Seit Samstagabend hat die Wiener Volksoper eine neue “Zauberflöte”. Regisseur Henry Mason hat sich für seine Neuinszenierung ganz schön viel einfallen lassen. Vier kleine Blätter, die ihre hölzerne Herkunft aus dem Wald unterstreichen, verleihen der Flöte Flügel. Und die unsichtbaren Bänder zur Marionettenspielerin, die sie agil durchs Geschehen schweben lässt. Puppen-, Menschen- und Musiktheater nach allen Regeln der Kunst, detail- und figurenverliebt, ein Kirtag der An- und Ausdeutungen erinnert ein wenig gar sehr an die Machart von Cirque du Soleil.
“Die Liebe ist’s allein”, wird Tamino auf dem Umschlag des Programmhefts zitiert. In vielen Interpretationen dieses bekanntesten Märchens der Operngeschichte wird die schlichte Liebesbotschaft zwischen diversen Metaebenen der symbolistischen und rätselhaften Handlung eingezwickt. Mason, der zuletzt mit seiner erstaunlichen Musicalfassung von “Der Hase mit den Bernsteinaugen” in Linz für Furore gesorgt hat, gelingt dies auch in der Zauberflöte, direkte Emotionen in einer liebevollen Vielheit von Bildern zu vermitteln: Das Gewusel aus exotischen Tiermarionetten, lebensgroßen Puppen der drei Knaben, Löwentänzern, Doppelgängerinnen der Königin, der fliegenden Flöte und wanderndes Glockenspiel auf der Drehbühne sorgt für Schwindelgefühle.
Das Libretto ist zweckmäßig zurechtgeschneidert, der Prinz liebt die Prinzessin, Priester und Monarchen sind auch nur Menschen, Mozart ist Mozart – so so. Im Ensemble und in neuen Rollen sind Martin Mitterrutzner als Tamino und Anna Siminska als Königin der Nacht zu sehen. Mit Rebecca Nelsen wurde die bestens bewährte Pamina des Hauses besetzt und für den Sarastro kam Stefan Cerny, ebenfalls aus der Stammmannschaft, zum Einsatz.
Die Charaktere sind “modernisiert”: Sarastro als leicht erschöpfter Superstar mit mühsam überspieltem Liebeskummer, Pamina nicht als die bescheidene, sondern aufmüpfige Umworbene. Und Jakob Semotan ist in dieser Inszenierung kein quirliger Papageno, sondern ein behäbiger im schwarz-weißen Papageienlook. Sein Sidekick, das wandernde Glockenspiel, erhält ob des expressiven, sorgfältigen Marionettenspiels eine besondere Würdigung.
Sorgfalt im Detail kennt auch Anja Bihlmaier, die sich im Orchestergraben um Mozart verdient macht. Die Dirigentin packt Stimmen, Instrumentalsoli und Orchesterteppich in einen runden, anschmiegsamen Klang. Die Bühne ist voll mit Protagonisten, Choristen, Statisten und Puppenspielern, mit Figuren und Figürchen und dazu noch dutzenden rothaarigen Papageno-Sprösslingen. Dort eine bunte, singende Truppe, da maskierte Einzelgänger. Eine wundersame Begegnung. Zweifellos hat diese neue “Zauberflöte” das Zeug, fixer Bestandteil des Repertoires an der Volksoper Wien zu sein.
Darüber könnte man die neue Direktorin befragen, ob sie das bunte Stück unter ihrer Ägide eventuell weiter laufen ließe. Genauso gut wäre es möglich, dass die Inszenierung von Mason bald schon anderswo läuft. Zweifellos hat auch dieser Gedanke das Zeug, über mehrere Vorstellungen hinaus zu gehen.
(APA/red)
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