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Lachen gegen Frustration beim Interview mit Kay Voges

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© Stephan Roehl

In wenigen Tagen sollte sie eigentlich losgehen - die erste Spielzeit von Direktor Kay Voges im generalsanierten Wiener Volkstheater. Nun findet der Start zwei Wochen später statt, bloß sind Programm und Rahmenbedingungen gänzlich andere. Dazu gehört, dass das neue Chefzimmer, in dem Voges die APA zum ersten Interview empfing, mit einer bizarr anmutenden Installation aus Heizungsrohren aufwartet. Keine moderne Kunst, sondern ein Gewährleistungsfall, wie sich herausstellt. Zum Lachen war dem neuem Volkstheater-Chef Kay Voges beim Gespräch mit Journalist Wolfgang Huber-Lang zumindest bei diesem Thema. Die psychischen und wirtschaftlichen Schäden, die die Pandemie ausgelöst hat, bereiten ihm hingegen Sorgen.

Interview mit Volkstheaterdirektor Kay Voges

APA: Herr Voges, wir führen dieses Gespräch in Ihrem neuen Büro. Es ist ganz leer, die beiden Sessel haben Sie von unten extra mitgenommen. Ist die Arbeit hier derzeit noch sehr von Baustellen-Feeling geprägt?

Kay Voges: Aus den Umständen heraus habe ich ja die erste Spielzeit unter das Motto "Under Construction" gestellt. Und genauso geht es uns auch. Es ist ein Privileg, und gleichzeitig natürlich auch ein Stress, ein komplett saniertes Haus eröffnen zu dürfen. Überall müssen noch Korrekturen getätigt werden. Immer wieder hört man plötzlich noch eine Bohrmaschine oder einen Presslufthammer. Man freut sich über jeden Quadratmeter, der nicht mehr von Baustaub überzogen ist. Die einzelnen Abteilungen ziehen ein, während teilweise im Haus noch gebaut wird. Das ist eine extrem hohe Belastung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - aber gleichzeitig auch ein Geschenk, denn alle hier haben das Theater vermisst, das man vor einem Jahr verlassen musste.

APA: Jeder Häuslbauer weiß von den Pannen und Schrecken solcher Arbeiten. Wie geht es Ihnen dabei?

Voges: Es ist eine Frage der Betrachtung, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Man kann sich so freuen über die Dinge, die funktionieren, die Transportwege sind extrem vereinfacht, es gibt eine Laderampe, das Haus leuchtet innen und außen, die neu eingebaute Technik funktioniert. Das ist die Haben-Seite. Und dann sieht man natürlich auch Baufehler: Hier liegen etwa die Heizungsrohre über Putz, das muss korrigiert werden...

APA: Ich dachte schon, das sei Teil einer etwas schrägen, aber beabsichtigten Rauminstallation... (gemeinsames Lachen)

Voges: Bei dieser Masse von Arbeiten in dieser kurzen Zeit passieren eben Fehler - von der nicht schließenden Türe bis zur nicht angeschlossenen Steckdose. Die gilt es jetzt Schritt für Schritt auszubessern.

Das Volkstheater Wien strahlt nach Generalsanierung in neuem Glanz | © APA/Pfarrhofer

APA: Dann müsste Ihnen die Verschiebung des Starts um zwei Wochen eigentlich zupasskommen?

Kay Voges: Wir hätten den 9. Jänner geschafft. Überhaupt ist erstaunlich, dass wir mit so wenig Geld so viel geschafft haben. Vergleichbare Projekte haben in Deutschland bis zum Zehnfachen gekostet. Deswegen hoffe ich sehr, dass sich Stadt und Bund noch am Eigenbetrag von 3,3 Mio. Euro beteiligen werden, damit das keine Schuldenlast wird, die das Volkstheater die nächsten zehn Jahre mitschleppen muss.

