Aterballetto tanzt "Don Juan" im Festspielhaus St. Pölten

In seiner neuesten Kreation beleuchtet der schwedischen Choreograf Johan Inger den großen Mythos "Don Juan" aus der Gegenwart und transportiert den polyamourösen Frauenhelden mit Tanz und Musik auf die Bühne. Die Kollaboration mit dem Fondazione Nazionale della Danza / Aterballetto feierte im Festspielhaus St. Pölten Premiere im deutschsprachigen Raum. Inspirieren ließ man sich von Bertolt Brecht und Molière und dem Originalstück von Tirso de Molina.

Choreograph Johan Inger

"Don Juan" des schwedischen Choreografen Johan Inger im Festspielhaus St. Pölten | © Bengt Wanselius

Aterballetto tanzt "Don Juan"

Don Juan ist im Hier und Jetzt angekommen, um sich erneut einer Prüfung zu unterziehen. Der Mann gilt als Archetypus eines Frauenhelden, dessen Leben vom zahllosen Liebschaften, Intrigen und einer unstillbaren Gier nach dem weiblichen Geschlecht gekennzeichnet ist. In der heutigen Zeit kann man die literarische Figur als dediziertes Feindbild betrachten oder psychologische Erklärungen für so einen Charakter abgeben. Ganze 250 Besucher und Besucherinnen konnten sich bei der Premiere im Festspielhaus St. Pölten als erste Zuschauer außerhalb Italiens ein Bild davon machen, ob die Inszenierung von Johan Inger neue Facetten zeigt. Die Mutterbeziehung in den Fokus zu rücken, war eine davon.

Festspielhaus St. Pölten Premiere

Mit 16 TänzerInnen des renommierten italienischen Aterballetto enthüllt der schwedische Choreograf das emotionale Leben der Charaktere von Doña Elvira über Doña Ana, von Zerlina bis hin zu Masetto. Als Schlüsselfigur lässt Inger Don Juans Mutter in Erscheinung treten, die den jungen Suchenden fortwährend antreibt. Sein Verhalten psychoanalytisch zu erklären und zu untersuchen, worin der Grund für sein gestörtes Verhalten Frauen gegenüber begraben liegt, war ein weiterer Ansatz des Choreografen Johan Inger, sich einer eigenen Version des Don Juan zu nähern.

Saul Daniele Ardillo als Don Juan und Philippe Kratz als Leo und Serena Vinzio als Zerlina

Saul Daniele Ardillo als Don Juan und Philippe Kratz als Leo und Serena Vinzio als Zerlina | © Viola Berlanda

Von eisiger Kälte ummantelt

Die Gestalt des polyamourösen "Don Juan" interpretiert Johan Inger mithilfe von Tanz- und Ausdruckskunst der Mitglieder der italienischen Tanzakademie Aterballetto. So wird aus der Gestalt des Dieners Leporello ein Alter Ego des Protagonisten, und statt des gemordeten Commendatore, dem am Ende Rechenschaft abzulegen wäre, nimmt ihm die Mutter seine letzte Beichte ab. Don Juan fährt nicht zur Hölle, sondern stirbt inmitten von Schneeflocken nackt und von eisiger Kälte ummantelt. Die kraftvolle Choreografie entfaltet sich zur Neukomposition von Marc Álvarez, der sich von Gluck bis Mozart inspirieren ließ.

Saul Daniele Ardillo als Don Juan in der Schlussszene des Stücks "Don Juan"

Saul Daniele Ardillo als Don Juan in der Schlussszene des Stücks "Don Juan" | © Viola Berlanda

Corona Blues als Side Programm

Mit 250 Besuchern war der auf 1.000 Personen angelegte Zuschauerraum im Festspielhaus St. Pölten erschreckend schütter besetzt, was natürlich nicht auf fehlendes Interesse, sondern auf die besonderen Verordnungen in Niederösterreich zurückzuführen ist. Denn unabhängig von den in der aktuellen Covid-19-Maßnahmenverordnung enthaltenen, bundesweitenBestimmungen bzw. Einschränkungen für Veranstaltungen, wonach indoor bis zu 1.000 Personen zugelassen wären, gelten in Niederösterreich seit 5. Oktober in Bezirken und Statutarstädten mit erhöhtem Risiko eigene Regelungen.

Künstlerische Leiterin am Festspielhaus St. Pölten, Brigitte Fürle

Künstlerische Leiterin am Festspielhaus St. Pölten, Brigitte Fürle | © APA/Hochmuth

Künstlerische Wirtschaftlichkeit

Intendantin Brigitte Fürle zeigte sich entsprechend besorgt und sieht für das Festspielhaus, aber auch für ähnlich dimensionierte Veranstaltungsräume wie das Auditorium Grafenegg oder das Stadttheater Baden eine schwerwiegende Benachteiligung gegenüber vergleichbaren Häusern in Wien, etwa den Bundestheatern - und das trotz eines umfangreichen Hygiene- und Sicherheitskonzepts. Wirtschaftlich gesehen sei dieser Zustand auf Dauer untragbar, sagte Fürle zur APA.

(APA/red)