Ulrike Lunacek gibt Rücktritt aus Regierung bekannt

Ulrike Lunacek (Grüne) hat am Freitag ihren Rücktritt bekannt gegeben. In einer für 10.00 Uhr anberaumten Erklärung hatte sie persönliche Gründe ins Treffen gebracht. Im Veranstaltungssaal der Sektion für Kunst und Kultur am Concordiaplatz nannte Kulturstaatssekretärin Lunacek auch die Gründe für ihr Ausscheiden aus der Regierung von ÖVP und Grünen. Sie habe im Laufe der Woche gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich trotz ihrer Bemühungen "nicht geringer wurde" und sie "keine positive Wirkung mehr erzielen konnte", sagte sie am Freitagvormittag in einer persönlichen Erklärung.

Ulrike Lunacek zurückgetreten

"Ich mache Platz für jemanden anderen", sagte Lunacek. Wer das sein wird, könnte bereits zu Mittag von Kulturminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekanntgegeben werden. Es wird wieder eine Frau. Lunacek erinnerte bei ihrem Pressestatement ohne Parteifreund Kogler eingangs an die vielen Pläne, die vor Corona im Regierungsprogramm festgelegt waren, und las jene Überschriften vom Blatt, die schon bisher nicht reichten, um das Amt erfolgreich auszuüben. Die Corona-Krise machte all dem einen Strich unter die Rechnung:  "In der Krisensituation ist mir das, wofür ich mich mit aller Kraft einsetzen wollte, nicht im nötigen Ausmaß gelungen", gab Lunacek zu.

Sie habe im Laufe der Woche gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich trotz ihrer Bemühungen "nicht geringer wurde" und sie "keine positive Wirkung mehr erzielen konnte", sagte sie in einer persönlichen Erklärung. "Ich mache Platz für jemanden anderen." Wann und mit wem das Kulturstaatssekretariat nachbesetzt wird, ist noch unklar. Klar ist hingegen, dass wieder eine Frau zum Zug kommen wird und das nicht nur weil die scheidende Amtsinhaberin Ulrike Lunacek von einer Staatssekretärin als Nachfolgerin gesprochen hat. Denn bei den Grünen ist zumindest Geschlechter-Parität vorgeschrieben.

Ulrike Lunacek gab Rücktritt als Kulturstaatssekretärin bekannt

Ulrike Lunacek (Grüne) gab ihren Rücktritt vom Amt der Kunst- und Kulturstaatssekretärin bekannt | © APA/Hans Klaus Techt

Lunacek Rücktritt hatte sich abgezeichnet

Im Umgang mit den für die Kulturbranche verheerenden Maßnahmen gegen die Coronakrise war sie schwer in Kritik geraten. Immer lauter waren die Vorwürfe von Kulturmanagern und Künstlern geworden, sie habe zu wenig Verständnis für die spezifischen Probleme der Branche und könne deren Anliegen innerhalb der Regierung zu wenig vertreten. Zuletzt sagte sie kurzfristig Interviewtermine ab. Statt der erhofften nächsten Lockerungen für den Kunst- und Kulturbetrieb, auf die vor allem die Salzburger und die Bregenzer Festspiele dringend warten, gab es zunächst die Rücktrittserklärung von Ulrike Lunacek.

Kultur bleibt bei den Grünen

Die Gerüchte um einen möglichen Rücktritt Lunaceks hatten seit Tagen Fahrt aufgenommen. Darauf in der "ZiB2" am Donnerstag angesprochen, meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nur: "Entscheidungen wie diese sind höchstpersönliche Entscheidungen". "Die Staatssekretärin hatte keine einfache Zeit in den letzten Wochen", meinte er noch unter Hinweis auf die angespannte Lage der Kultur. Er habe zu Lunacek "ein gutes persönliches Verhältnis", erklärte Kurz. Auf die Frage, ob im Fall ihres Rücktritts die Kultur-Zuständigkeit wieder zur ÖVP wechseln könnte, versicherte er: "Die Ressortverteilungen sind klar'" und "sie werden sich auch nicht ändern".

Unterstützung für Kunst und Kultur

Was die angespannte Situation im Kulturbereich betrifft, bekräftigte Kurz, er hoffe, dass "wir in den nächsten Tagen ein Konzept vorlegen können, wie wir auch die Kulturnation Österreich wieder auferstehen lassen können". Darum "bemühen wir uns natürlich unabhängig von Personen". Auf die Frage nach - von Kulturschaffenden ebenfalls vehement eingeforderter - stärkerer finanzieller Unterstützung ging er nicht näher ein. "Natürlich" brauche es diese, aber ebenso sehr brauche es Wege, um wieder Auftritte zu ermöglichen.

