Regierung schafft getrennte Klassen für Ethik und Religion

Der Nationalrat hat am Freitag die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für jene Schüler beschlossen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Dafür stimmten ÖVP, FPÖ und Grüne, wobei letztere die Hoffnung äußerten, dass dies nur der erste Schritt zu einem Ethikunterricht für alle sei. SPÖ und Neos zweifelten daran, während sich die FPÖ lieber der Forderung nach Regelunterricht auch in Coronazeiten widmete. Ethikunterricht wird es ab der neunten Schulstufe geben (ausgenommen sind Berufsschulen und Polytechnische Schulen), los geht es ab dem Schuljahr 2021/22. Begonnen wird zunächst mit den neunten Schulstufen, im Jahr darauf folgen die neunten und zehnten usw. Der Endausbau wird dann 2025/26 erreicht sein. Das Ausmaß des Unterrichts wird zwei Stunden pro Woche betragen.

64. Sitzung des Nationalrates

64. Sitzung des Nationalrates | © Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Fundamentalistische Tendenzen

Für die ÖVP verteidigte Rudolf Taschner, dass die verpflichtende Ethik nur für vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler bzw. für jene ohne religiöses Bekenntnis eingeführt wird. Es gehe darum, Religionsunterricht weiter an den Schulen zu haben, und nicht in Hinterhöfen. Er verwies auf fundamentalistische Tendenzen mancher Religionen und zeigte sich von der Überlegenheit des österreichischen Modells gegenüber dem Laizismus etwa in Frankreich überzeugt.

"Ethik für alle wollen wir auch", sagte die Grüne Sibylle Hamann. Sie fand es aber besser, auf dem Weg dorthin mit Ethik für einige zu starten: "Das wird auch dem Religionsunterricht guttun." Mit diesem Gesetz sei eine Tür geöffnet worden. Religions- und Ethikunterricht werde gleichzeitig stattfinden, übergreifende Projekte seien möglich.

Nationalratsabgeordnete Sibylle Hamann

Nationalratsabgeordnete Sibylle Hamann | © Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Kinder nach Klassen und in Klassen

SPÖ und Neos waren unzufrieden. "Ethik wird zur Strafe für jene, die sich vom Religionsunterricht abmelden oder atheistisch sind", kritisierte die Wiener SPÖ-Mandatarin Nurten Yilmaz, die sich schon ganz auf Linie der neuen Koalition in der Bundeshauptstadt zeigte. "Die Neos als die wirklich bürgerliche Partei wissen, dass Bildung zentral ist", meinte sie: "Von der schwarz-grünen Regierung kann man das leider nicht sagen. Sie trennen weiterhin unsere Kinder nach Klassen und in Klassen."

Martina Künsberg Sarre (Neos) warf Türkis-Grün vor, eine historische Chance vertan zu haben. Man brauche einen Ethikunterricht für alle, und zwar ab der ersten Schulstufe, erklärte sie. Dass nun eine Tür geöffnet sei, stellte sie in Abrede. Wenn ein Gesetz einmal da sei, komme erfahrungsgemäß ganz lange nichts. Die Haltung der Grünen sei naiv, sie seien einmal mehr umgefallen.

Bei der FPÖ hielt man sich mit dem Ethikunterricht nicht auf, stattdessen stellte die Oppositionsfraktion die Kritik am Distance Learning während des Corona-Lockdowns in den Mittelpunkt. "Herr Bundeskanzler, sperren Sie die Schulen wieder auf", verlangte FPÖ-Mandatar Hermann Brückl: "Holen Sie die Kinder zurück ins Leben."

Covid-19-Schulstornofonds-Gesetz

Beschlossen wurde im Bildungskapitel auch die Ausweitung des Covid-19-Schulstornofonds-Gesetzes auf das gesamte Schuljahr 2020/21. Geld kann es dadurch für alle Veranstaltungen geben, für die vertragliche Verpflichtungen (z. B. Buchungen) vor dem Ende des Schuljahres 2019/2020 eingegangen wurden - also beispielsweise für Skikurse.

Zu Beginn der Sitzung hatte die SPÖ (wie schon am Vortag) die von der Koalition geplanten Änderungen bei den Pensionen, speziell die Abschaffung der Hacklerregelung für Langzeitversicherte, in den Mittelpunkt gestellt und vergeblich die Absetzung des für den Nachmittag vorgesehenen Tagesordnungspunkts verlangt. Dies "in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchzupeitschen" und damit eine Begutachtung bzw. Diskussion im Sozialausschuss zu umgehen, sei eine Verhöhnung des Parlaments, kritisierte Vize-Kubchef Jörg Leichtfried.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner betonte zu Mittag, dass es durch die verzögerte Anhebung der Bezüge Kürzungen für alle gebe. Sie ortet Pensionsraub. Bei einer normalen Pension würden über die ganze Pensionsdauer 14.000 Euro verloren gehen. SPÖ-Pensionisten-Chef Peter Kostelka rechnete vor, dass ein ganzes Jahr Pensionsbezug verloren gehe.

(APA/red)