Unberechenbares Budget für berechenbare Corona-Politik

Die Nationalratssitzung verlief Dienstagvormittag nach gewohntem Muster ab. Maskenschutz wohin man schaute, solange die Live-Übertragung auf ORF zwei im Gange war. Sobald nur mehr ORF III die Debatten ausstrahlte, sah man nur mehr wenige Abgeordnete mit Schutzmaske. Dass die Oppositionsspitzen, allen voran SPÖ und Neos weiterhin mitspielen, zeugt vom Gesamteindruck der beiden Parteien. Sie hätten sich als Koalitionspartner keinen Deut anders verhalten, als die Grünen. Vizekanzler Werner Kogler als auch Finanzminister Blümel rechtfertigten bei der 32. Sitzung des Nationalrates ihr Festhalten am alten Budgetentwurf mit "Sinnlosigkeit" zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Niemand könne berechnen, wieviel Milliarden von der Regierung wohin verschoben werden.

32. Sitzung des Nationalrates - Budgetdebatte bei der Nationalratssitzung am 26. Mai 2020

32. Sitzung des Nationalrates - Budgetdebatte, Nationalratssitzung | © Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Opposition kritisiert "falsches Budget"

Die Opposition hat zum Auftakt der Budgetberatungen im Nationalrat erneut scharfe Kritik am vorgelegten Budget geübt. Während die FPÖ von einem "falschen Budget" sprach und die NEOS eine "Respektlosigkeit" gegenüber dem Parlament orteten, forderte die SPÖ hinsichtlich der Corona-Hilfsmaßnahmen "echte Hilfe statt leerer Versprechen". Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wies die Vorwürfe zurück.

Zu Beginn der dreitägigen Budgetberatungen, die am Donnerstag mit dem Budgetbeschluss enden werden, kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, dass die durch die Corona-Krise zu erwartenden Kosten im Zahlenwerk überhaupt keinen Niederschlag gefunden hätten. Denn das, was das Parlament beschließen soll, "bildet diese Jahrhundertkrise nicht im geringsten ab". In Deutschland sei es sehr wohl gelungen, die Krise auch in Zahlen zu gießen.

Pamela Rendi-Wagner bei Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Pamela Rendi-Wagner spricht vor dem Nationalrat | © Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Der SPÖ ist die opulente Budgetdebatte nicht genug. Sie bringt auch noch eine "Dringliche Anfrage" ein, in der sich die Sozialdemokraten ein weiteres Mal auf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einschießen wollen. Klubvize Jörg Leichtfried warf dem Regierungschef etwa vor, die Unternehmen in der Coronakrise in Verzweiflung zu bringen.

FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs warf den türkisen und grünen Abgeordneten vor, dass diese "bedauerlicherweise wissentlich ein falsches Budget beschließen werden". Im Budget sei ein Defizit von nur 600 Mio. Euro vorgesehen, das Finanzministerium habe aber bereits im April ein zu erwartendes Minus von 30,5 Mrd. Euro nach Brüssel gemeldet. "Und trotzdem genehmigen 97 schwarz-grüne Abgeordnete ein falsche Defizit von 600 Millionen Euro."

Verständnis bei Neos

Es sei "jedes Verständnis da, dass nicht jede Zahl auf Punk und Beistrich halten wird", betonte Beate Meinl-Reisinger. "Aber nicht einmal zu versuchen, ein seriöses Budget mit Nachtrag zu liefern, das ist eine Respektlosigkeit gegenüber der Volksvertretung." Hinsichtlich der Corona-Hilfen sprach die Partei-Chefin von Bürokratismus, für viele Unternehmen bedeute das Vorgehen eine "Liquiditätsfalle".

Beate Meinl-Reisinger bei Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Beate Meinl-Reisinger blieb sanft gegenüber Regierung | © Parlamentsdirektion / Thomas Topf

"Wir können momentan nur von einer Momentaufnahmen sprechen, alles andere wäre unseriös", verteidigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger das Budget-Vorhaben. Ein Kassasturz mache erst im Herbst Sinn, das würden auch Experten bestätigen. Dennoch sei das Vorhaben richtig, denn das Budget sehe zusätzliche Mittel in vielen Bereichen vor, die notwendig seien. "Auch wenn uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist das Regierungsprogramm, auf das sich die türkis-grüne Regierung geeinigt hat, alles andere als hinfällig", ergänzte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Und dieses Programm sei im vorliegenden Budget abgebildet.

