Entschuldigung 100 Jahre nach Kärntner Volksabstimmung

Der slowenische Präsident Borut Pahor ist am Samstag zur Teilnahme am Festakt zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung in Klagenfurt eingetroffen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) empfingen das Staatsoberhaupt des südlichen Nachbarlandes mit militärischen Ehren. Pahor ist der erste Spitzenvertreter Sloweniens, der an den Kärntner Volksabstimmungsfeiern teilnimmt. Auch die vor neun Jahren gefundene Ortstafellösung war Thema bei den Feierlichkeiten in Klagenfurt. Eine Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien wünschte sich der Dritte Nationalratspräsident, Norbert Hofer.

Die Präsidenten Pahor und Van der Bellen im Landhaus in Klagenfurt

Sloweniens Präsident Borut Pahor, Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser | © APA/BH/Lechner

Angliederung an Österreich

Die drei Spitzenpolitiker schritten eingangs gemeinsam die Ehrengarde des Bundesheeres ab. Nach dem Abspielen der beiden Hymnen sang ein Chor im Landhaushof auch die inoffizielle Hymne der Kärntner Slowenen, "Roz, Podjuna, Zila". Bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 hatte sich damals überwiegend slowenischsprachige Südkärnten mit deutlicher Mehrheit für die Angliederung an Österreich entschieden. Die Abstimmungszone, die bis knapp vor Villach und Klagenfurt reichte und auch die südliche Hälfte des Wörthersees umfasste, war nach dem Ersten Weltkrieg von Truppen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen besetzt worden. Die Kärntner Landesregierung beschloss daraufhin den bewaffneten Widerstand, im sogenannten Kärntner Abwehrkampf starben mehr als 400 Menschen, der Großteil davon auf österreichischer Seite.

Entschuldigung im Wappensaal

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung bei der slowenischen Minderheit "für das erlittene Unrecht" entschuldigt. Beim Festakt im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses dankte Van der Bellen am Samstag zugleich seinem slowenischen Amtskollegen Borut Pahor und dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) für den "Mut" zur gemeinsamen Feier. "Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung", sagte er.

Van der Bellen war der letzte Redner beim Festakt, an dem neben Pahor und Kaiser auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und der für Volksgruppen zuständigen Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) teilnahmen. Der Bundespräsident zitierte Artikel 8 der Bundesverfassung, der Österreich die Pflicht zum Schutz seiner Volksgruppen auferlegt. "Haben wir uns immer daran gehalten? Haben wir unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt gelebt und deren Erhaltung immer entschlossen gesichert und gefördert? Leider muss ich zugeben: Nein, das war nicht immer der Fall. Vieles ist erst nach langem Drängen, spät, sehr spät erfolgt", sagte er in offenkundiger Anspielung etwa auf den Ortstafel-Konflikt.

Deutliche Worte in slowenischer Sprache

"Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen", sagte der Bundespräsident unter dem Applaus der rund 130 Teilnehmer des Festakts. Er wiederholte diese Entschuldigung dann auch in slowenischer Sprache. "Kot zvezni predsednik bi se Vam želel iskreno opraviciti za krivice in zamude pri uresnicitvi vaših ustavnih pravic."

Van der Bellen und Pahor wollen mit ihrer gemeinsamen Feier zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung ein Zeichen der Versöhnung und für grenzüberschreitende Zusammenarbeit setzen. Zur Feier im Wappensaal des Kärntner Landhauses werden coronabedingt nur 130 Festgäste zugelassen, gut 100 weitere Gäste sollen sie über eine Videowand im Landhaushof verfolgen können. Neben den beiden Präsidenten und dem Landeshauptmann sollte bei der Feier auch der Vorsitzende des Zentralverbandes slowenischer Organisationen, Manuel Jug, als Vertreter der Kärntner Slowenen sprechen. Es waren zudem Grußworte von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) geplant. Die Bundesregierung wurde beim Festakt auch durch ihr einziges Kärntner Mitglied, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), vertreten.

Gottesdienst mit Bundespräsident

Bundespräsident Van der Bellen war bereits am Freitagnachmittag nach Klagenfurt gekommen, wo er den früheren Chef des Kärntner Heimatdienstes, Josef Feldner, und den Ex-Chef des Zentralverbandes slowenischer Organisationen, Marjan Sturm, zu einem Gespräch empfing. Als Initiatoren der Konsensgruppe hatten die beiden früheren erbitterten Gegner einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Ortstafelkonflikts geleistet. Außerdem sprach der Bundespräsident mit dem Kärntner Bischof Josef Marketz und dem evangelischen Superintendenden Manfred Sauer, die am Samstag in der Früh im Klagenfurter Dom einen ökumenischen Gottesdienst zelebrierten.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Interview mit der APA

Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Interview mit der APA am 7. Oktober | © APA/Punz

Erinnerung an Ortstafellösung

Zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung äußerte sich indes auch das slowenische Außenministerium. In einer Aussendung würdigte es "das veränderte Klima" in Kärnten und die vor neun Jahren gefundene Ortstafellösung. "Trotzdem sind einige Verpflichtungen (Österreich gegenüber den Kärntner Slowenen, Anm.) weiterhin unerfüllt", hieß es mit Blick auf Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrags. Slowenien würdige die im Programm der türkis-grünen Bundesregierung festgelegten Ziele und rufe zu einem umfassenden Dialog mit der Volksgruppe und der ehebaldigen "vollen Umsetzung" auf.

Slowenische Volksgruppe

Auch innerhalb der slowenischen Volksgruppe sind die Volksabstimmungsfeiern weiterhin umstritten. Erst vor 25 Jahren hatte erstmals ein Vertreter der Minderheit bei der alljährlichen Festsitzung im Wappensaal das Wort ergreifen dürfen. Für Samstagnachmittag planen Vertreter der Kärntner slowenischen Jugend einen Protest vor dem Klagenfurter Hauptbahnhof, unweit des Slomšek-Hauses, wo Pahor und Van der Bellen gemeinsam einen zweisprachigen Kindergarten eröffnen wollen.

Dritter Nationalratspräsident

Neben den Staatsspitzen Österreichs und Sloweniens und mehreren Vertretern der türkis-grünen Bundesregierung nahm auch FPÖ-Chef Norbert Hofer am Festakt zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung teil. Der Dritte Nationalratspräsident fand am Samstag gegenüber der APA lobende Worte für die erste gemeinsame österreichisch-slowenische Feier: "Ich finde es sehr, sehr ehrenvoll. Es ist sehr, sehr wichtig, auch eine Geste der Versöhnung."

Österreichische Volksgruppe

"Was wir uns einfach wünschen als Österreich, und ich glaube auch viele Kärntner, dass auch in unserem Nachbarland die Rechte der Volksgruppen, der Minderheiten noch weiter ausgebaut werden", sagte Hofer in Anspielung auf die von der österreichischen Politik parteiübergreifend geforderte Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien. "Ich wünsche es mir einfach, es wäre ein wichtiger Schritt", sagte Hofer auf die Frage, ob er nach dem heutigen Versöhnungsakt Bewegung in Ljubljana erwarte.

(APA/red)