Chronik

Vielversprechende Angelobung des Herrn Van der Bellen

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© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Nach der Wiederwahl von Alexander Van der Bellen als Bundespräsident der Republik Österreich im Oktober 2022 stand der formelle Akt seiner Angelobung vor der Bundesversammlung im frisch renovierten Parlament auf der Tagesordnung. Vertreter und Vertreterinnen von National- und Bundesrat kamen zusammen, um sein Gelöbnis auf die Verfassung entgegenzunehmen. Den Vorsitz führte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Nach dessen Gratulation und einer Ansprache des Bundesratspräsidenten Günter Kovacs hielt der Bundespräsident seine Antrittsrede im Hohen Haus. Sie war von großem Selbstbewusstsein geprägt. Indem er seine weitreichenden Machtbefugnisse „nach bestem Wissen und Gewissen“ unterstrich, zeichnete er Grenzen für die Demokratie.

Vertreter und Vertreterinnen von National- und Bundesrat bei der Angelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. | © Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Festakt im Parlament

Der ORF übertrug den Festakt live im Fernsehen und auf seinen Streaming Portalen. Die Bundesversammlung wurde von jungen MusikerInnen mit Stücken von Erich Wolfgang Korngold und Wolfgang Amadeus Mozart musikalisch umrahmt.

Die Rede des Bundespräsidenten

Alexander Van der Bellen als Garant für Stabilität, Sicherheit und Kontinuität für die Republik anzuerkennen, fällt einigen Vertretern im Hohen Haus angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen schwer. Die immerwährende Neutralität hat in Österreich eine neue Bedeutung erlangt. Nicht zuletzt durch den Krieg in Europa und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Seit Covid-19 auf die Bildfläche trat, haben die Mitglieder der Bundesregierung und der Bundespräsident viele Einschränkungen in Kraft gesetzt, die bis zum heutigen Tag Wirkung zeigen. Politischen Kräfte im Parlament, die sich einen anderen Kurs wünschen, werden heftig bekämpft. Zwischen jenen Bevölkerungsgruppen, die den Kurs der Regierung befürwortet haben, und solchen, die vom Auseinanderdividieren an den gesellschaftlichen Rand gedrängt wurden, ist eine riesige Kluft entstanden. Brücken zu bauen und Gräben zuzuschütten – davon war in der Rede des Bundespräsidenten anlässlich seiner Angelobung nur wenig zu hören.

Rede von Alexander Van der Bellen anlässlich seiner Angelobung zum Bundespräsident. | © Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Gleich am Beginn seiner Ansprache machte Van der Bellen deutlich, wer die Hosen anhat und wohin die Reise geht: "Sie erwarten eine mehr oder weniger amüsante, traditionelle Rede von mir, nicht zu düster, angereichert mit Dingen, die uns optimistisch für die Zukunft stimmen sollen. (...) So ungefähr stelle ich mir Ihre Erwartungen vor. Nun, wir werden sehen, ob ich Sie enttäuschen werde." Nach der charmanten Einleitung spricht Van der Bellen lange von einer helleren Zukunft für Kinder, die es einmal besser haben sollen, für Ältere, die sich noch an Figl erinnern können, über ein optimistisches Bild unserer Zukunft, das von manchen angezweifelt wird. Keine Angst vor der Zukunft, sondern Zuversicht fordert Van der Bellen im Hohen Haus von den ZuhörerInnen ein.

„Wir kriegen das hin – das sind keine leeren Worte.“

Gefällige Beispiele zur Angelobung

Trotz eines jahrelangen Ausnahmezustands wegen Covid-19 gab es keinen Black Friday. Trotz des Angriffs von Russland auf die Ukraine gibt es volle Gasspeicher. Wer das schafft, dem gelingt alles. Österreich hat das Kunststück vollbracht. Der Maßstab für den Erfolg sind für den Bundespräsidenten ein reales Wirtschaftswachstum von 4,7 Prozent und die niedrigste Arbeitslosenquote seit 15 Jahren. Die Architekten des Erfolgs werden beim Namen genannt:

„Nicht ein Politiker. Nicht eine Partei. Nicht eine Interessenvertretung. Nicht ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin. Nein. Das waren wir alle gemeinsam.“

Van der Bellen bestätigt, was viele in der Bevölkerung befürwortet haben und lautstarke Skeptiker in den Sozialen Medien eine "Verschwörung" nennen. Eine Fraktion im Parlament, die als einzige gegen den Strom schwimmt, soll auch in Zukunft keine Chance bekommen, das Land zu regieren.

