Die Stunde der Wahrheit für den Ibiza-U-Ausschuss kommt in Form eines Angebots des mutmaßlichen Drahtziehers des berüchtigten Ibiza-Videos. Bisher lag es den Parlamentariern nicht vor. Und Justizministerium und das Bundeskriminalamt streiten angeblich. Dass das Video schlichtweg zu heiß ist, weil es weitere amtierende Spitzenpolitiker in Bedrängnis bringen könnte, und deshalb nie zur Gänze an die Öffentlichkeit kommen darf, scheint ein verwegener Gedanke, der von den Oppositionsparteien SPÖ und Neos ins Spiel gebracht wird.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) forderte Ende Mai sowohl das Innen- als auch das Justizministerium schriftlich auf, das im April beschlagnahmte Ibiza-Video an den Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Jetzt wo man es haben könnte, muss genau geprüft werden, ob man es sehen darf.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss könnte das Ibiza-Video direkt vom mutmaßlichen Drahtzieher Julian H. bekommen. Sein Anwalt Johannes Eisenberg hat es in einem Schreiben angeboten. Ob man das Angebot annimmt, soll am Freitag in einer Sitzung der Fraktionsführer besprochen werden. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat dafür ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Die rechtliche Einschätzung des Rechts- und Legislativdiensts des Parlaments, wie in dieser Sache zu verfahren ist, wird am Freitag vorliegen, teilte das Büro Sobotkas der APA Donnerstagnachmittag mit. Eisenberg hat ihm die unveränderte Originalversion samt Tonspur offeriert.
Die Tatsache, dass das Video schon Ende April von der Soko Tape sichergestellt wurde, dem U-Ausschuss aber noch nicht übergeben wurde bzw. nicht einmal klar ist, wann dies der Fall sein wird, hat diese Woche für große Aufregung gesorgt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte im U-Ausschuss erklärt, dass die Auswertung lange dauerte, weil sie komplex war - und dass die Staatsanwaltschaft für die Weitergabe zuständig sei.
Nach dem Fund des vollständigen „Ibiza“-Videos Ende April war die SoKo mit Kritik konfrontiert. Die „SoKo Ibiza“ wurde Ende Mai 2019 im Bundeskriminalamt eingerichtet. Sie soll der WKStA und der Staatsanwaltschaft (StA) Wien zuarbeiten. Am 20. April "fanden" die SoKo-Ermittler das ganze „Ibiza“-Material in einer Wohnung in Wiener Neustadt. Gleich darauf informierten sie die StA Wien, die die Hausdurchsuchung bewilligte. Die WKStA wurde darüber allerdings nicht informiert. Am Mittwoch widersprach der Leiter der Sonderkommission, Andreas Holzer, Vorwürfen gegen die von ihm geführte Soko.
Meinung: Alles andere, als eine glatte Abfuhr an den Anwalt, der das Video angeboten hat, wäre nach dem bisherigen Verlauf eine Überraschung. Dass das Video früher oder später in voller Länge auftauchen wird, scheint man nicht glauben zu wollen. Ein bisschen Zeit gewinnen die Nebendarsteller des Videos, die Genannten und Erwähnten, die Politiker und die Großverleger, die sie erschaffen haben und selbst beschaffen ließen. Früher oder später werden es wohl alle zu sehen bekommen.
Die Videobombe ist noch lange nicht entschärft. Wegschauen nutzt nichts. Verzögern hilft nur jenen, die sich einen schönen Sommer in Spanien oder Griechenland gönnen wollen, bevor im Wahlherbst die Schmutzkübel ausgepackt und die Zeche für die Corona-Party fällig wird.
(red/APA)
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