hebt im Gespräch mit Huemer diesen Aspekt hervor, wenn er von der "Überlebensfähigkeit" seiner Kunden spricht und deren Grundrecht, ein normales und bürgerliches Leben nach Aussitzen eines "Skandals" führen zu können. Das Recht auf Rehabilitation soll niemandem verwehrt bleiben, auch nicht den Schuldigen.
Bei unschuldig verleumdeten Menschen brauche es keine externen Experten, denn um die kümmern sich ohnehin die Journalisten – sie stellen das Bild gerade. Jedoch sind Zeitungen und TV-Sender immer auch Auslöser und Initiatoren von Rufschädigung in der Öffentlichkeit. Mitunter engagieren sie den falschen "Verräter" von Seite sechs zur Wiedergutmachung als TV-Kommentator. Aber das ist eher die Ausnahme.
Weniger bekannte Menschen werden ihr angepatztes Image im Dorf nie wieder los. Der Todesraser von der Autobahn ebensowenig wie das Hochzeitspaar im Coronajahr. Profis im Bereich Litigation PR haben für solche Probleme bessere Lösungen. Falschfakten können die Reputation nicht schützen, aber jederzeit zerstören. Ertappte Medien werden höchstens einen Wiederruf veröffentlichen. Eine nachträgliche Aufklärung kostet Geld.
Ist einmal der Ruf ruiniert, lebt es sich eigentlich recht ungeniert. Ohne Kohle sieht das anders aus. Kein Wunder also, dass Litigation PR eine teure Angelegenheit für diejenigen ist, die ihr Vermögen oder ihre politische Macht nicht verlieren wollen.
(PA/red)
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