Harsche Kritik am Epidemiegesetz von Rudi Anschober

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) empfängt am Montag die Klubobleute, um über die Novelle des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes zu sprechen. Im Vorfeld geht es rund, da der Verfassungsdienst im Kanzleramt Bedenken gegen den Entwurf äußerte und die im Parlament vertretenen Oppositionsparteien sowieso. Seit Monaten steht das Gesundheitsministerium in der Kritik, weil seine Corona-Verordnungen regelmäßig für Chaos und Unsicherheit sorgen und von Juristen regelrecht zerpflückt werden. Anschober hatte deshalb bereits zugesagt, den Verfassungsdienst mit seiner Expertise besser einzubinden. Nun tauchte unter zahlreichen negativen Begutachtungsstellungnahmen zur Novelle der Coronagesetze, die nach einer Schelte des Verfassungsgerichtshofes notwendig geworden war, ausgerechnet eine kritische Empfehlung des Verfassungsdienstes auf.

Erneut unbestimmte Begriffe eingestreut

Die Experten des Verfassungsdienstes stoßen sich unter anderem an der Schlüsselstelle der Novelle - nämlich an der Definition von "bestimmten" und "öffentlichen" Orten beim Betretungsverbot. "Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden (...)", heißt es im Entwurf zum Covid-19-Maßnahmengesetz. "Aus dem vorgeschlagenen Wortlaut lassen sich (...) die konkrete Bedeutung der Begriffe 'bestimmte Orte' und 'öffentliche Orte' sowie ihre Abgrenzung voneinander nicht mit ausreichender Klarheit erkennen", bemängelt der Verfassungsdienst. Man müsse etwa klarstellen, ob von "bestimmten Orten" auch private Orte wie etwa Wohnungen oder Grundstücke erfasst seien.

Das Gesundheitsministerium reagiert mit dem Entwurf darauf, dass der Verfassungsgerichtshof Anschobers Bestimmungen zu den Ausgangsbeschränkungen zum größten Teil aufgehoben hat. In mehreren Stellungnahmen der Begutachtung zum Epidemiegesetz gab es Warnungen, dass auch die neuen Regelungen verfassungswidrig sein könnten, das Gesetz sieht nämlich die Möglichkeit von sehr weitgehenden Betretungsverboten vor.

Der Verfassungsgerichtshof in Wien hat Corona-Verordnungen teilweise für gesetzwidrig erklärt

Laut Verfassungsgerichtshof sind manche Bestimmungen nicht mehr anzuwenden | © APA/Neubauer

Der Verfassungsdienst im Kanzleramt sieht zwar nicht grundsätzlich die Gefahr einer Verfassungswidrigkeit, aber dennoch grobe Unklarheiten. "Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 erforderlich ist", heißt es wörtlich im Entwurf zum Covid-19-Maßnahmengesetz.

"Aus dem vorgeschlagenen Wortlaut lassen sich (...) die konkrete Bedeutung der Begriffe 'bestimmte Orte' und 'öffentliche Orte' sowie ihre Abgrenzung voneinander nicht mit ausreichender Klarheit erkennen", bemängelt der Verfassungsdienst in seiner Stellungnahme. Dies sollte zumindest in den Erläuterungen klargestellt werden, meinen die Rechtsexperten. Auch müsse man klarstellen, ob von "bestimmten Orten" auch private Orte wie etwa Wohnungen oder Grundstücke erfasst sein sollen.

Was die Änderungen im Epidemiegesetz betrifft, ist für den Verfassungsdienst nicht stimmig, dass Veranstalter zwar die Kontaktdaten von Gästen und Besuchern sammeln müssen, die Besucher aber nicht verpflichtet sind, ihre Daten preiszugeben. "Dies wirft die Frage auf, was gilt, wenn ein Besucher nicht einwilligt."

Betretungsverbote im geplanten Epidemiegesetz

Anschobers Sprecherin erklärte auf Twitter angesichts der kritischen Stellungnahme zum Entwurf, dass der Verfassungsdienst eingebunden gewesen sei. Informationen der APA zufolge war der im ÖVP-geführten Kanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst tatsächlich bereits vor der parlamentarischen Begutachtung über den Inhalt der Novelle informiert - und hat auch sowohl in Besprechungen, als auch schriftlich seine Bedenken mitgeteilt. Viele der Anmerkungen sind aber offenbar nicht berücksichtigt worden, weshalb man nun im Zuge einer offiziellen Begutachtungsstellungnahme noch einmal auf die offenen Kritikpunkte hingewiesen hat.

Kanzler steht hinter Anschober

Der ÖVP wird medial immer wieder nachgesagt, mit Argusaugen auf Anschobers gute Umfragewerte zu schielen. Kanzler Sebastian Kurz hatte sich am Freitag allerdings schützend vor das Gesundheitsressort gestellt und betonte erst am Wochenende wieder, dass Anschober sein Vertrauen genieße.

Kanzler Kurz beschreibt Zukunft in einer Rede zu Lage der Nation

Flankiert von Flaggen erklärte Kanzler Kurz die Lage der Nation | © APA/Hochmuth

Im Gesundheitsministerium war man am Sonntag ebenfalls um Beruhigung bemüht: Die Zusammenarbeit der juristischen Fachabteilung mit dem Verfassungsdienst sei "sehr gut und konstruktiv", hieß es am Sonntagnachmittag. Der Verfassungsdienst sei von Beginn an in die Erarbeitung der beiden Entwürfe eingebunden gewesen, "einige Anregungen wurden entsprechend eingearbeitet", andere seien während der Begutachtungsphase genauer ausgeführt worden.

Anschober lenkt auf parteipolitische Motive

"Konstruktive Kritik bringt uns weiter", meinte Anschober. "Was uns nicht weiterbringt, ist künstliche parteipolitisch motivierte Aufgeregtheit, die der Sache schadet." Zuvor hatte die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau Dagmar Belakowitsch ein "Verwirrspiel" geortet. Eigentlich sei es geübte Praxis, dass jeder Gesetzesentwurf vor Veröffentlichung innerhalb der Koalition abzustimmen ist, meinte sie. Der Begutachtungsentwurf sei jedenfalls "der Versuch einer kollektiven Freiheitsberaubung unter dem Deckmantel des Coronavirus" - "er ist zum Kübeln, zurück an den Start", forderte Belakowitsch.

Ein "verfassungsrechtlicher Murks" ist die Novelle auch für Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Er erhofft sich vom Gespräch mit Anschober "substanzielle Zugeständnisse", denn "bei Showpolitik machen wir sicher nicht mit".

Unterstützung von Parlaments-SPÖ fraglich

ÖVP-Klubchef August Wöginger will als Konsequenz der Begutachtungskritik kommende Woche mit allen Fraktionen Gespräche starten, wie das Parlament bei den Corona-Maßnahmen stärker eingebunden wird. Konkret hatte ja Kanzler Kurz angekündigt, dass Verordnungen auf Basis des Covid-19-Gesetzes künftig vor Inkrafttreten vom Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden müssen. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) begrüßte das - eine Mitwirkung des Parlaments erweitere die demokratische Legitimation und helfe, Fehlerquellen wie in der Vergangenheit zu vermeiden. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner hat sich schon öfters als Befürworterin des Kurses des Gesundheitsministers Rudolf Anschober ausgesprochen.

(APA/red)