Journalisten-KV fragt Kollegen nach dem Befinden
Der Name Journalistengewerkschaft klingt beeindruckend. Ein mächtiger Verband schaut auf die Interessen der Vierten Gewalt im Staat und steht wie ein Bollwerk hinter den Interessen der freien Presse. Ist der Journalisten-KV zu knausrig oder der Arbeitsdruck zu hoch, spielt's Rambazamba im Doppelpack. Zuerst schreiben die Journalisten nichts mehr nettes über die Anzeigenkunden und dann marschiert die Gewerkschaft zum Verhandlungstisch und reißt den Verlagen doppelte Prämien für hart arbeitende Journalistinnen aus dem Sack. So stellt man sich das vor. Aber die Sache hat einen Haken: die GPA-djp ist die Interessenvertretung der Angestellten, Lehrlinge, SchülerInnen und Studentinnen sowie der JournalistInnen und aller ArbeitnehmerInnen aus dem Bereich Papier- und Druckherstellung. Die als "Journalisten" geführten Mitarbeiter sind Redakteure, Redaktionsassistenten Redaktionssekretäre, Fotografen, Layouter, Grafiker und Freischreiber.
GPA-djp befragt 700 Kollegen und Kolleginnen
Eike-Clemens Kullmann ist Bundesvorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp und leitender Redakteur bei den Oberösterreichischen Nachrichten. Seit 1989 ist er als Betriebsrat und Gewerkschafter aktiv und kennt den alten Journalisten-KV genau. Die zeitgemäße Form hat damit nichts mehr zu tun. Der Name Journalistengewerkschaft ist dafür unverändert geblieben und der Ton ihrer Presseaussendungen auch: "Die Arbeitsbelastung für Journalistinnen und Journalisten ist deutlich gestiegen". Wie aus einer Umfrage der GPA-djp unter exakt 700 Personen hervorgeht, haben sich die Arbeitsbedingungen in vielen Redaktionen in den vergangenen zwölf Monaten "massiv verschärft", das teilte die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp am Freitag in einer Aussendung mit. Bei einer Betriebsrätekonferenz wurde daher eine Resolution verabschiedet, in der eine rasche Reform der Medienförderung gefordert wird.
Betriebsräte im Chefsessel
Die 700 befragten Personen der Journalistengewerkschaft werden als Kollegen und Kolleginnen bezeichnet, obwohl die meisten davon keine Betriebsräte sind. In vielen großen Medienhäusern des Landes gibt es nicht einmal eine Gewerkschaft für Medienarbeiter oder sie ist nicht aktiv. Die meisten Geschäftsführer wollen sich vom Betriebsrat ohnehin nicht in die Bilanzen schauen lassen und schon gar nicht von Journalisten. Kollege Kullmann hat bei einer Konferenz der Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die sich mit den Ergebnissen dieser Umfrage befasst hat, eine passende Lösung für die Probleme aller journalistischen Mitarbeiter gefunden: Gefordert wird eine rasche und deutliche Reform der Medienförderung.
Bedeutung von Qualitätsjournalismus
Sowohl die direkte Förderung als auch die Vergabe von Inseraten müssten an die Einhaltung der vom Österreichischen Presserat festgelegten ethischen Standards gebunden werden, heißt es in der Aussendung. "Die jüngsten Entgleisungen in der Berichterstattung über den Terroranschlag in Wien beweisen einmal mehr die Bedeutung von Qualitätsjournalismus", wurde Eike-Clemens Kullmann, Bundesvorsitzender der Journalistengewerkschaft, zitiert. Unabdingbar für qualitätsvollen Journalismus sei auch eine ausreichende personelle Ausstattung der Redaktionen. "Journalistische Jobs müssen hier klaren, in Kollektivverträgen festgelegten arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen", fordert Kullmann.
Redakteure verdienen wenig Geld
Wer als Redakteur oder Redakteurin mehr als 3.000 Euro brutto verdienen darf, muss laut Journalisten-KV erst einmal 30 Jahre schuften. Bis zum zehnten Berufsjahr sind unter 2.300 Euro Bruttolohn veranschlagt. Die Berufsbezeichnung Journalist oder Journalistin kommt im Kollektivvertrag für journalistische Mitarbeiter/‐innen bei österreichischen Zeitschriften und Fachmedien namentlich gar nicht vor. In Erläuterungen ist von KollegInnen, Chefredakteuren und Verlagsleitungen die Rede. Die Journalistengewerkschaft hat folgende Tarife für "journalistische Jobs" ausgehandelt - siehe Grafik.
Journalistische Mitarbeiter unter Druck
56 Prozent der Befragten beklagen laut Aussendung, dass ihr persönlicher Arbeitsaufwand in den vergangenen zwölf Monaten zugenommen habe. 86 Prozent erklärten zudem, dass dieser Mehraufwand von den Medienunternehmen nicht abgegolten werde. Bei knapp 60 Prozent der Befragten hätten sich die Einnahmen in der Coronakrise verschlechtert, mehr als ein Drittel bekämen weniger als das im Kollektivvertrag vereinbarte Mindesthonorar, kritisierte Kullmann.
Kommentar: Eine Gewerkschaft der Angestellten braucht sich nicht die Bezeichnung Journalistengewerkschaft umhängen, wenn Journalist keine Berufsbezeichnung mit eigenen Konditionen im sogenannten Journalisten-KV ist. Betrachtet man Journalist und Redakteur als ein und dasselbe, weiß man, dass jegliche journalistische Mitarbeit für den Status "Journalist" oft nicht begründet ist, für Layouter und Fotografen noch weniger. "Der Österreichische Journalist" hat in seiner neuesten Ausgabe den Vorstandsvorsitzenden der Styria, Markus Mair zum Medienmanager 2020 auserkoren. Womöglich trägt der Titel der Fachzeitschrift am Besten zur Aufklärung bei, was ein Journalist ist, kann und schreibt. Interviews und OTS abtippen können auch Redakteure, Hidden Stars hätten einen besseren KV verdient.
(PA/APA/red)