Die lange erwartete Novelle zum Universitätsgesetz (UG-Novelle) schreibt erstmals eine Mindeststudienleistung für Studienanfänger vor: Wer ab dem Wintersemester 2021/22 ein Bachelor- oder Diplomstudium beginnt, muss in den ersten beiden Jahren mindestens 24 ECTS-Punkte (das Europäische System zur Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen) in diesem Studium schaffen. Ansonsten erlischt die Zulassung an dieser Hochschule für zehn Jahre - an anderen Einrichtungen kann das Fach dann aber weiter belegt werden.
"Universitäten sollen sich um ihre Studierenden kümmern und ihnen einen guten Einstieg in ihr Studium ermöglichen", so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei seiner Pressekonferenz mit Titel "Eckpunkte der UG-Novelle" am Dienstag, 1. Dezember 2020. "Studierende sollen aber auch klar deklarieren, dass sie ein Fach ernsthaft studieren." Im Gespräch seien auch viel strengere Regeln gewesen. "Andere Stakeholder wollten deutlich mehr." Universitäten müssten wissen, für wie viele Studierende sie eine bestimmte Infrastruktur vorhalten müssen. "Keiner von uns will Studierende sekkieren."
Umgekehrt gebe es auch Erleichterungen für Studierende, so die Grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger. So kommt etwa eine Beweislastumkehr bei der Anrechnung von ECTS-Punkten. Die Hochschulen müssen nun nachweisen, dass an anderen Einrichtungen erbrachte Leistungen nicht anerkannt werden können. Bis zu einem Ausmaß von 90 ECTS können außerdem wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeiten/Praktika, berufliche Qualifikationen oder Vorqualifikationen einer berufsbildenden höheren Schule (z.B. HTL oder HAK) angerechnet werden.
Darüber hinaus wolle man mit der UG-Novelle eine "ECTS-Gerechtigkeit" schaffen. Derzeit würden vielfach aufwendige Lehrveranstaltungen nur mit wenigen ECTS-Punkten bewertet, um alles in ein Studium "hineinpacken" zu können, so Blimlinger.
Auch für Studierende in einer fortgeschrittenen Studienphase gibt es Neuerungen in der UG-Novelle: Nach Absolvierung von 100 ECTS können Unis mit ihnen "Learning Agreements" schließen. Diese umfassen konkrete Unterstützungen im Austausch gegen Studienleistungen - beispielsweise die bevorzugte Aufnahme in Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl, ein Anspruch auf die Absolvierung bestimmter Prüfungen oder auch die Rückerstattung von Studiengebühren.
Für Beurlaubungen von Studierenden ist weiter ein Grund nötig - also etwa Krankheit oder eine Pflegeverpflichtung. Allerdings kann diese künftig auch unter dem Semester erfolgen und nicht nur zu Beginn.
Änderungen gibt es auch im Organisationsrecht: Die Rektorate erhalten eine Art Richtlinienkompetenz für die Ausgestaltung von Studienplänen. Damit wird in die bisherige Kompetenz der Senate eingegriffen - allerdings sollen sich die Richtlinien auf formale Änderungen beschränken wie etwa das Vorsehen eines bestimmten Umfangs von Wahlmöglichkeiten bei Lehrveranstaltungen oder die Verpflichtung zu einem Mobilitätsfenster. "Die curriculare Gestaltungsautonomie der Senate bleibt unangetastet", meinte Faßmann. "Weder Ministerium noch Rektorate bestimmen die Inhalte der Studien, die inhaltliche Kompetenz bleibt bei den Senaten."
Kleine Änderungen gibt es auch bei der Rektorenbestellung: Die bisherige Findungskommission aus Senats- und Unirats-Vorsitzendem wird auf fünf Personen erweitert (je zwei von Senat und Unirat plus ein gemeinsam bestelltes Mitglied). Eine größere Neuregelung betrifft dagegen die erste Wiederbestellung eines Rektors: Bisher war diese mit Zwei-Drittel-Mehrheit von Senat und Unirat möglich - künftig reicht die Zwei-Drittel-Mehrheit im Unirat. Damit sollen dem Vernehmen nach "Reform-Rektoren", die sich in ihrer Amtszeit mit dem Senat "anlegen", geschützt werden. Ab der zweiten Wiederbestellung bleibt es bei der doppelten Zwei-Drittel-Mehrheit.
