Lediglich 4,5 Prozent der genehmigten Anspruchstage des Kinderbetreuungsgeldes entfallen auf Männer. Das zeigt ein aktueller Rechnungshof-Bericht zu "Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz". Die Bewertung der Kontrollinstanz fällt daher kritisch aus: "Die effektive Entlastung von Frauen und eine gleichmäßigere Aufteilung der Betreuungspflichten wurde nicht erreicht", lautet ein Urteil. Anders betrachtet: Männer nehmen sich keine Auszeit für die Kinderbetreuung, weil die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Oder weil Mütter es sich mehrheitlich nicht nehmen lassen, Kinderbetreuung und Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen.
Kinderbetreuung leisten und Geld beziehen
Die zeitliche Beteiligung von Männern am Kinderbetreuungsgeldbezug stieg zwar in den Jahren 2005 bis 2009 von 3,3 auf 4,5 Prozent. Seither stagnieren die Zahlen jedoch. Auch im Jahr 2018 nahmen Männer nur 4,5 Prozent aller Anspruchstage wahr. Insgesamt wurden 2018 gemäß Kinderbetreuungsgeldgesetz rund 1,2 Milliarden Euro an 130.000 Anspruchsberechtigte ausgezahlt, bilanziert der Rechnungshof in seinem am Freitag vorgelegten Bericht.
Die Verteilung der beanspruchten Tage zwischen Frauen und Männern ist "extrem ungleich", heißt es im Rechnungshof-Bericht. Und noch ein interessantes Detail: Väter nahmen vorzugsweise in den Monaten Juli und August das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch.
Die Differenz zu den oft veröffentlichten Zahlen betreffend Väterbeteiligung erklärt der Rechnungshof folgendermaßen: Das "Familienministerium" (Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend) berechnet den Prozentsatz jener Väter, die insgesamt Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nahmen. So kam es etwa im Jahr 2017 auf eine Väterbeteiligung von 19,40 Prozent. Der Rechnungshof hat für seine Analyse allerdings die exakten Tage herangezogen, an denen Frauen und Männer jeweils das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen haben. Für die Zukunft empfiehlt er dem Ministerium jedenfalls, weitergehende Maßnahmen zur Erhöhung der Väterbeteiligung zu prüfen.
Zusätzliche Kritik kommt vom Rechnungshof bezüglich der Erledigungsdauer bei der Abwicklung des Kinderbetreuungsgeldes, die sich in der Zuständigkeit der Krankenversicherungsträger befindet. Er kritisiert, dass im Ministerium im untersuchten Zeitraum kein systematisches Controlling zur administrativen Abwicklung stattfand. Obwohl man im Familienministerium (Christine Aschbacher wurde am 29. Jänner 2020 von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend angelobt) von einer durchschnittlichen Erledigungsdauer von 28 Tagen und keinen Wartezeiten beziehungsweise Auszahlungslücken zwischen Wochen- und Kinderbetreuungsgeld ausging, lag die Erledigungsdauer in den vom Rechnungshof risikoorientiert untersuchten Beispielfällen bei 45 Tagen im Inland und bei 211 Tagen in grenzüberschreitenden Fällen. Verzögerungen entstanden durch Wartezeiten bei Rückfragen an Antragstellende beziehungsweise an andere Behörden, aber auch durch interne Prozesse der Krankenversicherungsträger.
Weiters wiesen die Prüferinnen und Prüfer in ihrem Bericht daraufhin, dass für die optimale Ausgestaltung des Leistungsanspruchs die "genaue Kenntnis der komplexen rechtlichen Grundlagen" erforderlich ist. Ohne Hilfe seien Bürgerinnen und Bürger oftmals überfordert, schreibt der Rechnungshof. Daher empfiehlt er sowohl Ministerium als auch der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), ihr Beratungs- und Informationsangebot vermehrt an die Bedürfnisse der Eltern anzupassen.
"Wenn 20 Prozent der Väter nur 4,5 Prozent der insgesamt genutzten Anspruchstage für Kinderbetreuung nutzen, sind wir von einer partnerschaftlichen Kinderbetreuung meilenweit entfernt", kritisierte die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski die Ungleichverteilung zwischen den Geschlechtern in einer Aussendung. "Das Bild ist desaströs und bestätigt einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf", betonte Disoski. Dafür brauche es zeitgemäße Karenzmodelle, ein Aufbrechen von Geschlechterstereotypen und verbesserte Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Frauen mit Kindern in den Arbeitsmarkt, sagte Disoski.
Die Europäische Kommission hatte Mitte Mai beschlossen, Österreich wegen der Indexierung der Familienbeihilfe vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verklagen. Nach Ansicht der EU-Behörde sind die Rechtsvorschriften "diskriminierend und nach dem EU-Recht nicht zulässig". Für Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) ist die Indexierung eine "Frage der Gerechtigkeit".
"Der Mechanismus verstößt gegen die geltenden Vorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit und ist diskriminierend, da einige mobile EU-Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Österreich in vollem Umfang zu Wirtschaft, Erwerbstätigkeit und Sozialversicherung beitragen, niedrigere Leistungen erhalten als solche, deren Kinder in Österreich leben. Die Indexierung gilt indes nicht für österreichische Staatsangehörige, die im Ausland für eine österreichische Behörde arbeiten und deren Kinder mit ihnen dort leben - obwohl ihre Situation vergleichbar ist", so die EU-Kommission.
(APA/red)
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