Kultur

Vorgesang auf “Die letzten Tage der Menschlichkeit?”

© Nadine Poncioni-Rusnov

Am 8. Jänner wird an der Wiener Staatsoper eine außergewöhnliche Veranstaltung geboten: „Die letzten Tage der Menschlichkeit?“ vereint Texte aus Karl Kraus’ Werk „Die letzten Tage der Menschheit“ mit Musik von Gustav Mahler und Hanns Eisler. Bariton Georg Nigl, Kammerschauspieler Nicholas Ofczarek und Dirigent Vladimir Jurowski gestalten einen Abend, der literarische und musikalische Meisterwerke zu einem eindringlichen Erlebnis verbindet.

Dirigent Vladimir Jurowski. | © Simon Pauly

Brutalität des Krieges

Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“ ist eine scharfe Analyse der Schrecken und Absurditäten des Ersten Weltkriegs. Zwischen 1915 und 1922 verfasst, deckt das Werk die Verlogenheit der Mächtigen, die Brutalität des Krieges und die Rolle der Medien auf. Es dient als Grundlage für den Theaterabend, ergänzt durch eine Auswahl von Liedern, die zwischen den 1890er Jahren (Mahler) und den 1930er Jahren (Eisler, Brecht, Tucholsky) entstanden sind. Diese Stücke spiegeln gesellschaftliche Umbrüche sowie die kriegerischen als auch sozialen Konflikte jener Zeit wider.

Wiederkehrende Muster

Das musikalische Programm umfasst Werke wie Mahlers „Revelge“ und „Der Tambourg’sell“, die die Perspektive von Soldaten einfangen, deren Leid von der Gesellschaft ignoriert wird. Eislers „Der Graben“ und „Spruch 1939“ verstärken diese Thematik durch eine schonungslose Auseinandersetzung mit der Entmenschlichung im Krieg. Gemeinsam mit Kraus’ Texten entsteht ein Narrativ, das die wiederkehrenden Muster von Gewalt und ideologischer Verblendung sichtbar macht.

Bariton Georg Nigl in der Wiener Staatsoper. | © Nadine Poncioni-Rusnov

Die musikalische Dramaturgie unterstreicht die Intention des Abends. Stücke wie Mahlers „Urlicht“ und „Wo die schönen Trompeten blasen“ greifen die Themen Tod, Hoffnung und Vergänglichkeit auf, während Eislers „An die Hoffnung“ und „Und endlich stirbt die Sehnsucht doch“ von Resignation und der Suche nach Sinn geprägt sind. Das Programm wird durch Schostakowitschs „Prelude op. 34/14“ sowie das bekannte „Sag mir, wo die Blumen sind“ abgerundet, das eine universelle Friedensbotschaft vermittelt.

Die letzten Tage der Menschlichkeit?

Die Balance zwischen gesungenen Liedern und Kraus’ Texten zeigt die Schwerpunktsetzung und passt zum Austragungsort Staatsoper. Der überwiegende Anteil der Bühnendarbietung besteht aus Gesang. Dennoch bleibt Kraus’ Werk „Die letzten Tage der Menschheit“ das Herzstück des Abends, indem es durch seinen intellektuellen und kritischen Gehalt den Rahmen für die gesamte Aufführung setzt.

Kammerschauspieler Nicholas Ofczarek in der Wiener Staatsoper. | © Nadine Poncioni-Rusnov

Richtungsweisender Vorgesang

In diesem Programm treten Literatur und Musik in einen Dialog, ohne eine abschließende Antwort auf die Frage nach der Menschlichkeit abzuliefern. Die Aufführung lädt das Publikum ein, über Verantwortung, Moral und die eigene Betroffenheit nachzudenken. Die Kombination von Kraus’ scharfsinniger Kritik und den emotionalen Tiefen von Mahler und Eisler schafft eine Reflexionsplattform für den eigenen Wertekompass. Der Vorgesang auf “Die letzten Tage der Menschlichkeit?” an der Wiener Staatsoper ist richtungsweisend.

(PA/red)

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