Gurgeltest-Projekt an Schulen stellt Eltern vor die Wahl
An Wiener Schulen soll die Abwicklung und Auswertung von Coronavirus-Tests beschleunigt werden. Mit mobilen Teams, die bei Verdachtsfällen ausrücken und mittels Gurgeltest Proben entnehmen, soll es möglich sein, innerhalb von maximal 24 Stunden Klarheit zu erhalten, ob der betreffende Lehrer oder Schüler tatsächlich infiziert ist. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) präsentierten am Dienstag ein entsprechendes Pilotprojekt.
Gurgeltest bringt Ruhe vor dem Sturm
Im Rahmen des Pilotprojekts werden vier mobile Teams eingerichtet, die in die Schulen kommen - wobei ein Ausbau auf bis zu acht möglich ist. Mithilfe der mobilen Teams, die das Bildungsministerium zur Verfügung stellt, soll es möglich sein, bis zu rund 300 Personen pro Tag testen zu können, erläuterte Faßmann. Wobei er versprach: "Wenn ich sehe, wir müssen aufstocken, dann stocken wir auf." Die neue Vorgangsweise, die ab sofort anläuft, werde dank Zeitgewinnung helfen, mehr Ruhe in den Schulbetrieb zu bekommen, zeigten sich Faßmann und Hacker unisono zuversichtlich.
Schule meldet Verdachtsfälle
Der Minister erklärte das Prozedere des neuen Testkonzepts wie folgt: Meldet eine Schule einen oder mehrere Verdachtsfälle an die eigens eingerichtete Telefonnummer der Wiener Gesundheitsbehörde, schickt diese nach Absprache mit der zuständige Stelle im Ministerium ein mobiles Team samt Schularzt auf den Weg. Ausgestattet mit Schutzausrüstung und Gurgeltestkit nimmt dieser an der Schule von den Betroffenen im Freien oder in großen gut durchlüfteten Räumen Proben.
Für Unter-14-Jährige braucht es eine Einverständniserklärung der Eltern.
10 Prozent Trefferquote prognostiziert
Die befüllten Teströhrchen werden zur Auswertung ins Vienna Biocenter gebracht und anschließend im Labor des Wiener AKH befundet. Bei einem negativen Ergebnis informiert die Schulleitung die Personen, bei einem positiven Resultat die Gesundheitsbehörde. Wobei Faßmann betonte, dass nach bisherigen Erfahrungen bei mehr als 90 Prozent aller Verdachtsfälle keine tatsächliche Sars-Cov-2-Infektion vorliegt. "Wir wollen mit die Ausfälle von Lehrern minimieren", verwies der Ressortchef auf derzeitige Verzögerungen in den Testabläufen und damit verbundene längere Quarantänenotwendigkeiten.
Anfängliche Skepsis überwunden
Auf die Frage, warum das System nicht schon vor zwei Wochen, also mit Schulbeginn, implementiert wurde, erklärte Hacker, dass erst jetzt alle notwendigen Zertifizierungen für den Gurgeltest vorlägen. Denn als Grundlage für ein eventuelles Behördenverfahren - sprich die Verhängung einer Quarantäne - müsse ein Testverfahren "niet- und nagelfest" sein. Der Bildungsminister meinte ebenfalls, dass die Einsatzfähigkeit des Testkonzepts erst jetzt ausgereift genug sei: "Drei Wochen zuvor wäre ich noch skeptisch gewesen." Mit wahlkampfbedingtem Hickhack zwischen Bund und Wien habe der erst jetzt erfolgte Start nichts zu tun, versicherten beide Herren.
Drei-Wochen-Offensive
Laut Faßmann ist die Pilotphase nun einmal für drei Wochen ausgelegt. Sollten andere Bundesländer Interesse haben, werde sein Ministerium jedenfalls das entsprechende Know-how zur Verfügung stellen: "Aber die dortige Gesundheitsbehörde muss aktiv werden", betonte der Ressortchef.
