Grüne Gesinnung im Streit um Flüchtlinge am Prüfstand
Die Debatte um die Aufnahme von Migranten aus dem abgebrannten Flüchtlingscamp Moria reißt einen tiefen Graben zwischen den Koalitionsparteien ÖVP und Grünen. Während Türkise und Blaue strikt gegen eine Aufnahme von Menschen von der griechischen Insel Lesbos auftreten, machen Grüne, Rote und Neos Druck in die andere Richtung. Unterstützung holten sich letztere von NGO-Vertretungen. Innenminister Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg lehnten eine Aufnahme von Migranten aus dem Lager kategorisch ab, was den Streit um Flüchtlinge zwischen den Regierungsparteien befeuerte. Zumindest für die Aufnahme von Kindern aus dem Flüchtlingscamp Moria wird plädiert. Das möchten die Grünen beim Koalitionspartner ÖVP erreichen. Die liberale Gesinnung der Grünen wird auf die Probe gestellt.
Ewa Ernst-Dziedzic will Druck aufbauen
Die Grünen tun sich im aktuellen Streit um Flüchtlinge aus Moria nicht leicht, weil sie zwar für die Aufnahme von Migranten sind, deswegen aber nicht die Koalition gefährden wollen. "Wir sind mit der ÖVP laufend im Gespräch und werden den Druck weiter aufbauen", sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, im Gespräch mit der APA. Doch, "Fakt ist, wir haben aktuell keine Mehrheit im Parlament". Selbst wenn die Grünen mit den Oppositionsparteien SPÖ und NEOS stimmen würden und damit gegen den Koalitionspartner - also einen Koalitionsbruch begehen würden - kämen sie gemeinsam auf nur 81 Stimmen, während die ÖVP und die FPÖ auf 101 Stimmen im Nationalrat kommen, erklärte die Abgeordnete, die morgen nach Lesbos fliegt, um sich vor Ort ein Bild zu machen.
Keine Chance auf Asyl
Zur Aussage von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der die mutmaßliche Brandstiftung in Moria durch Geflüchtete mit den Worten "Gewaltbereite Migranten haben keine Chance auf Asyl in Europa" kommentierte, sagte Ernst-Dziedzic, dass knapp 13.000 Menschen "nicht unter Generalverdacht" gestellt werden könnten. Auch sei es zynisch zu glauben, dass die Bilder von überfüllten Camps als "Abschreckung" für potenziell neue Migranten diene. "Flucht und Migration sind keine kurzfristigen Phänomene".
Der Europasprecher des Grünen Parlamentsklubs, Michel Reimon, hatte noch am Mittwochabend zu den Ereignissen in Moria und dem Unwillen der ÖVP zur Aufnahme von Minderjährigen getwittert: "Ich hab heute versagt. So richtig." Fragen dazu wollte er auf APA-Anfrage zunächst nicht beantworten.
Minderjährige sollen kommen dürfen
Für die Aufnahme von Kindern aus dem Lager sprachen sich am Donnerstag auch SPÖ und Neos aus. "Wer Kinder verkommen lassen will, vergeht sich an den Werten Österreichs und Europas. Moria ist eine Schande und offenbart die Feigheit und Kleingeistigkeit einiger europäischer Regierungen, Kinder in Elend zurückzulassen, statt fürrasche Hilfe und Lösungen zu sorgen", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
Pinke Aktion mit Spendensammlern
Die Neos setzten auf Aktionismus und luden zu einer Inszenierung vor dem Außenministerium. Unterstützt wurde die Forderung nach Aufnahme von Menschen von mehreren heimischen Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Caritas und dem Roten Kreuz. Auch die Österreichische Bischofskonferenz meldete sich am Donnerstag zu Wort und forderte die Regierung auf, sich an der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem niedergebrannten Lager zu beteiligen.
Schallenberg lehnt Aufnahme ab
Die ÖVP äußerte sich am Donnerstag bisher nicht. Innenminister Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg lehnten aber eine Aufnahme von Flüchtlingen bereits am Mittwoch kategorisch ab. Sie erklärten die Haltung der ÖVP damit, dass eine Verteilung der Migranten von Moria in Europa das Geschäft der Schlepper unterstützen würde. "Jede Bewegung weg von den Inseln wird von der Türkei und den Schleppern ausgenutzt", warnte Nehammer, der erst vor zwei Wochen Griechenland besucht hatte und sich die Situation an der Grenze zu Türkei und in den Flüchtlingslagern persönlich angesehen hatte. "Wenn wir die Hoffnung geben, dass es geht, werden sich auch andere auf den Weg machen", meinte auch Schallenberg und bot Soforthilfe in Höhe von einer Million Euro vor Ort an.
Streit um Flüchtlinge
"Das kommt überhaupt nicht in Frage", mit diesen Worten erklärte Wiens FPÖ-Chef, Vizebürgermeister Dominik Nepp, die Position der FPÖ in der aktuellen Diskussion. "Wenn Europa jetzt nachgibt, macht das nur weiter Schule. Jetzt nachzugeben und die Leute herzuholen wäre eine fatal falsche Botschaft", so Nepp.
(APA/red)