Apropos Rektor: Für diese Position gibt es künftig eine Altersgrenze von 70 Jahren - Amtszeiten enden mit Vollendung dieses Lebensjahrs. Für die Wahlvorschläge der je zur Hälfte von Bundesregierung und Senaten bestellten Uniräte ist künftig eine Begründungspflicht vorgesehen.
Weitere Änderungen in der UG-Novelle: Ghostwriter können nun mit bis zu 25.000 Euro bestraft werden - bisher hatten nur Studierenden, die sich Arbeiten von anderen verfassen ließen, mit Konsequenzen zu rechnen. Außerdem wird eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für Plagiate eingeführt - keine Verjährung gebe es im Rechtssystem ansonsten nur für Mord, so Blimlinger.
Neu geregelt werden auch die Kettenarbeitsverträge an Unis, mit denen befristete Arbeitsverhältnisse aneinandergereiht werden können. Künftig soll es dafür ein Limit von höchstens acht Jahren für die ganze Zeit an einer Uni geben. Ein kurzfristiger Wechsel mit anschließender Rückkehr an die Uni, um so der Entfristung zu entgehen, soll nicht mehr möglich sein, so Blimlinger. Allerdings werde es Ausnahmen für bestimmte Drittmittelprojekte geben.
Schließlich werden offiziell geschlechtsspezifische Titel möglich: Auch auf Urkunden kann damit eine" Dr.a", "Mag.a" oder ein "Dipl.Ing.x" (hochgestellt) für das dritte Geschlecht geführt werden.
Die geplante Mindeststudienleistung in der UG-Novelle sorgte unter anderem bei Studierenden für wenig Begeisterung. Für die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) bringt dieselbe Regelung eine "grobe Verschlechterung" und eine massive Erhöhung des Leistungsdrucks. Der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) wirft der Regierung vor, dass sie Studierende wie ungezogene Kinder behandle, die man bestrafen müsse. Die HochschülerInnenschaft der Uni Wien sieht Studenten dadurch "auf ihr humanes Wissenskapital reduziert".
Für die Studentenfraktion Junos hilft die Regelung höchstens dabei, Karteileichen auszusortieren; gleichzeitig geht ihr die Exmatrikulation als Konsequenz zu weit. Für mehr Verbindlichkeit im Studium brauche es nachgelagerte Studiengebühren. Die Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), Sabine Hanger von der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft (AG), betonte indes, dass die ÖH immerhin eine Verringerung der zum Weiterstudium notwendigen Mindestpunkteanzahl erreicht habe.
Skeptisch gesehen wird auch, dass die Senate bei einer ersten Wiederbestellung des Rektors keine Mitsprache mehr haben und Rektorate künftig bei den Studienplänen mitreden können sollen. Die Studentenfraktion Gras sieht darin eine "Entmachtung" der Senate. Für die ÖH Uni Wien werden damit Uni-Angehörige von Entscheidungen ausgeschlossen, gleichzeitig werde der politischen Einflussnahme Tür und Tor geöffnet. Für die Junos wird die demokratische Mitbestimmung der Studenten "mit Füßen getreten". Die Gruppe "Bildung brennt" kritisiert darüber hinaus, dass die Regierung grundlegende Änderungen des UG inmitten einer globalen Pandemie "durchpeitschen" wolle.
Für SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl werden mit der UG-Novelle die falschen Maßnahmen zum falschen Zeitpunkt gesetzt. Durch Corona seien Studenten ohnehin schon unter Druck, dieser werde durch die geplante Reform extrem erhöht, dazu komme eine Entmachtung der demokratisch gewählten Senate. FPÖ-Wissenschaftssprecher Martin Graf ortet ein "Bürokratie-Monster, das nichts bringt, aber im Endeffekt dem Steuerzahler viel kostet". Die Universitätengewerkschaft in der GÖD lehnt wiederum die Neufassung der Kettenvertragsregelung an Universitäten ab.
Grundsätzlich positive Reaktionen gab es zu den geplanten Learning Agreements, den Plänen für bessere Vergleichbarkeit der ECTS-Punkte, eine bessere Planbarkeit von Prüfungsterminen, leichtere Anerkennung von Leistungen zwischen verschiedenen Studien und Unis und die verbesserte Anerkennung von schulischen und beruflichen Qualifikationen.
(APA/red)
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