Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat nach anhaltender Kritik am Umgang mit kontroversen Beiträgen von US-Präsident Donald Trump eine Prüfung der Facebook-Richtlinien angekündigt. In einem offenen Brief an seine Mitarbeiter, den Zuckerberg am Freitag (Ortszeit) auf seinem Profil veröffentlichte, heißt es, der Konzern werde die Richtlinien im Zusammenhang mit staatlichen Gewaltandrohungen überprüfen. Auf die US-Wahlen im November sei das Unternehmen aber gut vorbereitet.
Überprüft würden die Richtlinien besonders mit Blick auf Drohungen eines "übermäßigen Einsatzes von Polizei- und Staatsgewalt", erklärte Zuckerberg. Vor dem Hintergrund der US-Geschichte verdiene dieses sensible Thema besondere Beachtung. Es werde auch geprüft, zu der bisherigen Vorgehensweise, einen Post entweder zu löschen oder stehen zu lassen, Alternativen zu finden.
An die Angestellten schrieb er: "Ich weiß, viele von Euch denken, wir hätten die Posts des Präsidenten in der vergangenen Woche auf irgendeine Weise mit Hinweisen versehen sollen." Zuckerberg warnte allerdings, einen solchen Weg einzuschlagen könnte Facebook dazu bringen, auch gegen Posts vorzugehen, die dem Unternehmen schlicht inhaltlich nicht gefielen, die aber nicht klar gegen die Regeln der Plattform verstießen. "Ich glaube, wir müssen hier sehr vorsichtig vorgehen", schrieb er.
Der 36-jährige Unternehmensgründer war wegen seiner Haltung in der Frage zuletzt stark unter Druck gekommen, unter anderem in einer Videokonferenz mit Mitarbeitern. Dabei ging es vor allem um einen Tweet von Trump, der auch auf dessen Facebook-Profil gespiegelt wurde. Darin reagierte der US-Präsident auf erste Ausschreitungen in Minneapolis nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt. Sein Tweet wurde von vielen als Aufruf an die Polizei verstanden, hart gegen die vorwiegend schwarzen Demonstranten durchzugreifen ("Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen").
Wegen Zuckerbergs Weigerung, Beiträge von Trump zu kennzeichnen, hatte es in der Belegschaft des Konzerns Proteste gegeben. Der Software-Entwickler Timothy Aveni gab öffentlich seine Kündigung bekannt. Indem die Plattform aufrührerische Beiträge Trumps unkommentiert stehen lasse, bewege die Plattform die "rote Linie" stets ein Stück weiter. Facebook finde "eine Entschuldigung nach der anderen, nichts gegen diese gefährliche Rhetorik zu unternehmen", kritisierte Aveni.
Twitter versah Trumps Tweet mit einem Warnhinweis, weil er das Verbot von Gewaltverherrlichung auf der Plattform verletze. Zuckerberg hatte daraufhin vergangene Woche erklärt, der Beitrag sei mit Facebooks Regeln vereinbar, auch wenn es ihm persönlich missfalle. Zuckerberg hält Aktien mit mehr Stimmrechten, was ihm letztlich die Kontrolle bei dem Online-Netzwerk sichert. Seine erklärte Position ist, dass eine Plattform wie Facebook nicht entscheiden dürfe, was falsch und was richtig ist. Deshalb sind Äußerungen von Politikern grundsätzlich von Faktenchecks ausgenommen.
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in den USA im November dieses Jahres schrieb Zuckerberg, er habe "Vertrauen" in die Maßnahmen, die das Unternehmen seit 2016 umgesetzt habe. Nach den Erkenntnissen der US-Geheimdienste manipulierte Russland den Präsidentschaftswahlkampf 2016 zugunsten Trumps, insbesondere durch eine Kampagne in Online-Netzwerken wie Facebook. Dennoch warnte Zuckerberg: Die Wahlen im November könnten von einer "beispiellosen Angst und Verwirrung" begleitet werden, die manche ausnutzen wollten.
Der Konzern löschte auch dutzende Konten rechtsextremer Gruppen, die nach Angaben des Online-Netzwerks zu Gewalt bei den Anti-Rassismus-Protesten in den USA aufgerufen hatten. Die Gruppen hätten ihre Mitglieder und Unterstützer dazu aufgefordert, zu den Protestaktionen gegen den Tod von Floyd zu gehen, erklärte der Facebook-Manager Brian Fishman. In einigen Fällen hätten sie sogar vorgehabt, bewaffnet zu den Protesten zu gehen.
Bisher hat das Netzwerk nach seinen Angaben rund 110 Facebook- und 80 Instagram-Konten der Gruppen "American Guard" und "Proud Boys" gelöscht, die bereits zuvor von Facebook und Instagram gesperrt worden waren. Sie hatten demnach aber versucht, auf die Plattformen zurückzukehren. Der Konzern versuchte daraufhin, auch ihre neuen Konten zu identifizieren.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg geht davon aus, dass die Corona-Krise einen langfristigen Wandel zu Arbeit außerhalb des Büros in der IT-Branche angestoßen hat. Er rechne damit, dass in zehn Jahren rund jeder zweite Beschäftigte des Online-Netzwerks im Homeoffice arbeiten werde. Proteste seiner Mitarbeiter könnten auf diese Weise mit bewährten Facebook-Methoden der Stecker gezogen werden: Accounts sind wesentlich schneller gelöscht, als Mitarbeiter von ihren Büroplätzen verbannt.
(APA/red)
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