Dass die Wahl von Grünen-Chef Werner Kogler beim Kunst- und Kulturstaatssekretariat auf Lunacek gefallen war, kam überraschend. Zwar wurden ihr allerlei Kompetenzen zugeordnet, Kultur und Kunst waren jedoch nicht darunter. Entsprechend naserümpfend reagierte von Anfang die - freundlich ausgedrückt - selbstbewusste Szene. Dazu kam noch Gegenwind aus den eigenen Reihen, war doch die vormalige Rektorin der Akademie der Bildenden Künste und heutige Nationalratsabgeordnete Eva Blimlinger auch öffentlich beleidigt, nicht auserkoren worden zu sein.

Lunacek auf Wunsch von Kogler

Freilich, allzu geschickt stellte sich die bald 63-jährige Niederösterreicherin in ihrer kurzen Amtszeit nicht an. Nie hatte man den Eindruck, dass sich die eigentlich auf Europa- und generell internationale Politik spezialisierte Dolmetscherin in ihrer neuen Aufgabe allzu wohl fühlte. Das wäre vermutlich nicht so tragisch gewesen, hätte nicht die Coronakrise eingeschlagen und hätte der von ihr zu betreuende Bereich nicht zu den am stärksten betroffenen Branchen gehört. Ein äußerst unglücklicher Auftritt an der Seite von Vizekanzler Werner Kogler zu möglichen Lockerungen brachte die Kulturschaffenden endgültig gegen sie auf. Dass sie bis zuletzt nicht in der Lage war, Auswege aus der Krise zu definieren, ließ einen medialen Shitstorm auf sie niederregnen - besonders bitter für eine Grüne, konnte sich die Partei doch stets Sympathiekundgebungen aus der Szene sicher sein konnten.

Lunacek gibt strenge Vorgaben für Wiedereröffnung der Museen bekannt

Lunacek blieb in ihrer Amtszeit unscheinbar | © APA/Fohringer

Irgendwie war es Lunacek am Ende wohl zu anstrengend, die Kritik weg zu lächeln. auch wenn das zweite Scheitern in kurzer Zeit sicher durch ein ordentliches Gehalt versüßt wurde. Dabei hatte Lunacek durchaus auch Erfolg beim Wähler erfahren, so durfte sie sich als Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl 2014 über 14,5 Prozent für die Grünen freuen. Dass sie es politisch auch hart kam, bewies sie, als sie einige Jahre davor Veteran Johannes Voggenhuber an der Spitze der Europadelegation ablösen konnte.

Hartgesottene EU-Politikerin

In Brüssel war sie über die Parteigrenzen hinweg als Sachpolitikerin anerkannt. Wichtig war ihr, die seit vielen Jahren in einer Beziehung mit einer Peruanerin lebt, stets die rechtliche Gleichstellung Homosexueller. In der Europapolitik wurde der Kosovo zu ihrer Schwerpunkt-Region. Dort war sie Berichterstatterin des Europaparlaments, dem sie als Vizepräsidentin auch mit vorstand. Lunacek gilt als Pragmatikerin innerhalb der Grünen und passte damit auch gar nicht so schlecht in eine türkis-grüne Konstellation. Positionen der Volkspartei waren ihr von Kindheit an nicht fremd, stammt sie doch aus einem konservativen Elternhaus. Ihr Vater war unter anderem Generaldirektor bei der Raiffeisen Ware, die Familie lebte in Niederösterreich und Wien durchaus bürgerlich.

Queere Lebefrau

Die junge Lunacek zog es von dort in die Welt. Nach einem Austauschjahr in den USA studierte sie in Innsbruck Dolmetsch für Englisch und Spanisch. Sie war etwa beim Aufbau des Innsbrucker Frauenhauses involviert, Redakteurin des Magazins "Südwind" und Obfrau des Vereines "Frauensolidarität". Weitere Stationen der passionierten Schwimmerin, die bei den Eurogames für homosexuelle Sportler zahlreiche Medaillen einsammelte: Der Sportverein für Lesben und Freundinnen "Marantana", das Österreichische Lesben- und Schwulenforum sowie das Wiener "TheaterBrett", wo sie als Pantomime auftrat. Ob es sie in der Zeit nach der Politik trotz dieser einschlägigen Erfahrung in die Kultur zieht, darf nach den vergangenen Wochen eher in Zweifel gezogen werden. Das Video von Lukas Resetarits gegen Lunacek dürfte den Ausschlag gegeben haben, sie aus der Kulturpolitik abzuziehen.

(APA/red)