Kultur

Bring me Edelweiss: Eine Lehrstunde im Austro-Pop

© keymedia

Man muss die Musik der 80er-Jahre nicht lieben, um dieses Stück zu mögen: Das Musical Bring Me Edelweiss feierte im Wiener Metropol eine gelungene Premiere. Mit einer spielfreudigen Cast und einer verspielten Storyline, die im Laufe des Abends immer mehr Fahrt aufnahm. Sowohl für Kenner als auch für Neulinge der glanzvollen Austropop Epoche ist die 80er-Revue ein unterhaltsames Lehrstück und obendrauf sympathisch und unterhaltsam. Ein paar Schwächen und Längen sollen in dieser Kritik deshalb nicht ausgespart bleiben.

Hervorragende Cast

Die Besetzung ist eine der großen Stärken der Produktion: Dagmar Bernhard, Elisabeth Blutsch, Cornelia Mooswalder, Stefan Bleiberschnig, Vincent Bueno, Martin Oberhauser, Boris Pfeifer und Markus Richter bringen viel Energie auf die Bühne. Besonders Vincent Bueno besticht gesanglich und schauspielerisch. Auch die weibliche Cast – Bernhard, Blutsch und Mooswalder – überzeugt mit Spielfreude. Die Dialektvielfalt aus Wiener Schmäh, bayrischer Urigkeit und Berliner Schnauze sorgt für regelmäßige Lacher.

Dialekt-Mix und Kostümkunst

Die Charaktere sind überzeichnet. Trotzdem werden nur wenige Klischees bedient, stattdessen die Berufsbilder der Musikindustrie der 80er pointiert aufs Korn genommen: Die arrogante TV-Producerin, der exaltierte Regisseur, die schmierigen Manager – allesamt überzeichnet, nur ganz selten platt. Alles in allem gibt es keinen Moment zum Fremdschämen. Unterstützt wird das Schauspiel durch die ausgefallenen Kostüme von Ilona Glöckel, die das schrille Jahrzehnt (+/-10 Jahre) visuell auferstehen lassen.

Applaus für die Darsteller.

Die wilden, sexy 80er

Das Stück schöpft seinen Spice aus dem Geist der wilden 80er-Jahre: Weißer Schnee und sexuelle Gefälligkeiten galten in der Branche als Geschäftsmodell. Für manche auch als Mittel, um die Karriereleiter im Musikbusiness emporzusteigen. Bring Me Edelweiss lässt dieses Kapitel dezent einfließen, jedoch stets mit einem geschlossenem Auge, das ab und zu mal zwinkert. Viele Szenen spielen mit Andeutungen und doppeldeutigem Wortwitz. Wer die Branche und ihre Geschichten miterlebt hat, erkennt die Anspielungen. Im Premierenpublikum saßen einige Oldies, die ganz genau wussten, was Sache war.

Musikalisch und optisch am Limit

Die Musik stammt von einer Live-Band unter der Leitung von Valentin Oman. Die Musiker agieren auf hohem Niveau, doch die dünne Besetzung war bei manchen Nummern spürbar. Was bei typischen 80er-Synthesizer-Tracks gut klappte, geriet anderweitig ans Limit. Hier hätte eine stärkere Instrumentierung besser getan. Die Band liefert dennoch ein hervorragendes Sounderlebnis. Aber das Fehlen von 80er-Outfits und keinerlei Showeinlagen ist schade. Wenn man schon so präsent musiziert, könnte man sich ruhig in Schale werfen.

Das Bühnenbild setzt auf LED-Screens, die stimmige Szenarien schaffen, ohne die Bühne zu überladen. Die Songtexte wurden für die Handlung neu geschrieben, dennoch tauchen auch bekannte Refrains auf, die das Publikum mitsingen kann. Für Hardcorefans und Austropop-Survivor sind einige Raritäten darunter, die nostalgische Erinnerungen wecken.

Die Besetzung von “Bring me Edelweiss – Das Musical der 80er”. | © Peter Burgstaller

Premierenfieber

Die Geschichte um die Musikformation BÖF – die bayrisch-österreichische Freundschaft – braucht ihre Zeit, um sich zu sortieren. Vielleicht lag es am Premierenfieber oder am komplexen Handlungsaufbau. Doch nach der Pause wendet sich das Blatt: Die jungen Bands, gespielt von Mooswalder und Blutsch (Chili Chicks) sowie Bleiberschnig und Bueno (Die Beiden), treiben die älteren Manager Marco (Pfeifer) und Thorsten (Richter) mit jugendlicher Frechheit vor sich her. Dieser Clash der Generationen spiegelt die Age Gap zwischen den 80ern und heute auf sympathische Weise wider. Und last but not least: Die Maskenbildner und Perückenmacher haben hervorragende Arbeit geleistet.

Wiedererkennungswert

Ein paar Protagonisten, Movers & Shakers der Austropop-Hochblüte waren im Publikum. Zumindest die konnten in einigen der gespielten Figuren Parallelen zu realen Persönlichkeiten der Musikszene erkennen. Der Musikfilm Regisseur Rudi Dolezal zum Beispiel. Er war einer, der in der Hochblüte des Austropop unentbehrlich wurde und sich heute noch ganz gern erinnert. Solche Insider-Verweise sind subtil eingebettet und bieten Kennern eine zusätzliche Ebene.

Ein Edelweiß fürs Ensemble

Die Uraufführung von Bring Me Edelweiss ist ein musikalisch-szenischer Balanceakt zwischen Nostalgie und Gegenwart, der vor allem vom Können der Darsteller lebt. Die kreativen Köpfe hinter der Produktion – Peter Hofbauer, Markus Gull, Christian Deix sowie Regisseurin Irene Marie Höllwerth – liefern solides Handwerk und Herzblut. Trotz kleiner Schwächen im Sound und zähem Beginn kann man der gesamten Produktion ein Edelweiß für den gelungenen Abend anheften.

(PA/red)

Veröffentlicht von
Redaktion

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