Keine gute Analyse für Lock-Down des Gesundheitssystems

Beinahe täglich hält Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine Pressekonferenz ab, um auf die Gefahren des Coronavirus hinzuweisen. Der Lock-Down hat das österreichische Gesundheitssystem weitgehend eingeschränkt. Obwohl die Fallzahlen gering sind, befürchtet Anschober immer noch den großen Ausbruch: Die zweite Welle. Angesichts der geringen Infektionen, und wenigen Erkrankten in Intensivbehandlung mehren sich die Skeptiker seines harten Kurses. Seit Bildungsminister Heinz Faßmann klar gemacht hat, wie der Schulalltag im Zeichen der Corona-Ampel geregelt sein wird, fürchten sich auch die "Großen" vor den angekündigten  Covid-19-Gesetzen der Regierung. Die keinen Spaß versteht, und Corona-Angst zum Wohle der Volksgesundheit verbreitet, bis es einen passenden Impfstoff gibt vom richtigen Hersteller. Am Mittwoch hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober die unangenehme Pflicht, einen ersten Zwischenbericht zu den Auswirkungen des Lock-Down auf das Österreichische Gesundheitssystem bekanntzugeben.

Lock-Down hat Gesundheitssystem geschadet

Eindringliche Worte richtet Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker an Gesundheitsminister Rudolf Anschober, nachdem dieser die Auswirkungen der Coronakrise auf das Gesundheitssystem präsentiert hat. "An den gesunkenen Behandlungszahlen sieht man ganz deutlich, was die Angstpolitik der Bundesregierung bewirkt hat. Es ist schockierend, wenn man sich vorstellt, dass Krebspatientinnen und -patienten vor Angst und schlechtem Gewissen nicht mehr zu ihren überlebensnotwendigen Behandlungen gegangen sind." Man habe, so Loacker, mit jener Politik die Balance auch innerhalb des Gesundheitsbereichs völlig aus den Augen verloren.

Schuldzuweisungen an Jugendliche aus dem Urlaub

Ein kleiner Teil der Jugendlichen hätte nicht ausreichend Risikobewusstsein, so Anschober. Das Jugend-Bashing des Gesundheitsministers stößt auf Kritik. Loacker kritisiert auch die immer offeneren Schuldzuweisungen des Gesundheitsministers an die Adresse junger Menschen. "Die größte Bedrohung stellen nicht die Jungen dar, die auf Urlaub im Ausland waren. Den größten Schaden hat die Regierung angerichtet, indem sie den Menschen dermaßen viel Angst eingejagt hat, dass diese sich nicht mehr zum Arzt getraut haben und damit ein großes Risiko eingehen mussten. Nicht einmal Anschober selbst behauptet aktuell noch, das Spitalswesen käme an seine Kapazitätsgrenzen – warum also diese aufgebrachte Standpauke?"

Der Lock-Down hat dazu geführt, dass weniger Krebsbehandlungen stattfanden, als nötig gewesen wären. Vor allem im April und Mai ging die Zahl der Brustkrebsdiagnosen zurück, weil etwa auch weniger Mammografien durchgeführt worden sind. Spitalsaufenthalte nach Herzinfakten gingen um 25 Prozent zurück. Bei den Schlaganfällen sei die Zahl hingegen gleich geblieben, in manch anderen Ländern habe es einen Rückgang von minus 40 Prozent gegeben. Stationäre Aufenthalte nach einem Unfall hätten sich sogar halbiert in der Zeit des Lock-Downs. Es wurden wohl weniger Risikosportarten ausgeübt", mutmaßte Studienautorin Karin Eglau bei der Studienpräsentation.

Twitter Aufregung um Anschober Tweet

Auf Twitter leistete sich Gesundheitsminister eine Aussage, die sowohl von Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) Hacker, als auch vom freiheitlichen Generalsekretär Michael Schnedlitz kritisiert wurde. Anschober teilte auf Twitter mit, dass Corona-infizierte Heimkehrer sich "zusammenreißen sollen".  Für Schnedlitz ist das "Krankheits-Shaming von oberster Stelle und widerwärtig. Der Minister hat sich sofort bei den Opfern zu entschuldigen",so der Generalsekretär der FPÖ. Laut Anschober wäre es unverantwortlich, dass junge Menschen mit einer Infektion aus dem Urlaub heimkommen.

Gesundheitskasse erhält Coronahilfe

Anschober hat am Mittwoch nach einem ersten Treffen mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) finanzielle Coronahilfen des Bundes zugesagt. Er versprach einen "dreistelligen Millionenbetrag" für heuer, konkreter wurde er noch nicht. Für die Versicherten schloss er Verschlechterungen aus. Am 9. September wird weitergeredet.

Das Gespräch sei äußerst konstruktiv verlaufen, betonte Anschober in einer Pressekonferenz. Der Bund werde seine Verantwortung wahrnehmen. Man wolle die durch Corona entstandenen Herausforderungen gemeinsam stemmen, und zwar nicht nur heuer. Inklusive 2021 und 2022 - denn auch über diesen Zeitraum will der Minister ein Gesamtpaket schnüren - soll es um einen "schon größeren dreistelligen Millionenbetrag" gehen. Auch ÖVP-Klubchef August Wöginger sprach gegenüber der APA von einer "konstruktiven und guten Startsitzung" .

Expertenrunde

Bevor genaue Summen fixiert werden, soll eine Expertenrunde - mit Beteiligung des Finanzministeriums - bis 4. September für eine einheitliche Zahlengrundlage sorgen. Die Krankenversicherungen zusammen haben zuletzt ein Minus von 558 Mio. Euro für heuer prognostiziert, 427 Mio. Euro davon entfallen auf die ÖGK. Wöginger wies darauf hin, dass etwa auf eine neue Wifo-Prognose warten will. Die Wirtschaft entwickle sich zum Glück ja besser, als noch im Frühjahr erwartet. Auch Anschober ortete eine volatile Konjunktur, was auf die Einnahmen der ÖGK durchschlage.

Am 9. September soll es dann zur nächsten Gesprächsrunde mit der ÖGK kommen. Dann werde es unter Beiziehung von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einer politischen Grundsatzentscheidung bedürfen, so Anschober. Laut Wöginger brauche es für eine staatliche Unterstützung einen Regierungs- und einen Parlamentsbeschluss.

Ob es zu einem kompletten Kostenersatz kommen wird, ließen sowohl Anschober als auch Wöginger offen. Wichtig sei, dass es - wie schon in einer parlamentarischen Entschließung festgelegt - keine Leistungskürzungen oder Beitragserhöhungen für die Versicherten kommen werde, betonte der ÖVP-Klubchef. Die Liquidität der ÖGK sei jedenfalls nach wie vor gewährleistet, Grund zur Sorge bestehe also nicht.

Geredet wird übrigens nicht nur mit der Gesundheitskasse: Auch Termine mit den anderen Trägern, etwa der Selbstständigen-Versicherung SVS, werden folgen.

(APA/red)