APA: Angesichts der ständig sich ändernden Lockdown-Bedingungen haben Sie in den vergangenen Monaten gerne Brecht zitiert: "Ja, mach nur einen Plan! / Sei nur ein großes Licht! / Und mach dann noch 'nen zweiten Plan / Gehn tun sie beide nicht." Sind Sie der ewigen Neuplanungen bald müde?

"Das ist frustrierend und zehrt an den Nerven"

Voges: Es ist eine extrem anstrengende Zeit für Theatermachende, eine Sisyphus-Arbeit. Man schiebt ein Programm den Berg hoch, dann purzelt es herunter, man schiebt das nächste Programm hoch, und es purzelt wieder herunter. Das ist frustrierend und zehrt an den Nerven. Sartre hat gesagt, man muss sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen: Daher versuche ich mir immer wieder zu sagen, dass es uns immer wieder die Freiheit gibt, neu zu denken. Insofern ist es eine teilweise depressive und teilweise manische Zeit, in der wir sind, und in der wir mit immer neuen Ideen gegen die Frustration kämpfen.

APA: Das letzte kommunizierte Startdatum war der 22. Jänner.

Voges: Wir waren nach der letzten Regierungs-Pressekonferenz erst mal unter Schock und haben uns gefragt: Wie sollen wir da weitermachen? Es war klar, dass "Black Box" nicht am 9. und "Der Theatermacher" nicht am 10. Jänner Premiere haben kann. Also haben wir alles verschoben. "Black Box" sollte am 22. Jänner eine Art
Prolog für das Theater sein. Dazu wollen wir weitere Programmpunkte präsentieren, die das Volkstheater beleben und sich mit der Kunst und den Menschen in Zeiten wie diesen auseinandersetzen. Wir haben uns mit Samuel Becketts "Quadrat II" beschäftigt, ein meditatives Minimal-Theater, eine Choreographie über das endlose Laufen und nicht von der Stelle Kommen. Für Momente der Zeitlosigkeit und der Perspektivlosigkeit ist Beckett ja der Großmeister. Neben dieser Installation wird es einen Raum von Gregor Schneider geben, seinen "Sterberaum", der Nachbau eines Raums von Mies van der Rohe in Krefeld. Der Künstler, der 2001 für sein "Totes Haus u r" den "Goldenen Löwen" der Biennale bekam, meinte über diesen Raum, es sei einer der schönsten, perfektesten Räume, dort müsse man eigentlich sterben können. Deswegen hat er ihn vor einigen Jahren nachgebaut für Menschen, die dort sterben wollen. Wir wollten das noch einmal zeigen, angesichts der Sterbehilfedebatte in Österreich und auch angesichts der Zahlen der Corona-Toten, die uns erschrecken.

Werbeveranstaltungen für Massentests

APA: Was blieb von den übrigen Plänen?

Kay Voges: Neben "Black Box" auch der "Der Raum" von Ernst Jandl. Das ist ja auch eine Meditation über die Bühne als Möglichkeitsort, der gefüllt wird von Licht, von Ton. Wenn er schreibt "ist leer, bleibt leer, immer noch leer", dann klingt es, als hätte Jandl in den 70ern schon die Pandemie vor Augen gehabt. Alles das ist leiser und stimmiger statt einfach am ersten Nachmittag, an dem es möglich ist, den "Theatermacher" rauszubringen, nur damit wir eine erste Premiere draußen haben. Ich verstehe ja die Notwendigkeit für einen neuen Lockdown, ärgere mich aber über die Ansage, dass man mit den neuen Maßnahmen den Kulturinstitutionen Planungssicherheit verschaffen möchte. Zu sagen, ab jetzt müsst ihr Nachmittagsvorstellungen machen ausschließlich vor getesteten Leuten, kommt mir eher vor, als müssten wir jetzt Werbeveranstaltungen für Massentests machen. Wie viele Getestete dann wirklich ins Theater kommen, steht ja in den Sternen. Auch, wie lange diese Regelungen gültig sind. Heute zeigt sich wieder einmal: Planungssicherheit gibt es nicht.

