Wer die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirenübertragung in Österreich kritikwürdig fand, tat dies einerseits aufgrund der Einschränkungen und andererseits aufgrund des politischen Stils der Regierung. Obwohl es keinerlei Erfahrung mit dem Virus gab, wusste sie immer besser Bescheid und machte am Ende doch die meisten Fehler im europaweiten Vergleich. Jetzt, wo die Impfung da ist und ganz Europa noch einmal ein paar Wochen still halten soll, damit das neue Jahr nicht im Spital beginnt, genau dann sperrt Österreich die Skilifte auf. Ausländische Medien fahren zurecht Schlitten mit der österreichischen Corona-Regierung, die von einem Tag auf den anderen ihren Machthebel verloren hat.
In wenigen Monaten, wenn nicht Wochen, wird jeder Österreicher das Angebot erhalten haben, sich gegen Corona impfen zu lassen. Wer es nicht tut und deshalb mit Covid-19 erkrankt, ist folglich selbst schuld und muss die Konsequenzen tragen. Die Befürsorgung und Bemutterung seitens der Regierung wird sich in Zukunft nur mehr an jenes Klientel richten dürfen, das sich weigert, auf sich selbst zu achten. Daneben warten die Aufräumarbeiten der Corona-Krise, die abertausende Menschen arbeitslos und die Kultur und darstellenden Künste mundtot gemacht hat. Es warten schwere Zeiten auf die Corona-Regierung, die vor schweren Herausforderungen steht. Das Verbreiten von Angstszenarien wie bisher hat mit der Verfügbarkeit des Impfstoffs ein Ende gefunden.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will die Regeln für das Freitesten aus dem Lockdown in der ersten Jänner-Woche vorstellen. Das sagte der Ressortchef bei seiner Jahresrückblicks-Pressekonferenz am Dienstag. Pläne, für Geimpfte im Falle eines weiteren Lockdowns Vergünstigungen anzubieten, gebe es nicht, betonte er. Auch will der Minister keine schärferen Maßnahmen, sollte die Impfbereitschaft nicht steigen - er setzt auf Aufklärung.
Man arbeite gerade an den Regeln für die Zeit nach dem für Mitte Jänner (15.-17. Jänner) geplanten "Freitesten" aus dem harten Lockdown. Durch einen negativen Test soll man ja - wie bereits verkündet - den Lockdown eine Woche vor dem geplanten Ende (24. Jänner) beenden können und dann Angebote wie etwa Gastronomie-Besuche bereits nutzen können. Anfang Jänner soll auch die zuletzt heiß diskutierte Frage der Kontrollen geklärt sein.
Für jene, die sich gegen das Corona-Virus impfen lassen, sind keine Vergünstigungen geplant. "Wir haben da keine Planung", so Anschober. Zuvor hatte Vorarlbergs Landessanitätsdirektor Wolfgang Grabher in den "Vorarlberger Nachrichten" erklärt, vom Bund sei eine Verordnung in Aussicht gestellt, die Geimpften Vergünstigungen bei einem weiteren Lockdown bringen soll.
Die Frage, ob angesichts der laut Umfragen geringen Impfbereitschaft eventuell doch schärfere Schritte möglich sein könnten, um Herdenimmunität zu erreichen, verneinte Anschober entschieden. "Wir planen keine strengeren Maßnahmen betreffend den Impfungen, sondern eine ehrliche Information." Es gehe darum, die breite Mehrheit - die hinsichtlich der Impfung noch unentschieden ist - zu überzeugen. "Da hilft nur eines: Aufklärung und Information."
Zum Impfplan sagte der Minister, im Detail seien noch Änderungen möglich, je nachdem, wann weitere Impfstoffe zugelassen werden und wann die Lieferungen dann möglich sind. Angesprochen auf die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums zur Priorisierung, wonach Impfungen etwa von Häftlinge noch vor der Gruppe der Lehrer vorgesehen sind, sagte Anschober: "Es hat wenig Sinn, eine Konkurrenzsituation zu entwickeln, wer welche Priorität hat. Wir wollen jene, die am akutesten in einer Risikosituation sind, vorrangig behandeln." Dies sei auch europaweit Konsens. An den Priorisierungen könne sich noch etwas ändern, am Grundablauf aber nicht. Dieser laute, zuerst die Risikogruppen zu impfen.
Ziel müsse sein, dass ab April mit der Impfung "in die Breite" gegangen werden kann - "und auch jene geimpft werden können, die nicht zur Risikogruppe gehören". Bis zum Sommer müsse für jeden Interessierten ein Impfangebot garantiert werden können. "Wir haben ausreichend Impfstoff. Es ist nicht eine Frage der Menge, sondern des Zeitpunkts: Wann kommt die Zulassung und wann die entsprechende Lieferung." Mit Beginn des Jahres hofft Anschober auf Zulassung eines zweiten Impfstoffes, sagte er.
Im Rückblick sprach Anschober von einem "sehr schwierigen Jahr für uns alle". Die Herausforderung sei dadurch gekennzeichnet gewesen, "dass es ein völlig neues Virus war und keine Erfahrung gegeben hat. Österreich war auf diese Pandemie nicht vorbereitet, ganz Europa nicht."
Gleichzeitig betonte der Minister den erlebten Zusammenhalt. Unerfreulich sei, dass Menschen, die schon bisher in Armutsgefährdung lebten, durch die Pandemie nicht noch stärker gefährdet wurden, sagte der Minister. Er erwarte sich allerdings, dass 2021 die Folgen der Rezession noch deutlich spürbarer werden. Ein wesentlicher Punkt der Sozialpolitik 2021 sei es daher, einen Nationalen Aktionsplan zur drastischen Verringerung der Armut zu erstellen - mit den Schwerpunkten auf Kinderarmut und Altersarmut bei Frauen.
Zwar werde das erste Halbjahr 2021 im Zeichen der Begrenzung der Pandemie stehen, es gelte aber auch andere Projekte umzusetzen, sagte der Minister. So werde es u.a. eine Novelle des Mutter-Kind-Passes geben und der Elektronische Impfpass soll in den ersten drei Monaten 2021 ausgerollt werden. Auch verwies Anschober auf die geplante Pflege-Reform, bei der vor allem die Ausbildung massiv erweitert werden soll. Auch gelte es, 2021 den Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen aufzustellen, sagte Anschober. Verstärken will er auch den Konsumentenschutz - und im Bereich des Tierschutzes plant Anschober Verbesserungen bei den Transporten und den Haltungsformen.
Einen besondern Dank richtete der Ressortchef an sein eigenes Haus: In seinem Ministerium wurden 2020 149 Verordnungen verfasst, "die allermeisten zum Thema COVID", dazu zahlreiche Bundesgesetze und "unzählige" Erlässe, auch wurden 686 schriftliche Anfragen beantwortet. Die Bürgerservicestelle habe mehr als 132.000 Anfragen beantwortet, davon rund 49.000 Telefongespräche.
Kommentar: Händewaschen, Abstandhalten, Social Distancing, Masken tragen – wieviel bleibt davon übrig? Ist das Leben ohne Grippe, ohne Verkühlung und letztendlich ohne Corona lebenswerter und gesünder hierzulande? Und wie steht es um den Gesundheitszustand der Volkswirtschaft? Wollen wir noch einen Lockdown und weiterhin Masken tragen, um die Impfgegner zu schützen? Schwere Zeiten für eine Corona-Regierung, die in den kommenden Monaten schwerwiegende Argumente braucht, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.
(APA/red)
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