De Beer bringt junges Regietheater in altehrwürdige Volksoper
Lotte de Beer tritt mit der Saison 2022/23 an die Spitze der Wiener Volksoper und wird neue Direktorin des Theaterhauses am Gürtel. Diese Wahl gaben am Dienstagvormittag Kunst - und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Christian Kircher als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding bekannt. Die Niederländerin (Jahrgang 1981) wird somit in knapp zwei Jahren ihren ersten großen Leitungsposten an der Spitze im Haus am Gürtel antreten und mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet. Schon im Vorfeld machte die Staatssekretärin klar, dass eine Frau den Posten erhalten wird. Lotte de Beer wird eine komplette Richtungsänderung in der Volksoper einläuten.
Über die neue Direktorin der Volksoper
Lotte de Beer schloss 2009 ihr Regiestudium in Amsterdam ab. Mit der Inszenierung "Tango Türk" an der Neuköllner Oper Berlin und "Clara S" an der Oper Leipzig machte sie erstmals auf sich Aufmerksam. 2015 wurde sie in der Kategorie "Newcomer" bei den International Opera Awards ausgezeichnet. In der deutschen Stadt Essen inszenierte de Beer etwa "Rusalka" und in der Spielzeit 2018/2019 "Carmen". Der niederländische Regisseurin war auch schon Gast am Theater an der Wien. Beer zeichnete am Haus für die Inszenierungen von George Bizets "Die Perlenfischer" (2014), "Traviata remixed" in der Kammeroper (2016) und Tschaikowskis "Die Jungfrau von Orleans" (2019) verantwortlich.
Lotte de Beer ist künstlerische Leiterin der Gruppe "Operafront", die zeitgenössische Opernproduktionen präsentiert, um ein neues Publikum zu erreichen. Hier zeigt sich de Beers Hingabe für modernes Regietheater, das alte und neue Operninszenierungen manchmal sehr eigenwillig auf die Bühne bringt.
Lotte de Beer, 39-jährige Jungregisseurin
"Einen großen Teil des jungen Publikums haben wir verloren - deshalb ist es, glaube ich, jetzt an der Zeit für mich, Verantwortung zu übernehmen", zeigte sich die energiegeladene Regisseurin bei ihrer Präsentation überzeugt von ihrer ersten großen Leitungsfunktion. Die am 11. August 1981 geborene de Beer sprach sich deshalb dezidiert gegen den vermeintlichen Widerspruch von "hoher Kunst" und Unterhaltung aus.
"In diesen dunklen Zeiten hat Kunst vielleicht eine ganz andere Aufgabe", rekurrierte de Beer auch auf die aktuelle Corona-Pandemie. Es sei an der Zeit, von der Poesie umarmt zu werden. Kunst müsse ein Ort werden, "wo man gleichzeitig berührt und entertained werden kann". Dabei gehe es ihr nicht um Zerstörung bestehender Traditionen. "Statt Dekonstruktion und Schockieren will ich künstlerisch bezaubern", gab sie die Richtschnur aus. Die große Geste bringe nichts, wenn das Publikum wegbleibe.
Regiesessel selbst besetzen
Dafür möchte Lotte de Beer auch weiterhin selbst den Regiesessel besteigen. Geplant sei eine eigene Regie pro Saison am Haus und eine weitere andernorts: "Regie ist mein Herz." Zugleich möchte sich de Beer auch einen Musikdirektor suchen: "Der erste Schritt, den ich unternehme, ist, nach einem starken musikalischen Partner zu suchen." Sie habe bereits Namen im Kopf, mit deren Trägern sie nun in Gespräche treten werde.
Bedenken wegen pandemiebedingt dräuender Sparvorgaben habe sie dabei nicht, betonte die 39-Jährige: "In Österreich ist es so toll, dass alle der Meinung sind, dass Kunst genau jetzt wichtig ist und es dafür auch Geld geben muss. Und dafür werde ich kämpfen."
Geyer schätzt jugendliche Energie
Mehrheitlich äußerst positiv fallen die ersten Reaktionen auf die Entscheidung, Lotte de Beer mit der künstlerischen Leitung der Volksoper Wien ab 2022 zu betrauen, aus. "Ich freue mich sehr über diesen Karriereschritt von Lotte Beer, denn er basiert auf ihrem Können und Fachwissen im Bereich des künstlerischen Musiktheater-Managements und auf ihrer jugendlichen Energie, die für die Volksoper ab 2022 genau richtig sind", hielt Roland Geyer, Theater an der Wien-Intendant, auf APA-Anfrage fest. "Natürlich bin ich stolz darauf, dass das Theater an der Wien wieder ein wichtiger Katalysator für eine Künstlerin ist, um an die Spitze im Operngenre zu gelangen."
Meyer wollte Direktor bleiben
Beworben hatten sich für die Direktion der Volksoper neben de Beer mehr als 30 weitere Interessentinnen und Interessenten - darunter auch der amtierende Direktor Robert Meyer, der seit 2007 die Volksoper führt und sich erneut um eine Verlängerung seines Vertrags beworben hatte.
Staatssekretärin gewährt Eingewöhnungszeit
"Ich bin überzeugt, dass in sieben Jahren - am Ende ihrer ersten Amtszeit - die Wiener Lotte de Beer in ihr Herz geschlossen haben werden", freute sich Staatssekretärin Mayer bei der Vorstellung über die designierte Opernchefin.
(APA/red)