Finanzminister Blümel ohne Budget

Finanzminister Blümel selbst verwies auf die Notwendigkeit, das Budget so zu beschließen, wie von ihm vorgelegt: "Ich bin der Meinung, dass es sinnvoll ist, dieses Budget in dieser Form zu beschließen, weil es viele gute und richtige Maßnahmen enthält." U.a. verwies er auf geplante Mittelerhöhungen in den Bereichen Justiz, Umwelt- und Klimaschutz, Polizei oder Wissenschaft und Forschung. "Das kann sich sehen lassen."

Gernot Blümel bei Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Gernot Blümel einer Sitzung des Nationalrates | © APA/Schlager

Dass die nach Brüssel gemeldete Zahlen im Widerspruch zum Budget stünden, wischte der Minister vom Tisch: Diese Zahlen hätten "nichts mit dem Budget zu tun", sondern stellten vielmehr eine Schätzung dar. Und die Corona-Hilfen würden sehr wohl wirken: "Diese Hilfe kommt an", sagte er und verwies etwa auf bereits bewilligte 6 Mrd. Euro an Steuerstundungen oder die schon bewilligten Kurzarbeits-Anträge: hier seien 40.000 bereits abgewickelt worden und es sei auch schon Geld geflossen.

Steuersenkung für Gastronomie

Beschlossen wurden am Dienstag weitere Corona-Hilfen, von der die Gastronomie profitieren soll. Ab 1. Juli wird die Schaumweinsteuer dauerhaft gestrichen, die Mehrwertsteuer auf nicht-alkoholische Getränke wird befristet halbiert. Geschäftsessen können künftig zu einem höheren Grad abgesetzt werden und Essensgutscheine werden weiter privilegiert.

Der Wegfall der Schaumweinsteuer gilt dauerhaft, bisher musste hier pro Liter ein Euro abgeführt werden. Bis Jahresende befristet ist hingegen die Senkung des Mehrwertsteuersatzes bei alkoholfreien Getränken; der Steuersatz liegt hier künftig bei zehn Prozent. Bisher galt dieser Wert nur auf tierische Milch und Leitungswasser. Betroffen davon ist die Abgabe von "offenen nichtalkoholischen Getränken". Damit sind nicht nur direkt ausgeschenkte Getränke gemeint sondern auch solche, die typischerweise vom Gastronomen oder dem Kunden im Zuge des Erwerbs unmittelbar geöffnet werden. Nicht umfasst sind etwa Getränke in Automaten oder in Supermärkten, sehr wohl aber in Kantinen oder an Würstelständen.

Wirte müssen Rechnung ausstellen

Bei Essensbons für Mahlzeiten, die Arbeitgeber ihren Dienstnehmern zur Verfügung stellen, gibt es ebenfalls steuerliche Erleichterungen. Bisher waren diese bis zu einem Wert von 4,40 Euro pro Arbeitstag steuerfrei, wenn die Gutscheine nur am Arbeitsplatz oder in einer Gaststätte konsumiert werden. Dieser Betrag wird auf acht Euro angehoben. Bei Bezahlung von Lebensmitteln, die nicht sofort konsumiert werden, geht die Steuerbefreiung aktuell nur bis zu einem Wert von 1,10 Euro, dieser wird auf zwei Euro erhöht. Hinsichtlich der Geschäftsessen wird auf eine befristete Regelung gesetzt: Ab dem 1. Juli bis zum Jahresende werden 75 statt 50 Prozent absetzbar sein. Beschlossen wurde im Rahmen der Corona-Hilfen auch eine Erlaubnis für Bilanzbuchhalter, für Unternehmen Liquiditätshilfen aus den Corona-Hilfspaketen zu beantragen.

Steuerreform-Fehler ausgebessert

Abgesegnet mit Koalitionsmehrheit wurde auch das Budgetbegleitgesetz. Damit wird u.a. ein Fehler der letzten Steuerreform korrigiert. Mit dieser Reform wurden auch Ausgleichszulagen steuerpflichtig gemacht, diese Zahlungen müssen seitdem aber auch bei der Prüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe berücksichtigt werden. Für Behinderte kann das den Wegfall der erhöhten Beihilfe bedeuten. Nun wird festgehalten, dass Ausgleichs- und Ergänzungszulagen bei der Berechnung der für das Kind geltenden Einkommensgrenze von 10.000 Euro ausgeklammert bleiben.

(APA/red)