Leise Töne der Versöhnung

Der Bundespräsident hat bei seiner Rede nach der Angelobung hin und wieder Humor bewiesen: "Klar, Sie können nicht jeden und jede leiden. Aber doch repräsentiert jede und jeder von uns eine Gruppe von Menschen in unserem wunderschönen Land". Da mussten einige Parlamentsvertreter und ZuschauerInnen auf den Rängen schmunzeln. Dass er auch pampig sein kann, drückt sich kurz darauf in einem subtilen Statement aus: "Wir können auch mit Menschen auskommen, die mit unserer persönlichen Weltsicht sehr wenig zu tun haben. (...) Also, brechen wir unsere alte Gewohnheit und stellen wir uns vor, dass es geht." Er zitiert:

„Das Gute spielt in dieser Welt seinen Part meist piano und pianissimo. Und es gehört zur Lebenskunst, es nicht zu überhören.“

Eine intakte Medienlandschaft

Eine Kulturleistung des Respekts. Andersdenkende auf den Rang bemitleidenswerter Trottel zu stellen, lässt sich mitunter nur schwer überhören. "Es ist bestürzend, dass schlichte Tatsachen oder bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse auch von manchen politischen Playern bisweilen geleugnet und sogar abgestritten werden." Der Bundespräsident hat sich bemüht, seine schärfsten Kritiker nicht direkt anzusprechen. Die Medien spielen eine Schlüsselrolle beim Verbreiten der wahrheitsgetreuen Message. Nur mit ihrer Hilfe kann es gelingen, Fake News zu dechiffrieren.

„Wenn wir hier nicht klar auftreten und die Dinge beim Namen nennen, steht eines Tages unser gesamtes Gesellschafts- und Wertesystem infrage.“

Was der Unparteiische nicht benennen darf, soll die Vierte Macht im Staat klarstellen. "Und deshalb ist es eben von höchster Bedeutung, wie redlich eine Journalistin, ein Journalist recherchiert und berichtet. Dafür müssen aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen im Journalismus passen. Und deshalb sollten wir als Gemeinschaft, als Staat, Medien als wesentliche Säule unserer Demokratie sehen und für eine entsprechende Finanzierung sorgen."

Angelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. | © Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Van der Bellen wörtlich genommen

Der Bundespräsident zeigt Haltung wenn er die Grund- und Freiheitsrechte, die Menschenrechte, die Minderheitenrechte als unantastbar herausstreicht. Er hat vollkommen Recht, den Nationalsozialismus mit seiner mörderischen Ideologie, nie wieder auferstehen zu lassen. Sein Bekenntnis zur Gleichstellung von Mann und Frau, Förderung der Jugend, Respekt vor den Institutionen der liberalen Demokratie gehört unterstützt.

„Nach bestem Wissen und Gewissen.“

Die Lesart von Alexander Van der Bellen hinterlässt dennoch ein ungutes Gefühl. Besonders bei jenen, die sich mit den Schlagworten "Pandemie, Klimakatastrophe, Angriffskrieg" die Welt nicht erklären lassen wollen. Wenn der Bundespräsident andeutet, eine bestimmte politische Partei mit der Regierungsbildung nicht zu beauftragen, falls sie als stärkste aus der kommenden Nationalratswahl hervorgeht, werden viele Bekenntnisse seiner Reden zu hinterfragen sein. Herr Van der Bellen hat das letzte Wort per Verfassung. Das ist auch gut so. Erst wenn aussagekräftige Beweise vorliegen, dass keine historischen Irrtümer in der jüngeren Vergangenheit geschehen sind, wird den Experten und Expertinnen wieder vollends geglaubt. Einer davon ist der Bundespräsident.

(PA/red)

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Redaktion

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