SPÖ und FPÖ nützten ihre Stimmkraft im Bundesrat, um der Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Viezkanzler Werner Kogler (Grüne) ihre Widerspruch zu zeigen. Die unlängst im Nationalrat von den Schwarz/Türkis/Grünen beschlossenen Gesetze können somit erst später in Kraft treten. Das betrifft etwa die Ausweitung der Polizeibefugnisse bei Epidemien mangels rot-blauer Zustimmung am Dienstag im Ausschuss nicht auf die Tagesordnung der Länderkammer. In den Bundesrat zitieren will die FPÖ zudem Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP).
Insgesamt werden SPÖ und FPÖ das Inkrafttreten von vier Gesetzesänderungen verzögern. Verhindern können sie diese freilich nicht: Wenn die Opposition - wie geplant - in den Ausschusssitzungen heute, Dienstag, nicht zustimmt und die Gesetze somit nicht auf die Tagesordnung des Bundesrats-Plenums am Mittwoch oder Donnerstag kommen, werden sie dennoch nach acht Wochen automatisch kundgemacht.
Die Opposition hätte auch die Möglichkeit gehabt, aktiv einen Einspruch der Länderkammer einzulegen. Dann hätten ÖVP und Grüne eine Sondersitzung des Nationalrates einberufen und Beharrungsbeschlüsse fassen können - womit die Verzögerung kürzer ausgefallen wäre.
Um acht Wochen verzögert werden vier Gesetzesbeschlüsse aus dem Nationalrats-Sommerkehraus vergangene Woche. Besonders empört hat die Opposition die im Epidemiegesetz. Dass die Exekutive künftig Erkrankungssymptome abfragen darf, geht SPÖ und FPÖ zu weit.
Einen Einsatz der Polizei und des Bundesheeres für das „Contact Tracing“ – also das Ausforschen und Nachvollziehen von Infektionsketten – lehnt auch Wien Bürgermeister Michael Ludwig weiter konsequent ab. Das komme einer „Militarisierung des Gesundheitssystems“ gleich. Die Wiener Gesundheitsbehörden seien personell und inhaltlich bestens für diese Aufgabe aufgestellt und geschult.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger kritisierte die Verzögerung scharf: Dies sei ein "verantwortungsloser Akt und eine Gesundheitsgefährdung für die Menschen", meinte er gegenüber der APA. Gerade jetzt gelte es, "alles gegen eine erneute Ausbreitung" des Corona-Virus zu unternehmen.
Nicht mittragen wird die rot-blaue Bundesratsmehrheit auch die erste Etappe der BVT-Reform. Denn Türkis-Grün war der Forderung der Opposition (inklusive NEOS) nach Einbindung des Parlaments bei der Festlegung der Kriterien für die neue Vertrauenswürdigkeitsprüfung für mit dem Staatsschutz betraute Bedienstete nicht nachgekommen.
Drittes Gesetz auf der Warteliste ist die Fortschreibung des Preisbandes für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten. Die FPÖ lehnte diese überhaupt ab. Die SPÖ erachtete es als "Zuckerl für Pharmariesen" zulasten der Sozialversicherungsträger, dass die - ebenfalls in der ASVG-Novelle enthaltenen - Möglichkeit der Streichung zu teurer Medikamente aus der Erstattungsliste entfallen soll.
Erst nach den Sommerferien kundgemacht werden können mangels rot-blauer Zustimmung schließlich die Neuerungen bei der Qualitätssicherung von Universitäten und Hochschulen. Daran missfällt der SPÖ unter anderem, dass die Autonomie der Pädagogischen Hochschulen nicht - wie nötig - gestärkt, sondern eingeschränkt werde.
Trotz Ablehnung der SPÖ nicht auf die Wartebank muss der mit 350 Millionen dotierte Waldfonds für die Borkenkäfer- und Corona-geplagte Forstwirtschaft. Denn diesem stimmt die FPÖ zu und damit wird die Vorlage auf die Tagesordnung kommen und vom Bundesrat abgesegnet werden.
Nicht nur die Ausweitung der Polizeibefugnisse wird scharf abgelehnt. Die FPÖ findet die Bundesheer-Pläne von Verteidigungsministerin Tanner furchtbar. Es sei "unglaublich", dass gerade die ÖVP "das Bundesheer in Grund und Boden stampfen" wolle, sagte FPÖ-Bundesratsfraktionsvorsitzende Monika Mühlwerth zur APA. Eine Gesetzesvorlage gibt es dazu noch nicht. Aber die Freiheitlichen wollen die Ministerin dringlich nach ihren Vorhaben befragen. Behandelt wird die "Dringliche" ab 16 Uhr. Im Nationalrat hat die Opposition gemeinsam einen Misstrauensantrag gegen Tanner eingebracht, über den im nächsten Plenum abgestimmt wird.
(APA/red)
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