Der Nationalrat hat am Dienstag ein Gesetz zur Konjunkturstärkung einstimmig, eines zur Investitionsförderung nur gegen die Stimmen der FPÖ beschlossen. Zentraler Punkt ist das Steuerpaket, das den Eingangssatz bei der Einkommenssteuer rückwirkend ab Jahresbeginn von 25 auf 20 Prozent senkt. Für Arbeitnehmer, die so wenig (bis 11.000 Euro) verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen und von der Steuersenkung nichts haben, gibt es 100 Euro mehr Negativsteuer. Weiters wurde der befristet geltende Höchststeuersatz von 55 Prozent für Spitzenverdiener bis 2025 verlängert.
Eine weitere Neuerung ist die degressive Abschreibung. Bei größeren Investitionen bringt das zu Beginn Steuervorteile und damit eventuell mehr Liquidität. Firmen bekommen zudem die Möglichkeit eines Verlustrücktrags. Schließlich ist noch ein Bauernpaket enthalten. Für Landwirte ist unter anderem eine Dreijahresverteilung für Gewinne vorgesehen. Mit Abänderungsantrag wurde dies auch auf Forstwirte erstreckt.
Für Flüge ab dem 31. August 2020 wird die Flugabgabe erhöht. Für Kurzstreckenflüge (bis 350 km) werden künftig 30 Euro pro Ticket für Kurzstreckenflüge fällig, während für sonstige Flüge 12 Euro pro Ticket gelten.
Ebenfalls beschlossen wurde die siebenprozentige COVID-19-Investitionsprämie, mit der die Regierung Anreize für Unternehmen schaffen und damit der aktuell zurückhaltenden Investitionsneigung entgegenwirken will. Für Investitionen im Zusammenhang mit Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit/Life Science ist eine Verdoppelung der Prämie vorgesehen. Das Förderprogramm, für das ein Budget in der Höhe von 1 Mrd. Euro zur Verfügung steht, soll mit 1. September 2020 starten.
Pamela Rendi-Wagner sprach sich am Wochenende in Zeitungsinterviews für das Tragen von Mundnasenschutz in geschlossenen Räumen aus. Dennoch erschien sie bei der 43. Sitzung des Nationalrates ohne. Auch beim SPÖ-Treffen ihrer Parlamentscrew in der Marx Halle waren ausgeschilderte Abstandsregeln reine Dekoration. Nicht einmal als die ORF-Kamera sie am Beginn des Treffens filmte, schaffte sie es, ihre eigenen Regeln einzuhalten.
Die Maßnahmen der Regierung seien unambitioniert, der türkis-grüne Weg ein kraftloser, meinte Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner. Die Steuerreform müsse fünf statt 1,6 Mrd. Euro umfassen. "Es muss fetzen", forderte sie, einmalige Almosen seien zu wenig. Für die Zustimmung der SPÖ reichte es schlussendlich aber doch, nachdem ÖVP-Klubchef August Wöginge deutlich gemacht hat, wie unsolidarisch eine Weigerung seitens der SPÖ wäre.
"Diese Regierung hat alles getan, um den Menschen zu helfen", und forderte SPÖ und FPÖ auf mitzustimmen, und zwar auch kommende Woche im Bundesrat. Andernfalls verzögere sich die Auszahlung der Gelder.
Stimmen Sie mit, dann wird alles gut
Von Regierungsseite wurde das Paket verteidigt. Die Konjunkturstärkung erfolge kurz- und langfristig, unterstrich Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). "Egal wie man die Rechnung anstellt, das Geld fließt, es kommt an, bitte das auch zu berücksichtigen." Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sah die Investitionsprämie als wichtigen Katalysator, und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) lobte die Entlastung der bäuerlichen Familienbetriebe. Marx Lercher (SPÖ) sprach als ehemaliges Bauernkind die ungerechte Behandlung der Arbeitnehmer an, die viel weniger als die Bauernschaft bekämen. Immer wieder wurde die "Klientel-Politik" von Seiten der ÖVP angeprangert.
Zum Klientel der ÖVP zählen gutverdienende Parlamentarier allemal
Zu Beginn der Sitzung sorgten die Ausschreitungen bei den Demonstrationen in Wien-Favoriten für eine lebhafte Debatte. Initiiert hatte die "Aktuelle Stunde" die FPÖ, die von Klubobmann Herbert Kickl genutzt wurde, die Auseinandersetzungen zwischen Linksextremen und kurdischen Demonstranten sowie türkisch-stämmigen Österreichern im 10. Wiener Gemeindebezirk abgespielt hätten. Ein "Wahnsinn" sei das, der abzustellen sei, ärgerte sich der freiheitliche Fraktionschef, der als Schuldige die ÖVP und ihr "Totalversagen im Bereich Zuwanderung, Asyl und Integration" ausmachte.
Besonders ins Visier nahm Kickl seinen Nachfolger als Innenminister, Karl Nehammer (ÖVP), für ihn der "SpongeBob der Innenpolitik", dem er empfahl: "Sie sollten weniger bellen und mehr beißen." Der Angesprochene antwortete prompt und versicherte: "Jeder Gewalttäter und jeder, der gegen das Symbolgesetz verstoßen hat, wird zur Rechenschaft gezogen." Auch jene, die glaubten, ein Mund-Nasen-Schutz schütze vor Verfolgung, würden sich täuschen. Ausschreitungen jeglicher Art hätten in Österreich keinen Platz.
Die politischen Angriffe der Volkspartei in Richtung Wiener Stadtregierung überließ Nehammer VP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer. Das Aufeinandertreffen der Gruppierungen sei ja kein Zufall gewesen sondern die Spitze eines Eisbergs: “Wir haben in Wien ein massives Integrationsproblem.” Und dafür sei die Wiener Stadtregierung verantwortlich.
Der freiheitliche Mandatar Hannes Amesbauer brachte Bundeskanzler Sebastian Kurz in Spiel. Er hielt dem Auditorium bei seiner Rede ein älteres Foto des heutigen Kanzlers entgegen, auf dem Männer beim Wolfsgruß zu sehen sind. Unter anderem den Grünen hielt er vor, sich auf eine Seite in dem Konflikt zwischen Kurden und Türken zu stellen – “skandalös” für Amesbauer.
Bei den Ausschreitungen in Favoriten und der Abschlusskundgebung unweit der türkischen Botschaft waren Grüne Politiker dabei. Angemeldet wurden die Demonstrationen von einem Linksaktivisten, der in Verbindung zu den Grünen steht. Sogar Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein war unter den Demonstrationen. Die Allianz der Grünen Partei mit der Kurdenbewegung in Österreich wird von der Türkei als Einmischung angesehen und argwöhnisch betrachtet. Die Grünen wiederum rechtfertigen ihr auslandspolitisches Engagement mit ihrem Kampf gegen Faschismus. Tausende Wiener und Wienerinnen mit türkischen Wurzeln, die mit Faschismus nichts am Hut haben, werden so zu Verdächtigen gestempelt. Einige Gruppen innerhalb der Grünen Bewegung nützen ihren politischen Einfluss offenbar, um Heimatpolitik in Österreich durchzusetzen.
(APA/red)
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