Nach lauer Kritik an den Reformplänen für das Bundesheer von Seiten der Opposition in den vergangenen Tagen hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag die Haltung der Regierung präzisiert. Sie bezeichnete die Landesverteidigung als “selbstverständlich”. Diesen Grundsatzgedanken einer so resoluten wie auch charismatischen Ministerin streitig zu machen, ging von Seiten der FPÖ genauso kläglich in die Hose wie der Applaus von Rendi-Wagner bei der Nationalratssitzung am Dienstag.
Tanner bedauerte einmal mehr die missglückte Kommunikation. Das sei schade, denn es “sollte um Inhalte gehen”. Es sei “selbstverständlich, dass das Bundesheer weiterhin alle seine verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen wird”. Es sei aber auch klar, dass man sich den aktuellen Herausforderungen anpassen müsse. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Fokus auf Panzer und schwere Waffen gelegen, später habe man die Luftraumüberwachung ausgebaut. Heute “haben sich die Bedrohungen massiv verändert”, sagte Tanner.
Im Fokus stünden heute Cyberangriffe, Katastrophen, Pandemien und Migrationskrisen. Die Personalstruktur des Bundesheeres entspreche nicht mehr den aktuellen Anforderungen. So werden etwa im Bereich Cyberdefence Hunderte zusätzliche Kräfte benötigt. Tanner sprach von einer geplanten Aufstockung von derzeit 20 auf 250 Mann und der Schaffung eines Cybersicherheitszentrums gemeinsam mit Bundeskanzleramt und Innenministerium. Die Schwierigkeit hier sei es aber, diese Leute am Arbeitsmarkt zu bekommen.
Gleichzeitig gehen in den kommenden zehn Jahren 8.000 Bedienstete in Pension. Die Reduktion des Personals werde daher nur über natürliche Abgänge passieren. Niemand müsse um seinen Job fürchten, betonte Generalstabschef Robert Brieger. Derzeit sind rund 20.500 Personen beim Bundesheer beschäftigt, davon 15.500 Mann in der Truppe. Gleichzeitig plane man eine “massive Aufwertung” des Bereichs Cyberdefence von derzeit 20 auf 250 Mann und der ABC-Abwehr von derzeit 500 auf 750 Mann.
Handlungsbedarf gebe es auch bei der Struktur, bekräftigte Tanner. “Wir haben Doppelgleisigkeiten und lange Befehlsketten. Es gibt acht Befehlsebenen zwischen dem Generalstabschef und dem einfachen Soldaten.” Tanner versprach zudem Investitionen in die Infrastruktur und in die Miliz. “Viele Kasernen entsprechen nicht dem Standard der Zeit.” Diese will sie unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte sanieren und modernisieren. Das Bundesheer verfügt über 287 Liegenschaften, davon 63 aktiv genutzte Kasernen und 360 Millionen Quadratmeter Fläche, davon vier Millionen Quadratmeter dauerhaft genützte Fläche. Für die Miliz ist in den kommenden drei Jahren ein Investitionspaket von 200 Mio. Euro vorgesehen.
Ein Bekenntnis gab Tanner zu den Auslandseinsätzen ab. Diese würden in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium weiterhin sichergestellt. Über die Debatten der vergangenen Tage zeigte sich Tanner verwundert. “Ich hätte nicht geglaubt, dass man so viel über eine Selbstverständlichkeit diskutieren kann.” Das Bundesheer werde “sowohl das eine auch das andere erfüllen”. “Wer verteidigen kann, kann auch helfen. Wer nur helfen kann, kann nicht verteidigen”, sagte Brieger zu Debatte um die militärische Landesverteidigung. Das Bundesheer müsse “bestimmte Kernfähigkeiten behalten”, so der General.
SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner warnt vor den Auswirkungen der von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) präsentierten Vorschläge zur Heeres-Umstrukturierung auf Österreichs Engagement bei UNO- und EU-Friedensmissionen. Es sei fraglich, ob Österreichs Beteiligung an UNO-Friedenseinsätzen aufrechterhalten werden könne, sagte Rendi-Wagner Dienstagabend.
Polemik: Eine Oppositionschefin, die sich den Regierungsparteien näher fühlt als der eigenen Fraktion, hat es noch nicht gegeben. Als Schattenministerin im Gesundheitsministerium hat sie ihre staatsragende Rolle gefunden. Grün-Türkis schätzt ihre Expertise, fragt nach ihrer Meinung, kann auf Augenhöhe diskutieren. Pamela Rendi-Wagner ist im Team Österreich eine wichtige Säule. Sollten die Grünen scheitern, ist die SPÖ sofort am Zug. Aber nur wegen ihr. Warum versteht das keiner?
Wunschdenken und Phantasie verhalten sich wie Politik und Journalismus.
Rendi-Wagners konstruktive Vorschläge für Maskenschutz und partielle Lockdowns werden vom Gesundheitsminister dankend angenommen und umgesetzt. Der nationale Schulterschluss beim Entschulden über den Maßnahmenkatalog zur Eindämmung des Virus wird mit dem Engagement der SPÖ-Medizinerin zur beschlossenen Sache.
Etwas mehr Zuneigung der eigenen Parteigenossen hätte die tapfere Politikerin nicht in die offenen Arme der Parlamentsfamilie laufen lassen. Dort schenkt man sich noch ein Lächeln am Mittagstisch, und kein griesgrämiges Gesicht, wie die KollegInnen aus der eigenen Partei. “Ja, über die Kommunikation der letzten Woche kann man diskutieren”. Aber wozu? Ein Lächeln bedeutet mehr als Tausend Worte. Und man gewöhnt sich daran.
(APA/red)
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