Chronik

Nationalrat gedachte der Opfer des Attentäters von Wien

© Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen

Drei Tage nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt hat der Nationalrat in einer Sondersitzung am Donnerstag der Opfer gedacht. Die Sitzung begann mit einer Gedenkminute im Hohen Haus. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bekräftigte in einleitenden Worten: "Wir werden nicht zulassen, dass der Hass unsere Gesellschaft spaltet. Wir sind alle stärker als Hass und Terror. Wer glaubt, uns einschüchtern zu können, der irrt. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte", sagte Sobotka.

Nationalrat gedachte der Opfer des Attentäters von Wien | © APA/Jäger

Angriff auf die freie Gesellschaft

Viele hätten es nicht für möglich gehalten, dass islamistischer Terror zu unserer Haustür vordringen könne, so Sobotka. Es sei ein geplanter Angriff auf die freie Gesellschaft, "unsere Werte, unsere Lebensart, unsere Demokratie" gewesen. Die Anteilnahme des Parlaments gelte den Opfern und ihren Angehörigen. Im Anschluss gaben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Erklärungen ab, auf die eine Debatte im Nationalrat folgte. Am Nachmittag kommt es zu einer allerdings regulären Sitzung des Bundesrats.

Sebastian Kurz will Schaden reparieren

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will mehr rechtliche Möglichkeiten im Kampf gegen Extremisten. Nicht immer verfüge man über die rechtlichen Mittel, um islamische Extremisten und andere Gefährder entsprechend überwachen und sanktionieren zu können, so Kurz. Ins Detail ging der Kanzler nicht. Er merkte aber an, es dürfe sich nicht wiederholen, dass ein Dschihad-Rückkehrer weitgehend unbehelligt in Österreich leben können, nur weil er fälschlicherweise angebe, geläutert zu sein. Explizit verlangte Kurz eine Reform des neuerlich in die Kritik geratenen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Dieses habe in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Gründen einen massiven Schaden erlitten: "Diesen gilt es nun zu reparieren."

Dschihad-Rückkehrer aus Türkei

Am 22. August 2018 wollte der mittlerweile getötete Attentäter aus Wien nach Afghanistan ausreisen, um sich der Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS) anzuschließen. Er konnte allerdings nicht ausreisen, weil er kein Visum hatte und wurde laut Ruf wieder zurückgewiesen. Am 1. September 2018 erfolgte der nächste Versuch. Über die Türkei wollte er weiter nach Syrien, wurde jedoch von den türkischen Behörden festgenommen und in Schubhaft genommen. Von dort wurde er am 9. Jänner 2019 entlassen.

Am 10. Jänner 2019 reiste er per Flugzeug nach Wien, wo er von den österreichischen Sicherheitsbehörden am Flughafen als sogenannter “Foreign Terrorist Fighter” erkannt und festgenommen wurde. In einem Strafverfahren wurde er deshalb wegen der Paragrafen 278a (Mitglied einer kriminellen Organisation) und 278b (Mitglied einer terroristischen Vereinigung) verurteilt. Am 5. Dezember 2019 erfolgte die bedingte Entlassung.

Trauerminute zum Gedenken an die Opfer des Terroranschlags | © Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen

Keine Verdunklungsgefahr

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) versprachen Transparenz bei der Aufarbeitung. "Es gibt volle Transparenz vonseiten des Innenministeriums", versicherte Nehammer.

Am Dienstag hatte Nehammer deutliche Kritik daran geübt, dass der von der Polizei erschossene Attentäter vorzeitig aus einer 22-monatigen Haftstrafe bedingt entlassen worden war. Mittlerweile ist aber das ihm unterstehende BVT in Erklärungsnot. Nun waren von Nehammer keine kritischen Töne Richtung Justiz mehr zu vernehmen.

"Es ist die Kommission, die Klarheit schaffen soll", verwies er auf das bereits angekündigte unabhängige Untersuchungsgremium. "Es ist noch nicht die Zeit, abschließende Befunde zu erstellen, welche Umstände und welche Fehler wo gemacht worden sind", entgegnete der Innenminister der Opposition.

Nehammer und Zadic bekräftigten zudem, dass es Reformen geben soll. Der Informationsfluss zwischen den Behörden soll verbessert werden, Zadic kündigte außerdem an, dass die Kontrolle nach der Haft "engmaschiger" werden soll. Zadic unterstütze "die Initiative des Innenministers, den Verfassungsschutz neu aufzustellen"

Herzliche Empfehlungen von Rendi-Wagner

Die Opposition nutzte die Sondersitzung zu scharfen Angriffen auf die Regierung, speziell auf Kurz Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner empfahl den beiden Verantwortung zu übernehmen statt diese abzuschieben. Sie stieß sich vor allem daran, dass Spitzen der ÖVP versucht hatten, vermeintliche Fehler der Justiz in den Vordergrund zu rücken. Warum also werde in der Öffentlichkeit immer das Gemeinsame betont, wenn man dann das genaue Gegenteil tue, fragte sich die SPÖ-Vorsitzende.

Nehammer sollte zurücktreten

Der freiheitliche Fraktionschef Herbert Kickl nannte Nehammers Verhalten feig. "Was Sie Kommunikationsfehler nennen, ist das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen." An der Stelle des Innenministers wüsste er, was nun zu tun sei, legte er Nehammer einen Rücktritt ans Herzen. In seinem Haus habe es ein furchtbares Versagen gegeben: "Dieser islamistische Anschlag hätte verhindert werden könne."

Die Angriffe der ÖVP auf die Justiz fand Neos-Klubobfrau Meinl-Reisinger "schäbig". Denn es gab ja im Bereich des Innenministeriums, konkret im BVT, massive Fehler. Die aufzudecken brauche es nun eben eine Untersuchungskommission, in die aber bis hin zur Vorsitzwahl die Opposition eingebunden werden müsse.

Keine Zuschauer im Parlament

Zuschauer waren im Parlament diesmal nicht zugelassen. Das hängt aber nicht mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, sondern mit der Verschärfung der Coronakrise zusammen. Die Sitzordnung des Nationalrats wird nämlich wieder geändert, wodurch einzelne Abgeordnete auf der Besuchergalerie untergebracht werden müssen.

(APA/red)

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