“Diener des Staates” Pilnacek sieht sich als Opfer
Der Ibiza-U-Ausschuss tagt diese Woche zum letzten Mal vor der Sommerpause. Von den geladenen Auskunftspersonen hat Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek am Mittwoch den Anfang gemacht. In seinem Eingangsstatement zählte Pilnacek viele Gesetze auf, in deren Erstellung er ab 2010 als Strafrechtssektionschef involviert war. Dass er an der Schaffung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) maßgeblich beteiligt gewesen sei, erwähnte Pilnacek auch eingangs. Bei der Befragung durch Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper gab er sich teilweise angriffig und monierte ehrenbeleidigendes Verhalten von Seiten der Abgeordneten.
Jörg Hofer vom ORF beschrieb Christian Pilnacek in der Mittags ZIB am Mittwoch als “patzig und aufbrausend”. Es sei schwer zu glauben, dass er nicht schon viel früher über den Verbleib und Inhalt des Ibiza-Videos Bescheid wusste, wie Pilnacek vor dem Ibiza-U-Ausschuss aussagte.
Pilnacek im Ibiza-U-Ausschuss “patzig und aufbrausend”
“Ich war nie in einem politischen Kabinett und gehöre keinem Netzwerk an”, sagte Pilnacek, das gelte auch für Parteien und sonstige Organisationen wie etwa Rotarier, Freimaurer oder CV. “Der jeweiligen Ressortleitung war und bin ich in Loyalität verbunden.”
Er sei “ausschließlich Diener des Staates” und wolle als solcher “das Ansehen des Strafrechts verstärken”, stellte er mehrmals in Abrede, einem Netzwerk anzugehören oder dass es gar ein “System Pilnacek” gebe. Er könne weder Hausdurchsuchungen anordnen noch in solche eingreifen. “Meine Macht ist durch die rechtlichen Vorgaben begrenzt.” Kontrolle erfolge durch den unabhängigen Weisungsrat. Eine Kampagne gegen seine Person, ja sogar eine schwere Verletzung seiner persönlichen Ehre warf Pilnacek der Neos-Politikerin Stephanie Krisper vor.
Wehleidiger “Diener des Staates”
Zur “Soko Tape” sagte Pilnacek in der Erstbefragung durch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl, dass auch er der Meinung sei, dass es kein Problem sei, wenn ein ermittelnder Beamter Mitglied einer Partei sei. Die WKStA-Vertreter hatten das anders gesehen, sie seien “anderer Rechtsansicht” gewesen. Der damalige Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner wollte in einem gemeinsamen Gespräch die “Situation befrieden”, sagte Pilnacek.
Hätte es Anzeichen für Unterlassungen bei Ermittlungen gegeben, hätte das gemeldet und eine Befangenheit festgestellt werden können. Das sei aber nicht zur Kenntnis genommen worden. Dann gab es die Weisung Jabloners mit Verweis auf Artikel 7 Bundesverfassungsgesetz, dass die Zugehörigkeit per se nicht den Anschein von Befangenheit auslöse. Die WKStA habe die betreffenden Mitglieder in der Soko Tape austauschen wollen.
Strafrechtssektionschef windet sich
Zum Ibiza-Video erzählte Pilnacek auf Fragen Pöschls, dass er rund um dieses Weisungen erteilt habe. Er habe den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien mündlich per Telefon am Freitag der Erstausstrahlung des Kurzausschnittes die Weisung erteilt, dieses Video beizuschaffen.
Die Schaffung von Sonderkommissionen sei aber nicht seine, sondern eine Sache des Innenministers. Die Soko sollte jedenfalls beiden Staatsanwaltschaften – WKStA und Staatsanwaltschaft Wien – zur Verfügung stehen. Dass zwei Staatsanwaltschaften tätig werden, ist für Pilnacek Okay. Dass die eine Staatsanwaltschaft das Video hat (StA Wien), die andere aber nicht einmal davon weiß (WKStA), kommentierte Pilnacek so: “Ich finde es interessant zu sagen, man muss immer über alles informiert sein.” Dass die WKStA das nicht gut findet, versteht Pilnacek aber, wie er ausführte. Er habe das auch hinterfragt.
