Vorbildwirkung ade. Als wäre nichts gewesen, verzichten Regierungs- und Oppositionsmitglieder bei der 36. Sitzung des Nationalrates geschlossen auf das Tragen von Mund-Nasen-Schutz. Das Corona-Thema stand zwar am Beginn der Sitzung am Mittwoch, 17. Juni 2020, aber dieser Aspekt wurde nicht behandelt. Die SPÖ wählte dazu die aus ihrer Sicht misslungene AUA-Rettung als Thema aus. Auch FPÖ und Neos kritisierten die von der Regierung gewählte Vorgangsweise, während sie von der Koalition verteidigt wurde. Im Laufe des Tages soll ein Coronahilfspaket für Künstler und Gemeinden beschlossen werden.
Etwas überraschend war der Beginn der Debatte. Denn es hatten die Sozialdemokraten bestimmt, dass in der "Aktuellen Stunde" über das "Versagen" des Finanzministers bei der AUA gesprochen werden sollte. Dann aber sprach Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner praktisch über alles andere, was die Regierung in der Krise falsch gemacht habe, ehe sie gerade noch in ihren Schlusssätzen anbrachte, dass die Koalition bei der Austrian Gewinne privatisiere und Verluste verstaatliche.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) betonte wiederum, dass es der Regierung darum gegangen sei, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Auch könnte man noch so viele Rettungspakete etwa für den Städtetourismus schnüren, würden diese doch nichts nützen, wenn Wien nicht entsprechend an das internationale Flugnetz angebunden würde. Das nämliche Probleme ergäbe sich, wäre der UNO-Amtssitz in Wien nicht per Direktflug erreichbar. Blümels Conclusio: "Ohne AUA auch keine Weltstadt Wien."
VP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger ergänzte, dass man in den Verhandlungen immerhin auch einen Beitrag der Lufthansa erreicht habe. Zudem verwies er auf den ökologischen Anteil am Rettungspaket wie die Anti-Dumping-Regeln und eine höhere Ticketsteuer auf der Kurzstrecke.
Nicht zu überzeugen war davon Ex-Infrastrukturminister Alois Stöger (ÖVP). Dieser hätte auf eine Staatsbeteiligung gesetzt. Zudem sieht Stöger weder Standort noch den versprochenen Einsatz klimafreundlicher Luftfahrzeuge vertraglich entsprechend abgesichert.
Gleich von einer "Bauchlandung" sprach der freiheitliche Verkehrssprecher Christina Hafenecker. Für ihn hat sich die Regierung von der Lufthansa wieder über den Tisch ziehen lassen: "Man hat hier auf ganzer Linie versagt." Wäre es nach ihm gegangen, hätte man Anteile kaufen müssen, um eine Sperrminorität an der AUA zu haben.
Mehr Bodenhaftung empfahl seitens der Grünen der Abgeordnete Hermann Weratschnig. Denn wo die Millionen tatsächlich rollten, sei im Bahnverkehr, verwies er auf 500 Millionen für Nachtzüge und 240 Millionen für das 1-2-3-Ticket.
Einen anderen Ansatz wählte Neos-Abgeordneter Josef Schellhorn. Die argumentierte in Richtung, die AUA sei kein österreichisches Unternehmen, sondern ein internationales. Andere Airlines würden Wien genau so anfliegen. Ein Schuss ins Knie, wie man am Lächeln des Finanzministers erkennen konnte. Symbolwert und Nationalstolz sind bei der Marke AUA unantastbar.
Schellhorn sei zwar schon der Meinung, dass der entsprechende Flugverkehr für Wien von Bedeutung ist. Die Frage sei aber, ob das nur die AUA bewerkstelligen könne. Jedes Unternehmen, das vorher so marod gewesen sei wie die Austrian, hätte an sich gar keine Hilfen bekommen.
Der Nationalrat verabschiedet am Mittwoch das nächste Coronahilfspaket. In der Plenarwoche werden die durch die Coronakrise aufgestauten Themen abgearbeitet. So stehen etwa gleich elf Rechnungshofberichte zur Debatte. Beschlossen werden auch die neuen Hilfen für Künstler und Gemeinden. Die FPÖ bringt einen dringlichen Antrag zum Thema Arbeitslosengeld ein.
(APA/red)
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