Die ohnehin seit Jahren angespannten Beziehungen zwischen Wien und Ankara werden jetzt auch noch durch einen Spionagefall belastet. Wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag berichtete, hat eine Person gestanden, im Sinne des türkischen Geheimdiensts in Österreich gespitzelt zu haben. Eine Anklage stehe bevor. Nähere Informationen gab der Minister bei seiner Pressekonferenz nicht preis. So blieb vorerst sowohl die Identität des vermeintlichen Spions als auch dessen Nationalität und Geschlecht unklar. Die "Krone" berichtet online, dass es sich um eine Frau handeln soll, die der Spionage bezichtigt wird. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Vorauseilend wurde heftige Kritik in Richtung Türkei von Seiten der ÖVP geführten Bundesregierung erhoben.
Am Dienstag wurden erste Hintergründe bekannt. Die betroffene Person soll sich in der Türkei in Gewahrsam befunden haben und mit den dortigen Behörden einen Deal eingegangen sein. Für die Freilassung soll sie sich dazu verpflichtet haben, in Österreich lebende Menschen türkischer Herkunft bzw. Staatsbürgerschaft zu bespitzeln. Entsprechendes soll die Person gestanden haben. In welchem Bundesland sie sich aufhält bzw. ob sie sich auf freiem Fuß oder in Haft befindet, war bis zum Nachmittag nicht erurierbar. Denn es wurde auch nicht bekanntgegeben, welche Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen befasst ist.
Dieser Fall steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen kurdischen Demonstranten an einer Kundgebung und türkischen Gegendemonstranten Ende Juni in Wien, wurde aber von der da eingerichteten Sonderkommission mit berücksichtigt. Der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf ist nämlich überzeugt, dass auch bei diesen Auseinandersetzungen der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. "Der Fall zeigt, mit welcher Energie und mit welchem Nachdruck hier versucht wird, auf österreichische Traditionen wie dem Versammlungsrecht Einfluss zu nehmen", wird Nehammer in der Krone-Online zitiert.
Die Demonstrationen in Wien wurden damals von Linken Gruppierungen mit Beziehungen zur Fridays for Future Wien Bewegung zusammen mit Exil-Kurden organisiert. An einer Kundgebung bei der es zu Ausschreitungen kam, nahm auch Wien Vizebürgermeisterin Birgit Hebein teil.
Der Fall ist in einem Zwischenbericht jener Sonderkommission enthalten, die sich mit den Ausschreitungen Ende Juli in Wien-Favoriten befasst. Dort war es an mehreren Tagen zu heftigen Zusammenstößen zwischen kurdischen Kundgebungsteilnehmern und türkischstämmigen Gegendemonstranten gekommen. Auch hier vermutet das Innenministerium Einfluss des türkischen Geheimdienstes.
Konkretes dazu konnten Nehammer und Franz Ruf nicht vorlegen. Verwiesen wurde lediglich darauf, dass im Rahmen der Auseinandersetzungen gefilmt wurde, was typisches Geheimdienst-Handwerk sei. Auch wurde auf den Fall eines Mannes verwiesen, dem bei seiner Einvernahme in der Türkei Fotos von sich bei einer Demonstration in Österreich gegen die Führung in Istanbul vorgelegt worden seien. Freilich handelte es sich dabei nicht um die gewalttätig verlaufenen Kundgebungen in Favoriten.
Für die Regierung ist bereits klar, dass Österreich Zielland türkischer Spionage sei, wie es Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) formulierte. Der Arm von Präsident Recep Tayyip reiche bis nach Wien-Favoriten. Dem will man entgegentreten, wie Nehammer betonte: "Türkische Spionage und Einflussnahme auf Freiheitsrechte haben in Österreich keinen Platz." Er hat über den Spionagefall auch bereits mit dem Innenminister des gegenwärtigen EU-Vorsitzlandes, dem Deutschen Horst Seehofer, konferiert.
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl höhnte in einer Pressekonferenz, dass es wohl nur für Nehammer eine Neuigkeit sei, dass die Türkei in Österreich und Wien so etwas wie ein Spitzelwesen betreibe. Er erwarte sich umgehend Konsequenzen im diplomatischen Bereich. Wenn der entsprechende Nachweis erbracht werden könne, müsse es auch zur Ausweisung von Botschaftspersonal kommen.
Im Außenministerium wartet man indes ab, auch wenn Nehammer bereits Schritte von Ressortchef Alexander Schallenberg (ÖVP) angekündigt hatte. Eine Sprecherin des Ressorts sprach auf APA-Anfrage von einem schwerwiegenden Vorwurf. Man behalte sich auch weitere Schritte vor. Nun sei aber einmal die Justiz am Zug.
(APA/red)
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