Stellungnahme zu SPARTA im Programm der Viennale 22
Das 60th Vienna International Filmfestival vom 20. Oktober bis 1. November steht in den Startlöchern und hat sein volles Programm offenbart. Viennale Direktorin Eva Sangiorgi präsentierte im Metro Kinokulturhaus das Programm der 60. Viennale gemeinsam mit Michael Loebenstein (Direktor Österreichisches Filmmuseum), der die Retrospektive zu Yoshida Kijū vorstellte, sowie Florian Widegger vom Filmarchiv Austria, der zum Programmteil "Österreich Real" ein Buch mitbrachte. Neben Monografien der Filmemacher Med Hondo und Elaine May ist die Festivalsparte “Historiografie” dem Argentinischen Film noir gewidmet. Mit dem österreichischen Film VERA von Tizza Covi und Rainer Frimmel eröffnet das Filmfestival am Donnerstag, 20. Oktober. Der umstrittene Film SPARTA von Ulrich Seidl ist ebenfalls im Programm gelandet.
Krisenthemen prägen Viennale 22
Die Abendveranstaltung zu Ehren des Regisseurs Werner Herzog anlässlich seines 80. Geburtstags mit Lesungen und Musikdarbietungen im Volkstheater zählt zu den Highlights des Festivals. Daneben herrscht Krisenstimmung. Zwölf österreichische Dokumentarfilme der vergangenen 50 Jahre veranschaulichen verschiedene Aspekte einer Misere. Die Auswahl hat das Filmarchiv Austria getroffen. Die gezeigten Filme sind in der 600 Seiten starken Enzyklopädie Österreich real. Dokumentarfilm 1981-2021 enthalten, die es frisch zu kaufen gibt. Ausdrücke von “Misere” gibt es auch im Film SPARTA von Ulrich Seidl. Die Viennale verlautbarte Ende September, den umstrittenen Film ins Programm des Festival zu nehmen. Sparta wird am 21. und 22. Oktober im Gartenbaukino in Anwesenheit von Regisseur Ulrich Seidl vorgeführt und erklärt. Direktorin Eva Sangiorgi gab am Ende der Pressekonferenz im Metro Kinokulturhaus eine Stellungnahme ab.
SPARTA von Ulrich Seidl regt auf
Investigativ-Journalisten aus Deutschland hatten Lunte gerochen, als sie vom Inhalt des Films Wind bekamen. Sie fuhren kurzerhand zum Drehort und machten sich auf die Spurensuche. Der Stoff hat zweifellos das Potential für einen Zeitungsskandal. Auf ihrer Reise nach Rumänien wurden die Eltern von minderjährigen Laiendarsteller:Innen ausgefragt und Erkenntnisse gezogen. Ihr Report brachte die geplante Premiere von Sparta zu Fall und hat das Renommee von Ulrich Seidl schwer beschädigt. Ob die Vorwürfe stimmen, sollen andere aufklären. Für eine Vorverurteilung hat es gereicht. "SPARTA ist ein herausragender und reifer Film, der mit seinem heiklen Thema äußerst einfühlsam umgeht", hieß es in einem knappen Statement von Seiten der Viennale. Bei der traditionellen Programm-Präsentation warteten alle auf Sangiorgi, um mehr über ihre Beweggründe zu erfahren, Sparta ins Viennale-Programm aufzunehmen.
Stellungnahme von Eva Sangiorgi
Sparta sollte nicht an die große Glocke gehängt und schon gar nicht das Programm der Viennale 2022 überschatten. Eva Sangiorgi machte bis zum Schluss der Pressekonferenz keine Anstalten, speziell über diesen Film sprechen zu wollen. Eine faire Haltung könnte man meinen. Der Journalist einer Wiener Wochenzeitung hatte schlussendlich keine andere Wahl, als selbst nachzufragen. Die Direktorin der Viennale ließ sich nicht zweimal bitten: "Ich denke, es ist ein wunderbarer Film. Er ist ein großer Autor. Er hat sich einem sehr komplizierten Thema angenähert und ich war absolut überrascht und tief berührt von der Lebendigkeit, mit so einer Distanz und Eleganz an das Thema heranzugehen". Seidl habe mit Sparta etwas "Anderes und Spezielles" erreicht, so Sangiorgi.
Glaube an die Kunstfreiheit
Wenn Journalisten und Künstler aufeinander krachen, gibt es meistens nicht nur einen Verlierer. Eva Sangiorgi ist den Unkenrufen nicht gefolgt und hat besonderen Mut und Haltung bewiesen. Ihr Team hat lange beraten, bevor es die richtige Entscheidung traf. "Ich glaube, das Filmfestival ist ein Platz, in dem wir auch unsere eigene Perspektive gegenüber ethischen Themen überdenken können sollten", so Sangiorgi. Es sei ausserdem wichtig, einen Raum für Diskussionen zu öffnen - auch für die Filmschaffenden selbst. Nicht bloss wegen des angezettelten Skandals um den Film eines weltweit renommierten Filmemachers und Seelenforschers. Es gibt noch andere Themen ausser Ulrich Seidl auf der Viennale 2022 vom 20. Oktober bis 1. November.
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