Fragestellung von Krisper sei “typisch”
Wiederholt emotional wurde es bei der Befragung durch Krisper. Vor allem alterierte sich Pilnacek über die Art der Fragestellung der pinken Fraktionsführerin. Diese sei “typisch” für Krisper, aber nicht zulässig, so Pilnacek: “Sie sagen irgendetwas danach für das Protokoll, dass es so ausschaut, als hätte ich so geantwortet.”
Krisper hatte zuvor Pilnacek zum Naheverhältnis zum nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid gefragt. Er kenne ihn aus dessen Zeit als Generalsekretär des Finanzministeriums, so Pilnacek. Er selbst habe als sein Gegenüber im Justizressort Budgetverhandlungen mit Schmid geführt. Krisper legte ihm darauf einen SMS-Verkehr vor, der Teil einer Korrespondenz zwischen WKStA und Oberstaatsanwaltschaft über den Anschein von Befangenheit von Pilnacek ist. Etwa habe Schmid geschrieben: “Ein irrer guter Auftritt in der ZiB!”. Pilnacek antwortete mit “Danke”, das bedeute ihm viel. Auch diese Vorlage kritisierte Pilnacek lautstark: “Ja ist mir bekannt. Ist ja durch die Medien rauf und runter gespielt worden. So geht man ja um mit persönlichen E-Mails.”
Nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos habe er “pflichtgemäß” mit dem damaligen Justizminister Josef Moser (ÖVP) Rücksprache gehalten. Moser habe sich “beraten lassen”, was zu tun sei. “Schriftliche Aufzeichnungen gibt es keine dazu”, so Pilnacek. Jedenfalls habe er die Oberstaatsanwaltschaft Wien dann ersucht, Ermittlungen einzuleiten, das Video herbeizuschaffen und einen Anfangsverdacht zu prüfen. Schriftliche Weisung gab es keine, sei in diesem Fall auch nicht notwendig, so Pilnacek auf eine entsprechende Frage.
Erfahren habe er über die Sicherstellung des Ibiza-Videos dann am Montag, dem 25. Mai. Die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luisa Nittel, habe sich bei ihm wegen eines geplanten Medienhintergrundgesprächs beklagt. Dabei habe sie ihm über die Video-Sicherstellung berichtetet. Er selbst hätte sich mittels eines Informationsberichts früher Informationen über den Videofund gewünscht. Die SoKo habe jedenfalls pflichtgemäß der StA Wien unmittelbar nach dem Fund berichtet. Er selbst habe das Video bis dato nicht gesehen.
Zuvor hatte Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli die Einstellung von Ermittlungen rund um einen Hoteldeal des Immobilienmilliardärs Rene Benko in Lech thematisiert, was zu einer Geschäftsordnungsdiskussion führte, da die Ermittlungen außerhalb des Untersuchungszeitraums, nämlich 2015, begonnen hatten. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl ließ diese aber zu, da die Einstellungsbegründung erst 2019 folgte. Pilnacek findet daran nichts ungewöhnlich, dass man in Fällen mit medialer Kritik die Einstellungsbegründung im Nachhinein veröffentlicht, um dieser zu begegnen. Die Einstellungsbegründung sei “öffentlich einsehbar”, so Pilnacek. Jeder könne sie sich durchlesen und seine Schlüsse daraus ziehen.
Neben Pilnacek sind am Mittwoch Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek geladen. Am Donnerstag stehen dann die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luisa Nittel, und Gregor Adamovic von der WKStA den Abgeordneten Rede und Antwort.
Pilnacek bekommt neuen Job
Die Grüne Justizministerin Alma Zadic hatte Ende Mai einen Schritt zur Entmachtung ihres umstrittenen Spitzenbeamten Christian Pilnacek gesetzt. Seine vor zehn Jahren fusionierte Sektion wird aufgeteilt. Künftig werden für das Strafrecht und die einzelnen Strafverfahren wieder zwei Sektionen zuständig sein, kündigte Zadic vor Medien an. Sollte Pilnacek bleiben wollen, muss er sich neu bewerben.
(APA/red)