Kranzniederlegung der Regierung nach Terroranschlag
Der islamistische Terroranschlag in der Wiener Innenstadt, bei dem vier Menschen getötet und weitere teils lebensgefährlich verletzt wurden, hat Trauerbekundungen, aber auch entschlossene Aufrufe zum Zusammenhalt nach sich gezogen. Um 12 Uhr fand eine Trauerminute statt, davor meldeten sich Kanzler und Bundespräsident zu Wort. Die Polizei ermittelte unterdessen weiter, immer mehr Details des erschossenen 20-Jährigen Attentäters wurden bekannt.
Worte des Bundespräsidenten
Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem "feigen terroristischen Attentat auf das Herz unserer Gesellschaft". Es habe offenbar allen gegolten, die das Leben in einer freien Gemeinschaft schätzten und hochhielten. Man werde aber nicht klein beigeben. "Hass kann niemals so stark sein wie unsere Gemeinschaft in Freiheit, in Demokratie, in Toleranz und in Liebe", so der Bundespräsident.
Das offenbar islamistische Attentat sei das "schlimmste unsere jüngeren Geschichte". "Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Verletzten, die in diesen Stunden um ihr Leben ringen. Unsere Tränen fließen für alle aus unserer Mitte, die ihr Leben verloren haben", sagte Van der Bellen. Das Staatsoberhaupt bedankte sich auch bei allen Einsatzkräften und bei der internationalen Gemeinschaft, die geschlossen "in diesen schweren Stunden" hinter Österreich stehe.
Spaltung der Gesellschaft
"Wir werden uns von Terroristen nicht einschüchtern lassen", unterstrich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Ein älterer Herr, eine ältere Dame, ein junger Passant und eine Kellnerin seien durch den Anschlag "aus dem Leben gerissen" worden. Man werde die von den Islamisten angestrebte Spaltung der Gesellschaft nicht zulassen: "Wir werden diesem Hass keinen Raum geben." Der Feind sei der islamische Extremismus, nicht alle Angehörigen einer ganzen Religion. Kurz dankte auch für die Vielzahl an internationalen Solidaritätsbekundungen.
Zusammenhalt ohne Hass gegen Islam
Der Montagabend erschossene Täter wurde am Dienstag vom Innenministerium als 20-jähriger nordmazedonisch-österreichischer Doppelstaatsbürger mit Namen Kujtim F. identifiziert. Er hatte eine Haftstrafe wegen terroristischer Vereinigung hinter sich, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen und sich der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen.
Gefängnisse sind Brutstätte der Radikalisierung
Laut der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) soll der Täter "nicht aus unserer unmittelbaren Religionsgemeinschaft" gekommen sein. Deren Präsident verurteilte das Attentat. Es handle sich um eine "feige, abscheuliche Tat". Ein Imam, selbst ehemaliger Gefängnisseelsorger, betonte, dass der Mann bereits in Haft gewesen sei, was ihn "umso trauriger" mache, denn: "Gefängnisse sind Brutstätte der Radikalisierung."
Chronologie der Verbrechen an Unschuldigen
In Österreich fanden jedenfalls umfangreiche Großrazzien im Umfeld des Täters statt, in Wien und St. Pölten kam es zu Festnahmen. Die Polizei konnte bisher drei Tatorte sichern. Der Mann wurde am Ruprechtsplatz erschossen, nachdem er dort eine Kellnerin getötet hatte. Auch weitere tödliche Schussabgaben konnten rekonstruiert werden, am Fleischmarkt sowie am Franz-Josefs-Kai.
Bangen um Gesundheit der verletzten Opfer
Das Innenministerium präzisierte am Dienstag, an welchen Orten der Attentäter auf seine Opfer geschossen hat. Demnach verletzte er eine in einem bekannten Lokal beschäftigte Kellnerin am Ruprechtsplatz 1 tödlich. An derselben Adresse wurde der 20-Jährige später von Polizeikräften erschossen.
Neben dem Tatort vor der Ruprechtskirche konnten mittlerweile zwei weitere tödliche Schussabgaben rekonstruiert werden. Ein Opfer wurde demnach an der Adresse Fleischmarkt 4 getötet, ein weiteres am Franz Josefs Kai 21. Auf den schwer verletzten 28-jährigen Polizisten feuerte der Terrorist am Franz Josefs Kai 29. Der genaue zeitliche Ablauf ist noch nicht geklärt.
Unterdessen bangt man um das Leben der sieben lebensbedrohlich Verletzten. Der Gesundheitszustand eines verletzten Polizisten war Dienstagfrüh weiterhin kritisch, aber stabil. Insgesamt werden in den Wiener Krankenhäusern 17 Menschen versorgt.
Am Bundeskanzleramt und der Präsidentschaftskanzlei wurden Dienstagfrüh die Flaggen auf halbmast gesetzt. Auch an allen Ministerien und öffentlichen Gebäuden war das der Fall. National und international zeigten sich Politiker entsetzt über den blutigen Anschlag und erklärten sich solidarisch mit Österreich.
Auch die unrühmliche Rolle einiger Medien wurde am Tag danach thematisiert. oe24.at und krone.at zeigten Videos und Bilder der Opfer.
Die Wiener Innenstadt war in den Morgenstunden wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.
Vertreter Österreichs bei Kranzniederlegung
In gemeinsamer Trauer haben Vertreter des offiziellen Österreichs und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich (IKG), Oskar Deutsch am Dienstag bei der Kranzniederlegung im Bereich des Tatorts des Wiener Anschlags ihre Kondolenz bekundet. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und weitere Vertreter der Regierung sowie der Parteien gedachten am abgesicherten Bereich des Tatorts der Opfer.
Eine Hundertschaft von Exekutivbeamten bewachte den Bereich im Umkreis der Judengasse und der Jerusalemstiege: Nur Medienvertreter bekamen Zutritt für den kurzen Zeitraum, der notwendig war, um das Gedenken mit ihren Kameras und Fotoapparaten festzuhalten. Drei Kränze waren vor dem Auftreten des offiziellen Österreich beim Desider-Friedmann-Platz bereits am Zaun des allein stehenden Magnolienbaum abgelegt worden. Zuvor hatten sich der Bundeskanzler mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und den Klubobleute der Parlamentsparteien im Bundeskanzleramt zu einem Krisentreffen zusammengefunden.
Dreitägige "Staatstrauer" beschlossen
Es herrschte völlige Stille, als um 12.45 Uhr der kurze Moment der Andacht seinen Beginn nahm, nur das Klicken der Kameras war bei der Kranzniederlegung zu hören. Aus Sicherheitsgründen schwebte eine Drohne über dem Platz, der gestern Montag zum zweiten Mal Ort eines Terroranschlags geworden ist. Nur wenige Meter entfernt steht die Synagoge in der Seitenstettengasse, die 1981 von einem palästinensischen Kommando im Auftrag des Terroristen Abu Nidal überfallen wurde und vor dem dort zwei Menschen getötet und über 20 verletzt wurden. Nach einer "Minute des stillen Gedenkens" zu Mittag ist von der Regierung im Rahmen ihrer Sondersitzung auch eine dreitägige "Staatstrauer" beschlossen worden: Bis inklusive Donnerstag werden die öffentlichen Gebäude entsprechend beflaggt.
(APA/red) Schluss