Vier Monate später als geplant, mit einem Bruchteil des üblichen Livepublikums, hat Freitagabend das Sommernachtskonzert Schönbrunn der Wiener Philharmoniker stattgefunden. Unter Dirigent Valery Gergiev erstreckte sich das Programm des TV-Events vom "Rosenkavalier" bis "Doktor Schiwago" und von der großen Oper zum Wienerlied. Der aus Deutschland stammende Tenor Jonas Kaufmann gab sein Debüt beim Sommernachtskonzert vor der imperialen Kulisse des Schlosses Schönbrunn.
Ein Fernseh-Event war das Sommernachtskonzert schon immer. Die Bilder des Open-Air-Konzerts vor der Kulisse des Schlosses Schönbrunn und seiner Gloriette flimmerten stets als sommerliches Pendant zum Neujahr über die internationalen Bildschirme. Jedes Jahr erlebten an die 100.000 Wienerinnen und Wiener bei kostenlosem Eintritt die Wiener Philharmoniker und herausragende Sänger und Sängerinnen. Im Jahr der Pandemie freilich undenkbar. Stattdessen wurde der Park gesperrt, 1.250 Besucher mit festgelegten Plätzen und in lockerer Sitzordnung zugelassen.
Der ORF mit seinen Ressourcen schaffte eine perfekte TV-Inszenierung, was kleineren Veranstaltern natürlich nicht gelingt, die Konzerte ins Netz streamen. Auch wenn keine 100.000 Menschen vor Ort waren, sorgte die Fernsehregie des ORF für beeindruckende Bilder: die rasanten Kameraflüge über das Gelände, die wirkungsvolle Feuerschein-Beleuchtung der Brunnen, die jahrelang trainierte Bildregie (Henning Kasten) bei den Nahaufnahmen der Instrumentalisten. Es gab Wien-Impressionen aus Schönbrunn und anderswo, Musik und Gesang, dazwischen kluge Moderationen von Teresa Vogl. Alles schon gehabt.
Jonas Kaufmann hat mit seinem zu Jahresbeginn vorgelegten "Mein Wien"-Album gleichsam eine Visitenkarte für seinen Auftritt beim Sommernachtskonzert abgeliefert. Gleich zwei Nummern davon, "Wenn es Abend wird" aus Kalmans "Gräfin Mariza" sowie "Wien, Wien nur du allein" von Rudolf Sieczynski nahm er ins Programm. Daneben sang der deutsche Tenor die Arienbrummer "Pourqoui me reveiller" aus Massenets "Werther" und "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot". Jonas Kaufmann probt aktuell an der Wiener Staatsoper den "Don Carlos", dessen Premiere am 27. September stattfindet.
Unter dem Konzertmotto "Liebe" wurden Werke von Aram Khatschaturjan oder Maurice Jarre (Vater von Jean Michel Jarre) gespielt sowie Richard Wagner, Emmerich Kalman oder Jacques Offenbach. Valery Gergievs elegisches Minenspiel vor der Kulisse der Gloriette, der weiche Mischklang der philharmonischen Streicher und Bläser, die ehernen Statuen, die aus allen Winkeln des Parks Richtung Bühne blicken:
Sie versichern hinaus in die Welt, dass Corona Musik und Kultur, so fragil sie in den vergangenen Monaten gewirkt haben mögen, letztlich für ein privilegiertes Publikum von 1.250 Besuchern allerweil stattfinden kann. Der Rest sitzt vor der Glotze und freut sich über tolle Klangqualität aus tollen Fernsehlautsprechern.
(APA/red)
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