Eine Woche nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien schnürt die Bundesregierung im Ministerrat ein umfassendes Anti-Terror-Paket, das auf Gefährder und den politischen Islam abzielt. Geplant ist die vorbeugende elektronische Überwachung entlassener Gefährder sowie die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug ("Präventivhaft"). Währenddessen fordern Neos und SPÖ eine Aufklärung des Anschlags durch das Parlament. Der Druck auf Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wird höher, wie sich an den Wortmeldungen einzelner Oppositionspolitiker ablesen lässt. Man will wissen, warum der Verfassungsschutz nichts unternommen habe, obwohl der Mann festgenommen und sofort wieder eingesperrt hätte werden können.
Wie aus der APA vorliegenden Unterlagen hervorgeht, wurde am Mittwoch im Ministerrat eine Punktation beschlossen. Sie umfasst weiters die Möglichkeit zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach einer Terror-Verurteilung, Führerscheinentzug und strengere Waffengesetze sowie eine "Ergänzung der Straftatbestände zur effektiven Bekämpfung des religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)". Extremistische Vereine und Kultusstätten will man bei Terrorismuspropaganda leichter schließen können, es soll dafür ein Imameverzeichnis geben. Zudem soll die Zuständigkeit von Staatsanwaltschaften und Gerichten für Terrorismusstrafsachen gebündelt werden. Ein erstes Gesetzespaket soll Anfang Dezember in Begutachtung gehen.
Die Neos pochen nach dem Terroranschlag in Wien auf eine Aufklärung im Parlament. Es brauche "absolute und lückenlose Transparenz", forderte der pinke Verteidigungssprecher Douglas Hoyos am Mittwoch. "Wir wollen ein Ende dieser Vertuschung." Bevor die Regierung neue Maßnahmen präsentiere, müsse man einmal den Anlassfall genau untersuchen, was hier schiefgelaufen sei, meinte Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper. Alles andere sei eine "Ablenkung".
Die Regierung trage nach dem Terroranschlag, bei dem Anfang November vier Menschen in der Wiener Innenstadt erschossen wurden, nichts zur Aufklärung, sie gestehe immer nur Dinge ein, die Journalisten und Opposition aufdeckten, monierte Hoyos. Die Neos hätten inzwischen in mehreren parlamentarischen Anfragen über 120 Fragen gestellt. Hoyos interessiert, wie es sein könne, dass der Verfassungsschutz von dem Dschihadistentreffen mit dem späteren Attentäter in Wien gewusst habe, ebenso vom versuchten Munitionskauf in der Slowakei, aber nichts unternommen habe. Offen sei auch, wie der Täter zu seiner Waffe gekommen sei und wie er zum Tatort gelangt sei - all das deute auf Mittäter und "gehört dringend aufgeklärt", befand Hoyos.
Eine von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission könne gar nicht unabhängig sein - es sei eine "Chuzpe", das zu behaupten, meinte Hoyos. Bis jetzt sei die Opposition überhaupt nicht eingebunden. Eine solche Kommission müsse im Parlament im ständigen Unterausschuss zum Innenausschuss angesiedelt sein, dem sogenannten Geheimdienstausschuss, verlangte er.
Spätestens am Freitag solle der Ausschuss tagen, forderte Krisper, die der Regierung "Showpolitik" vorwarf. Man will von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über seinen Wissensstand informiert werden und eine Zeitleiste bekommen, bis wann mit welchen konkreten Schritten und unter welcher Einbindung des Parlaments der Verfassungsschutz reformiert werden soll. Aus Sicht der Neos braucht es überhaupt eine "Neugründung" des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Im BVT seien schlicht "nicht ausreichend kompetente Ressourcen" vorhanden, die das Attentat verhindern hätten können.
Was gesetzliche Änderungen betrifft, sind die Neos skeptisch - denn das BVT hätte im aktuellen Fall alle Möglichkeiten gehabt, zu handeln, ist Krisper überzeugt. Man solle nun nicht "überhastet" und "um abzulenken" neue Maßnahmen in den Raum werfen. Zuerst brauche es die Aufklärung, was genau überhaupt im aktuellen Fall schiefgelaufen sei.
Auch die SPÖ ortet "eine Kette von Fehlern" im Verantwortungsbereich von Innenminister Karl Nehammer. Der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried und Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderten am Mittwoch in einer Pressekonferenz eine umfassende Aufklärung unter starker Einbindung des Parlaments. Dies gelte auch für die von der Regierung angekündigte Untersuchungskommission.
Konkret wird die SPÖ nächste Woche im Nationalrat eine Dringliche Anfrage an Nehammer stellen. Außerdem hat die SPÖ bereits eine weitere Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates einberufen, die innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden muss. Dabei wolle man auch die Verantwortung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) thematisieren. Weiters will die SPÖ eine umfassende Debatte im Unterausschuss des Innenausschusses, dem sogenannten "Geheimdienstausschuss".
Die angekündigte Untersuchungskommission dürfe keine Nehammer-Kommission werden, betonten Leichtfried und Einwallner. Der Innenminister dürfe sich nicht die Experten selbst aussuchen. Und wenn die Kommission von der Regierung eingesetzt werde, sei sie nicht unabhängig. Und auch bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sieht Leichtfried nicht die dafür nötige Unabhängigkeit.
In der Dringliche Anfrage will die SPÖ nächste Woche im Nationalrat die "Chronologie des Behördenversagens" und die Frage, was Nehammer davon hätte wissen müssen, besprechen. Dass etwas "faul" sei im Innenministerium und bei Nehammer leitet Leichtfried auch daraus ab, dass Nehammer und die ÖVP mit Anschuldigungen zunächst gegen die Justiz und dann auch gegen Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) reagiert habe. "Jemand, der ein reines Gewissen hat, reagiert nicht so." Mit diesen Ablenkungsmanövern und Nebelschwaden müsse Schluss sein.
(APA/red)
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