Alle Marketingstrategen der Regierung können mit der Vorauswahl zum "Wort des Jahres 2020" zufrieden sein. Viele ihrer Wortschöpfungen und Akteure (Kurz, Mahrer, Blümel, Anschober) finden sich auf einer Shortlist, die von der APA-Gruppe und dem Institut für "Österreichisches Deutsch" erstellt wurde, um Online-Usern beim Voting die Qual der Wahl zu erleichtern. So gut wie alle Kandidaten zum Wort, Unwort, Spruch und Unspruch des Jahres haben Bezug zur Covidkrise. Einzig beim Jugendwort stehen ausschließlich Nicht-Corona-Wörter zur Wahl. Die Wahl zum "Wort des Jahres" erfolgte anhand der folgenden Kriterien:
Dabei spielt es keine Rolle, ob das Wort einen neutralen, positiven oder negativen Inhalt ausdrückt. Das Auswahlverfahren wurde von einer Jury getätigt, die sich aus Vertretern der Gesellschaft für Österreichisches Deutsch (GSÖD), APA-Gruppe-Mitarbeitern, einer Vertreterin des PRVA Public Relations Verband Austria und Mitgliedern der Karl-Franzens-Universität, Graz zusammensetzt. Über das Auswahlverfahren "Wort des Jahres 2020" wird auf der Seite https://oewort.at/verfahren/ informiert. Abgestimmt werden kann bis 1. Dezember, am 3. Dezember wird dann das Ergebnis präsentiert.
Die Forschungsstelle Österreichisches Deutsch der Uni Graz hat in Kooperation mit der APA - Austria Presse Agentur wieder eine Liste mit Kandidaten zusammengestellt. Insgesamt 1.935 Personen gaben für mindestens eine Kategorie einen Vorschlag ab. Somit hatte die Jury heuer die Wahl zwischen 1.720 Kandidatenwörtern und -sprüchen.
Warum die Jury genau diese Begriffe und Wörter auf die Liste setzte, und wo der österreichische Aspekt liegen soll abseits der politischen Kommunikation lässt sich nicht nachvollziehen. Als "Jugendwort des Jahres" sind gar nur englische Begriffe vorgewählt, von denen ein einziges relevant scheint: Boomer. Die Altersspektrum von "Jugend" ist klar umzäunt, denn es sollen nur Personen unter 25 Jahren an der Abstimmung "Jugendwort des Jahres" teilnehmen. Dass der frühpubertäre Wortschatz für Studenten und Studentinnen ebenso relevant sein soll wie für Teenager im Schulhof und coole Rabauken im Volksschulalter, ist ebenso verwunderlich wie die vollkommene Abstinenz von Corona-Begriffen. Als hätte die Jugend darüber nichts zu sagen.
Bei der Auswahl "Wort des Jahres 2020" und seinem Pendant, dem Unwort des Jahres, kommt die politisch eingefärbte Wortwahl stärker zum Vorschein. Wenn es keine Rolle spielen soll, ob das Wort einen neutralen, positiven oder negativen Inhalt ausdrückt, warum wird es dann zum "Unwort" respektive "Wort des Jahres" prädestiniert?
Beim "Spruch des Jahres" ist keine einzige Frau darunter, obwohl beispielsweise Beate Meinl-Reisinger immer wieder super Sprüche auf Lager hatte. In die Auswahl kam nur das männliche Geschlecht, und der Bundeskanzler gleich mehrfach vor. Dabei ist sein berühmtester Spruch gar nicht dabei, die dauerventilierte "Neue Normalität" (mit gnädiger Unterstützung von PR- und Nachrichtenagenturen) wäre sogar für den Jungendspruch bestens geeignet gewesen. "something like a new normal".
Die Selektion war sicher nicht einfach. "Babyelefant" wird zum Wort des Jahres 2020 gewählt werden, "Covid-Lockerungsverordnung" zum Unwort des Jahres. Das macht genauso viel Sinn wie 1,5 Meter auf einen Meter zu verkürzen oder Reisewarnungen für Coronapartys abzugeben. Die Wörter haben ihre Bedeutung verloren, bevor sie überhaupt gewählt wurden. Man kennst sich einfach nicht mehr aus.
Die gute Nachricht: niemand muss sich an die Vorschläge der Jury halten und kann seine eigenen Wörter, Unwörter, Sprüche und Unsprüche des Jahres abgeben und auf der Abstimmungswebsite einen "Alternativvorschlag" unterbreiten. Wie wär's mit folgender Auswahl:
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(APA/red)
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