Unrealistisches Budget durch falsche Zahlen bestätigt
Wenn sogar Pamela Rendi-Wagner mitten im Parlament den Mund-Nasen-Schutz unters Kinn zieht, ist bei allem Verständnis für die Gesundheitspolitik der Regierung trotzdem keine Mund zu Mund Beatmung von ihr zu befürchten. Auch wenn der Lapsus des einen als Geistesblitz des anderen gedeutet werden kann. Eine Nacht darüber schlafen, in den Spiegel schauen und dann entscheiden, ob sie nicht ganz runter sollte die Maske. Dann hieße es auch für die Koalition Aufwachen, denn am Tagesplan des 29. Mai 2020 von Türkis-Grün steht folgendes Werk: Das unrealistische Budget des Finanzministers durch falsche Zahlen neuerlich bestätigen und im Nationalrat beschließen.
Ein Schlampigkeitsfehler der Koalition lässt den Nationalrat noch eine Nacht über das Budget schlafen. Denn nachdem ÖVP und Grüne in ihrem Gesetzesantrag die Wortfolge “in Millionen Euro” vergessen hatten, wären statt Milliardenbeträgen nur einige zehntausend Euro als Budgetzahlen beschlossen worden. Um das Ganze zu korrigieren, wird Freitagfrüh ein neuer Anlauf genommen.
Eigentlich war schon alles für das ohnehin umstrittene Budget, das aufgrund der Coronakrise unrealistische Zahlen enthält, angerichtet gewesen. Drei Tage lang debattierten die Abgeordneten mehr oder weniger hitzig über die einzelnen Kapitel. Auch die sogenannte Zweite Lesung, bei der unter anderem Abänderungsanträge abgestimmt wurden, war bereits absolviert, als SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer seinen großen Auftritt hatte.
SPÖ jubelt über Formfehler im Budget
Er machte die Koalition süffisant auf den Zahlenfehler aufmerksam und bot an, das ganze noch auszubessern, das allerdings erst am Freitag. Die Folge war eine für die Hofburg eher ungewöhnliche Fußballplatz-Stimmung, in der sich die Opposition am unangenehmen Lapsus der Koalition ergötzte und vor allem die SPÖ in begeistertes Gejohle verfiel.
Eine längere Präsidialkonferenz später ergaben sich ÖVP und Grüne in ihr Schicksal, auch wenn laut ÖVP-Klubchef August Wöginger dieser “Formfehler” auch noch am Donnerstagabend korrigierbar gewesen wäre. Die Sitzung wurde abgebrochen, Freitagfrüh wird über die “Behebung von Widersprüchen” abgestimmt. Dann kann das “Bundesfinanzgesetz” abgesegnet werden.
Kurz danach wird Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auch wissen, dass er im Amt bleiben darf. Denn der am Donnerstag von der FPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde zwar von Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger und SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried begeistert unterstützt, doch ist stark davon auszugehen, dass ÖVP und Grüne die ebenfalls auf Freitag verlegte Abstimmung über das Begehr abschmettern werden.
Entgegenkommen des Finanzministers
Der Finanzminister war schon Mittwoch spät Abend der Opposition insofern entgegengekommen, als er den ursprünglichen Entwurf, der nur die vor der Coronakrise geplanten Zahlen enthalten hatte, ein klein wenig ergänzt hatte. Freilich, recht präzise wurde Blümel nicht. Konkret wurde bloß die bestehende Überschreitungsermächtigung in Höhe von 28 Milliarden Euro auf vier Budgetrubriken aufgeteilt.
Die Opposition schäumte, die Kritik am Vorgehen wurde durchaus derb. Besonders hervor tat sich Neos-Klubvize Josef Schellhorn, der ÖVP und Grüne ziemlich unverblümt “blöd” nannte, ohne dafür zur Ordnung gerufen zu werden. “Der Herr Blümel kann nicht Budget”, stellte SPÖ-Budgetsprecher Krainer fest und FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hielt eine fast viertelstündige Brandrede gegen die Regierung insgesamt und gegen den Finanzminister im Speziellen, dem er einen “budgetpolitischen Bauchfleck” attestierte.
Grüne Stimmen für den Tag danach
Die Debatte der am nun doch vorletzten Budgettag aufgerufenen Kapitel war dagegen mehr oder weniger sachlich abgelaufen. Wenn schon jemand für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgte, waren es die Grünen, die für einmal koalitionär Zähnchen zeigten. So sprach sich ihr Mandatar Markus Koza für ein höheres Arbeitslosengeld aus, wie es vor allem die SPÖ seit Wochen fordert und war der Abgeordnete Ralph Schallmeiner dafür, das Gesundheitssystem nicht nur über Beiträge sondern auch über Kapitalerträge zu finanzieren.
Mit den Abstimmungen über das Budget Freitagfrüh – die korrekten Zahlen sind übrigens rund 102 Milliarden an Auszahlungen und etwa 82 Milliarden an Einzahlungen – ist die Parlamentswoche übrigens noch nicht erledigt. Abgestimmt werden muss am Freitag auch noch über einen U-Ausschuss-Antrag der FPÖ zur Coronakrise, dazu wird die neue Kunststaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) dem Nationalrat vorgestellt und werden etliche Gesetze – wie das Comeback der Sozialversicherung bei der Beitragsprüfung – und noch viel mehr unverbindliche Entschließungsanträge von Koalition und Opposition debattiert und abgestimmt.
(APA/red)