Instrumentalisierung der Kultur

APA: Wird das Volkstheater das kontrollieren?

Voges: Ich habe keine Ahnung. Mich erschreckt diese Vorstellung, und ich finde es moralisch höchst zweifelhaft. Ich halte das für eine Instrumentalisierung der Kultur. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich gesagt: Lasst uns doch klein anfangen, vielleicht mit 100 Leuten, und wir tasten uns dann weiter mit unseren Hygienekonzepten. Wenn das nicht geht, würde ich mir wünschen, dass die Politik klare Ansagen macht. Wenn es notwendig ist, dass wir bis Ende März nicht Theaterspielen können, dann wäre das schrecklich - aber es gäbe Planungssicherheit. Ich will Theater machen und brenne darauf, dieses Haus zu eröffnen. Aber wenn's nicht geht, geht's nicht. Die jetzige Situation ist ein einziges On-Off. Wir buchen laufend Flüge und Hotels und stornieren sie danach gleich wieder. Wir haben jetzt die vierte Fassung der Saisonplanung gemacht und starten bald die fünfte. Ich fände gut, wenn die dann halten könnte. Auch die besten Betriebsbüros und Disponenten stoßen irgendwann an ihre Grenzen.

APA: Wie viel von ihrem restlichen Jahresprogramm geht denn schon den Bach runter?

Voges: Bisher haben wir nichts komplett abgesagt, sondern nur verschoben. Die "Zertretung" von Lydia Haider werden wir erst im Juni anfangen zu probieren, da wird es vermutlich eine Verschiebung geben, vielleicht sogar in die nächste Saison. Aber stattfinden werden alle Produktionen. Im Moment entsteht sogar ein Stau: In Kürze haben wir vier Produktionen fertig und abrufbar. Zum Glück haben wir für diese Saison nur auf Wahlabos gesetzt, sonst wären wir nur noch mit Kartentauschen beschäftigt. Genauso gut war es, dass wir uns auf keine fixen Premierentermine festgelegt hatten. Das gibt uns jetzt mehr Handlungsspielraum.

APA: Theater spiegelt ja immer gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir alle hätten uns nicht träumen lassen, was wir seit März erleben mussten. Wird das bleibende Auswirkungen haben auf unsere Gesellschaft?

Schäden der Coronapandemie

Voges: Das ist eine ganz schwierige Frage, die ich nur mit gegensätzlichen Hypothesen beantworten kann. Entweder wird das Ende der Pandemie die Eröffnung eines neuen Zeitalters des Hedonismus werden, das den jetzigen biedermeierlichen Rückzug ins Private in ein lustvolles Miteinander dreht. In meiner Fantasie sieht das ganz schön aus. (schmunzelt) Es kann aber auch das genaue Gegenteil sein: Dass wir uns traumatisieren lassen und viele Menschen lange brauchen werden, die Angst vor dem Anderen wieder zu überwinden. Wir reden derzeit sehr wenig über die wirtschaftlichen Folgen. Die existenziellen, finanziellen Ängste der Menschen werden jeden Tag größer. Es wird eine Mammutaufgabe der Gesellschaft werden, mit den psychischen und wirtschaftlichen Schäden, die diese Pandemie ausgelöst hat, umzugehen.

APA: Wird das derzeitige Allmachtsgefühl der Politik wieder verschwinden?

Kay Voges: Es ist tatsächlich so, dass ich bei vielen Verordnungen das Gefühl hatte, in meine Schulzeit zurück versetzt zu werden: "Freitag ist Ampeltag, ein Babyelefant Abstand und um 20 Uhr seid ihr zu Hause, sonst kommt das Virus." Ich bin nicht gewohnt, dass man so zu erwachsenen Menschen spricht. Es stimmt: Die Pandemie und die Verfassung kommen sich in die Quere. Das ist ein Dilemma. Man kann es als Tragödie anschauen, ich versuche aber, es mehr als Komödie zu sehen.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(APA/red)

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Redaktion

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