Virologin Monika Redlberger-Fritz sprach von einem wichtigen Schritt. Kinder würden sich zwar nicht so leicht mit dem Coronavirus infizieren und hätten im Falle einer Ansteckung auch kaum Symptome, stellten bei der weiteren Verbreitung aber trotzdem ein Glied in den Infektionsketten dar.
Stadt Wien hofft auf gutes Ergebnis
Die Stadt sieht die mobilen Teams des Ministeriums aber ohnehin nur als eine Art Übergangsphase. Denn Hacker kündigte an, Schulen ab der kommenden Woche mit 600.000 Gurgeltestkits auszustatten. Dank der leichten Handhabung sollen sie - nach dem grünen Licht der Gesundheitsbehörde - künftig eigenständig Testproben entnehmen können. Diese werden dann abgeholt und zum Labor gebracht.
Ausprobieren will die Stadt ab Donnerstag zudem einen "Cluster-Buster-Bus", der mit einem neuartigen Testgerät ausgestattet ist. Von der Probenentnahme bis zum Vorliegen des Ergebnisses soll es dann nur eine Stunde dauern, wobei 48 Tests pro Stunde erfolgen können, erklärte Hacker. Der Bus werde ebenfalls an Schulen und - falls er sich bewährt - später auch an Betrieben zum Einsatz kommen.
Keine Quarantäne trotz Corona-Infektion
Was die neuen Empfehlungen des Gesundheitsministeriums anbelangt, Klassen- oder Gruppenkollegen bei einem bestätigten Corona-Fall trotzdem nicht in Quarantäne zu schicken, sagte Hacker sinngemäß, man überlege eine Umsetzung in Wien noch. Das Interesse daran dürfte sich aber in ganz Österreich bisher in Grenzen halten. Faßmann räumte ein, dass die Empfehlung bisher noch keine Gesundheitsbehörde aufgegriffen habe.
Die SPÖ begrüßte den Einsatz mobiler Teams für Gurgeltests an Wiener Schulen. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid lobte das Konzept prinzipiell, schob die Verantwortung für den Start erst nach Schulbeginn aber dem Minister zu. "Stadtrat Hacker scheint Minister Faßmann endlich aus seinem Tiefschlaf geweckt zu haben. Vor sechs Wochen - rechtzeitig vor Schulbeginn - habe ich ein Konzept für einen sicheren Schulbetrieb vorgelegt. Die Bundesregierung hat dieses geflissentlich ignoriert und so ein regelrechtes Schulchaos verursacht", verwies sie auf Unklarheiten im Schulbetrieb und die "gescheiterte" Corona-Ampel.
FPÖ bleibt misstrauisch
Hart ins Gericht mit den vorgestellten Gurgeltest-Teams ging hingegen die FPÖ. "Derartige sinnlose Massentests an Schulen sind reiner Aktionismus und dienen lediglich der Angstmache", urteilte
Bildungssprecher Hermann Brückl: "Statt diesem Faßmann-Pilotprojekt sollen nur jene Schüler getestet werden, die das auch wirklich wollen und dann muss aber auch innerhalb von zwölf Stunden ein Testergebnis vorliegen, wie wir das schon vor Wochen gefordert haben."
Mehr bestätigte Infizierte, weniger Abwesenheiten
Thomas Bulant, Vorsitzender der Sozialdemokratischen LehrerInnen Österreich (SLÖ), hatte indes nur Lob für Faßmann und Hacker übrig. Sollten durch schnelle Resultate tagelange Quarantäne-Abwesenheiten verhindert werden können, wäre das eine deutliche Verbesserung zum Status quo: "Das bisherige Warten auf Rückmeldungen hat die Schulleitungen zermürbt. Dienstpläne und der Schulalltag waren immer schwieriger zu gestalten." Beide Herren hätten bewiesen, dass das Coronavirus kein Wahlkampfthema sein müsse, zeigte sich Bulant erfreut.
(APA/red)