Unverhülltes Gedenken an die Opfer des KZ Mauthausen
Seit 4. Mai ist das ehemalige "Schutzhaftlager" an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wieder zugänglich. Seit Ausbruch der Corona-Krise wurde Besuchern ein Riegel vorgeschoben. Die Gebäudemüssen einstweilen weiterhin geschlossen bleiben. Die vom Gesundheitsministerium empfohlenen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus, und somit auch das Tragen einer Mundschutzmaske in der Öffentlichkeit, gelten auch für einen Besuch an der Gedenkstätte.
Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Nebenlager hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag, 5. Mai auf dem Appellplatz des ehemaligen Gefangenenlagers zum Gedenken an jene Opfer, die unrechtmäßig eingesperrt waren, ermordet wurden oder wegen der Strapazen nicht überlebten, eine Kranzniederlegung besucht. "Fassungslos - auch heute noch - und voll Scham verneigen wir uns vor den Opfern von damals", hatte der Bundespräsident tags zuvor in einer Videobotschaft erklärt. Anders als bei der Kranzniederlegung am Heldentor, anlässlich des 75. Jahrestag der Errichtung der Zweiten Republik, ließ sich Alexander Van der Bellen im Konzentrationslager nicht mit Schutzmaske fotografieren.
75. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erinnerte an die historische Verantwortung Österreichs "für die dunkelsten Seiten der Geschichte" und fand passende Worte. "Mauthausen steht wie kein zweiter Ort in unserem Land für die Schrecken des NS-Terrorregimes. Umso wichtiger ist es, sich auch heute der Verantwortung der Geschichte zu stellen", sagte Kurz am Dienstag. Diese "dunkelsten Seiten" dürften niemals in Vergessenheit geraten. "Wir erinnern uns daran, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen und Täter waren", bekräftigte der Kanzler. "Unsere Verantwortung gilt den 100.000 Menschen, großteils jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Mauthausen zum Opfer fielen. Menschen mit Behinderung, Roma und Sinti, Homosexuelle, Widerstandskämpfer und Menschen mit anderen Meinungen verloren an diesem Schicksalsort für Österreich ihr Leben. Ihnen allen sind wir in der Pflicht", sagte Kurz abschließend.
Statements Österreichischer Politiker
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner mahnte kollektive Wachsamkeit ein. "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es die Verantwortung von uns allen ist, dass sich die schlimmsten Gräueltaten in unserer Geschichte nicht wiederholen. Menschlichkeit ist unsere Pflicht", sagte Rendi-Wagner.
"Vergessen wir nicht, dass der Nationalsozialismus in vielen kleinen Schritten kam - am Anfang standen Ausgrenzung und Diffamierung, Entmenschlichung war die Folge", erklärte Rendi-Wagner. Das Gedenken an die Mauthausen-Befreiung zeige, dass eine offene und solidarische Gesellschaft nichts Selbstverständliches ist. "Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue aktiv einzufordern, zu verteidigen und zu stärken, ist unsere Aufgabe."
FPÖ-Parteichef Norbert Hofer bezeichnete die Mauthausen-Befreiung durch Soldaten der Alliierten als Warnung. "Vor 75 Jahren wurde ein Schreckensregime in die Knie gezwungen", betonte der Dritte Präsident des Nationalrates. "Wir alle müssen daran arbeiten, dass sich dieses dunkle Kapitel der Geschichte nicht mehr wiederholen kann."
Wer heutzutage in der Politik tätig ist, trage "die große Verantwortung und Verpflichtung, immer darauf zu achten, dass Respekt im Mittelpunkt der politischen Arbeit stehen". Die Politik müsse jene Rahmenbedingungen schaffen, die Extremismus und Verführungen keinen Nährboden bieten.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger stellte neben das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes einen Vergleich mit der Gegenwart. "Mauthausen konnte passieren, weil sich Österreicherinnen und Österreicher gegen ihre eigenen Nachbarinnen und Nachbarn sowie Freundinnen und Freunde gewandt haben", erklärte sie. Es gelte, "jeden Tag überzeugt gegen jede Art von Ausgrenzung, Einschränkung von Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten einzutreten - ganz besonders in schwierigen Zeiten, in denen es leicht ist, in alte Muster zu verfallen und Sündenböcke zu suchen".
Gedenkfeier fällt aus
Die traditionelle Mauthausen-Befreiungsfeier am 10. Mai findet heuer nicht wie immer am Ort des Verbrechens statt, wegen der Corona-Pandemie, dafür online auf der Website des Mauthausen Komitees Österreich. Von 1938 bis zur endgültigen Befreiung des KZ am 7. Mai 1945 durch die 11. Panzerdivision der Dritten US-Armee kamen nach Mauthausen 200.000 Gefangenen, die Hälfte von ihnen überlebte die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht.
(APA/red)