Die Coronakrise trifft ProSiebenSat.1 mit voller Wucht und sorgt weiter für einen Einbruch der wichtigen TV-Werbeeinnahmen. Im April und Mai gab es bereits ein Minus von rund 40 Prozent, sagte der neue Chef des Fernsehkonzerns, Rainer Beaujean, am Mittwoch auf der virtuellen Hauptversammlung.
"Für Juni erwarten wir jetzt auch keine dramatische Besserung." Es dürfte ähnlich laufen wie in den Vormonaten. "Wir steuern aktiv Kosten, Cashflow und Liquidität, um ProSiebenSat.1 sicher durch den Coronasturm zu bringen." Beaujean ging zunächst nicht konkret auf die harsche Kritik von Investoren ein, die eine Wachstumsstrategie und teilweise auch mittelfristig seine Ablösung gefordert hatten. Strategische Gespräche mit den beiden Großaktionären Mediaset und CMI um den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky gebe es nicht.
Das Aktionärstreffen bedeutet für Beaujean den ersten großen öffentlichen Auftritt. Er ist seit Juli 2019 Finanzchef und hat nach dem unfreiwilligen Abgang von Max Conze als Konzernchef Ende März zusätzlich die Funktion des Vorstandssprechers übernommen. ProSiebenSat.1-Aktionär Deka Investment hält Beaujean aber nur kurzfristig für den richtigen Chef, um sich "auf Kosten-, Liquiditäts- und Cashflow-Management zu konzentrieren". Denn die Fondsgesellschaft betonte: "In der Zeit danach sollte aber unbedingt ein branchenerfahrener Topmanager das Unternehmen führen." ProSieben-Aufsichtsratschef Werner Brandt hingegen sagte, Beaujean sei der "richtige Mann am richtigen Platz" - nicht nur in der Krise. "Er bringt alles mit, um ProSiebenSat.1 auch langfristig erfolgreich zu führen."
Scharfer Gegenwind kam jüngst auch von Mediaset, das von Beaujean mit ungewöhnlich harschen Worten eine Wachstumsstrategie verlangte. Der von der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kontrollierte Medienkonzern ist mit rund 24,2 Prozent größter Eigentümer des bayerischen Unternehmens. Knapp zwölf Prozent halten die Italiener direkt, den Rest über Finanzinstrumente.
Mediaset hat bei ProSieben wiederholt darum geworben, sich an dem von den Italienern angeschobenen europäischen TV-Projekt MFE zu beteiligen. "Ein cross-europäischer Zusammenschluss würde aus unserer Sicht weniger Synergien mit sich bringen", sagte nun Beaujean. Die größte Kostenposition - Investitionen ins Programm - seien "sehr von lokalen Geschmäckern geprägt". Zudem sei ein Zusammengehen mit der europäischen RTL-Group nicht geplant und in puncto Meinungsvielfalt auch nicht sinnvoll.
Der Investor CMI erhöhte seinen ProSieben-Anteil inzwischen auf zwölf Prozent und der US-Finanzinvestor KKR stockte seinen direkten Anteil auf 4,49 Prozent auf. Auch der Vermögensverwalter Blackrock hält direkt 3,02 und insgesamt 4,26 Prozent an ProSieben.
Beaujean betonte, man werde sich künftig wieder stärker auf das Unterhaltungs- und TV-Geschäft konzentrieren und wolle hier in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Nummer eins werden. Wachstum allein sei nicht mehr die Richtschnur. "Wir wollen langfristige Profitabilität." Im Zuge des Konzernumbaus will der Fernsehkonzern seine Dating-Sparte 2022 an die Börse bringen. Ziel sei es, Beteiligungen der E-Commerce-Tochter NuCom - wie die Parship Group mit ihren Marken Parship, ElitePartner und eharmony - mit dem jüngst für eine halbe Milliarde Dollar (443 Mio. Euro) zugekauften US-Unternehmen Meet Group zusammenzulegen.
(Schluss) kan/cs
(APA/red)
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