Der Nationalrat hat die Pensionsreform mit Koalitionsmehrheit beschlossen. Damit gelten ab 2022 wieder Abschläge (von 4,2 Prozent) bei der "Hacklerregelung", angetreten werden darf sie unverändert nach 45 Versicherungsjahren ab 62. Gleichzeitig eingeführt wird ein "Frühstarterbonus", mit dem für jedes Monat Arbeit vor 20 ein Euro auf die Pension draufgelegt wird (maximal 60). Voraussetzung ist, dass vor dem 20. Geburtstag 12 Monate und gesamt 25 Jahre gearbeitet wurden.
Die Pensionsreform sieht eine Verzögerung der Pensionsanpassung vor. Die volle Erhöhung im ersten Jahr nach dem Pensionsantritt erhält nur jemand, der im Jänner den Ruhestand angetreten hat. Danach schmilzt die Anpassung ab. Im Februar in Pension gegangene Rentner sollen 90 Prozent der Erhöhung erhalten, die März-Pensionisten 80 Prozent und so weiter. Jene, die im November oder Dezember aus dem Arbeitsleben scheiden, müssen bis zum übernächsten Jahr warten, bis sie überhaupt eine Erhöhung bekommen. Ebenfalls in der Novelle enthalten ist, dass die Unfallversicherung im Home-Office ihre Gültigkeit bis mindestens Ende März behält.
Dem Beschluss der Pensionsreform war eine emotionale Debatte vorausgegangen. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf der Koalition vor: "Sie zeigen ihr wahres unsoziales Gesicht." Seine freiheitliche Kollegin Dagmar Belakowitsch nannte die Vorlage "unfair, ungerecht und unsozial". Überhaupt kein Problem damit, dass die "Hacklerregelung" nicht mehr abschlagsfrei gilt, hat Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Der Vorwahl-Beschluss mit der Abschaffung der Abzüge sei ohnehin Husch-Pfusch gewesen, seien doch etwa nicht einmal die Beamten einbezogen worden. Auch dem "Frühstarterbonus" stehen die Neos kritisch gegenüber.
Die Koalition setzte sich gegen die Angriffe von Rot-Blau durchaus zünftig zu Wehr. ÖAAB-Generalsekretär Christoph Zarits meinte in Richtung SPÖ. Als sie beim selben Beschluss dabei gewesen sei, sei das pipifein gewesen, nun wo sie nicht dabei sei, sei es Teufelswerk. Wie die Sozialdemokraten die "Hacklerregelung" (mit Abschlägen) beschlossen hatten, seien sie noch staatstragend gewesen: "Heute seid ihr eine populistische Partei."
Ähnlich war die Argumentationslinie von Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne). 45 Jahre seien tatsächlich genug. Daher sei es richtig und wichtig, dass die Langezeitversicherten-Regelung bleibe. Man kehre nur einfach zurück zur alten Kompromisslösung, die dereinst SPÖ und ÖVP in der Regierung beschlossen hätten. Er sei jedenfalls angetreten, die Altersarmut zu bekämpfen und dazu dienten die zuletzt beschlossene starke Erhöhung der Ausgleichszulage genauso wie der "Frühstarterbonus".
Zuvor hatte der Nationalrat die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für jene Schüler beschlossen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Dafür stimmten ÖVP, FPÖ und Grüne, wobei letztere die Hoffnung äußerten, dass dies nur der erste Schritt zu einem Ethikunterricht für alle sei. SPÖ und Neos zweifelten daran, während sich die FPÖ lieber der Forderung nach Regelunterricht auch in Coronazeiten widmete.
Zudem wurde zum zweiten Mal einen Bonus für jene beschlossen, die in der Coronakrise arbeitslos sind. Sie können bis 450 Euro erhalten. Für jedes Monat von September bis November sind 150 Euro Bonus vorgesehen. Zustimmung kam von allen Fraktionen außer von den Neos. Verlängert wird auch eine Regelung, die Nachteile für Personen in Altersteilzeit durch die Corona-Pandemie verhindern soll.
Gegen die Stimmen der Neos wurde einen Rechtsanspruch für die Sonderbetreuungszeit fixiert. Zudem wird diese Freistellung auf vier Wochen ausgeweitet und werden dem Arbeitgeber die dadurch entstehenden Kosten refundiert. Kritisiert wurde von SPÖ und FPÖ, dass die Sonderbetreuungszeit nur dann gilt, wenn die Schule tatsächlich geschlossen ist.
(APA/red)
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