Brucknerfest Linz mit Festrednerin Waris Dirie zum Auftakt
Das Internationale Brucknerfest Linz ist am Sonntag mit einer Rede der des Ex-Models und Autorin Waris Dirie eröffnet worden. Sie mahnte die Verantwortung jedes Einzelnen ein, sich gegen Hunger, Umweltzerstörung, Frauenfeindlichkeit und Rassismus einzusetzen - und berichtete gleich selbst von einem Erlebnis als Farbige in Österreich. Sie bekam kein Zimmer in einem Hotel, offenbar weil sie schwarze Hautfarbe hat. Politische Statements kamen auch von Linzer Bürgermeister Klaus Luger, Landeshauptmann Thomas Stelzer und Doris Bures.
Politische Statements beim Brucknerfest
Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) betonte in ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung der Kontroverse - so das Thema des diesjährigen Brucknerfestes - als "Motor in eine bessere Welt". Leider sei die gesellschaftspolitische Debatte etwas aus der Mode gekommen, "Haltungen werden zunehmend durch Narrative ersetzt, der politische Diskurs wird als lähmender Streit diffamiert, aus Argumenten werden Messages, am besten auch kontrollierbar." Nur mehr jene zu hören, "die am lautesten sind", und "kaum mehr Mitgefühl für andere aufzubringen, nicht einmal für die Kinder von Moria, das gefährdet unseren gesellschaftlichen Konsens". Auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) nahm Bezug auf die Diskussion um die griechischen Flüchtlingslager und appellierte, Haltung zu bewahren - "und Haltung heißt nicht alleine, Geld hinzuschicken".
Unterstützung für Berufskünstler
Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ging auf die Situation von Kunst und Kultur in der Corona-Zeit ein und betonte die Bedeutung der Kreativität als "Triebfeder" für alle anderen Bereiche. "Es wird eine Scharte in der Geschichtsschreibung unserer Republik sein und bleiben, dass es nach dem Lockdown leider nahezu am längsten gedauert hat, bis wir eine Idee hatten, wie Künstlerinnen und Künstler ausreichend unterstützt werden und Kultur wieder erlebbar sein kann. Gott sei Dank haben wir jetzt dafür Rahmenbedingungen", so Stelzer. Man versuche alles, um kulturelles Leben zu ermöglichen. "Kunst und Kultur ist kein Luxus, es muss uns etwas wert sein und es ist uns etwas wert", betonte der Landeshauptmann.
Kein herzlicher Empfang in Österreich
Als diesjährige Festrednerin trat die aus Somalia stammende Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie vor das Publikum. Sie widmete sich zunächst dem Thema Rassismus, das sie persönlich sei dem Beginn der Corona-Zeit viel deutlicher zu spüren bekomme. Sie berichtete auch, dass sie nach ihrer gestrigen Ankunft in Österreich beim Check-in im Hotel als einzige aus ihrer Gruppe nach einem Ausweis gefragt worden sei. Zwei Tage zuvor hatte sie - sie sagte nicht wo - versucht, ein Zimmer zu buchen: "Ich wurde abgelehnt, weil sie herausgefunden haben, dass ich schwarz bin." Sie appellierte: "Wir sind alle gleich und wir sollten versuchen, einander mit Respekt zu behandeln."
Freie Rede von Profi-Festrednerin
Sie prangerte in ihrer frei gehaltenen Rede neben Rassismus auch Frauenfeindlichkeit an sowie mangelnden Respekt vor der Natur und Gier. Sie glaube an das Teilen und an helfende Hände für alle, die Hilfe brauchen. "Es gibt genug Reichtum in der Welt", man müsse ihn nur gerechter verteilen. Dann nahm sie die Politiker weltweit in die Pflicht: "Wir gaben euch unser Vertrauen, wir gaben euch Macht", so Dirie, "jetzt macht euren Job!".
Dirie ist aufgewachsen als Nomadenmädchen in Somalia, das bald erkennen musste, dass in ihrem "ganz persönlichen Paradies auf Erden" Frauen nichts galten. "Man kann dich demütigen, verprügeln, vergewaltigen, genital beschneiden, verkaufen, mit einem dir vollkommen unbekannten Mann verheiraten", schreibt sie in dem Handout zu ihrer Rede. Sie selbst floh mit 13 Jahren unter Lebensgefahr vor einer Zwangsehe und kam nach England, wo sie nach anfänglichem Kulturschock durch Zufall als Model entdeckt wurde und Karriere machte. Ihre Bekanntheit nutzt sie u.a. für den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung. "Kein Mädchen sollte jemals das erleiden müssen, was mir widerfahren ist", fordert Dirie.
Brucknerfest bis 11. Oktober
Künstlerisch widmet sich das diesjährige Brucknerfest seinem Namensgeber und dessen Zeitgenossen, vor allem Johannes Brahms. An Bruckners Geburtstag am 4. September wurde das Klassik-Festival bereits mit einem Bläserkonzert in seiner Heimatkirche Ansfelden bei Linz gestartet. Nach der offiziellen Eröffnung am Sonntagvormittag folgt am Abend das Eröffnungskonzert des Bruckner Orchesters Linz unter Markus Poschner. Bei den bis zu Bruckners Todestag am 11. Oktober vor allem im Linzer Brucknerhaus sowie in Kirchen, die in Bruckners Leben eine Rolle gespielt haben, stattfindenden Konzerten stehen seine Sinfonien und Chorwerke im Zentrum.
(APA/red)