Neujahrskonzert und Sommertänze streamen um die Welt
Das Neujahrskonzert am 1. Jänner 2021 wird in über 90 Länder weltweit übertragen, im ORF ist das Konzert ab 11.15 Uhr live in ORF 2 und Ö1 sowie als Livestream zu erleben. Die Wiener Philharmoniker spielen ihr traditionelles Neujahrskonzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, das heuer in 90 Länder übertragen wird. Aufgrund der Pandemie-Bestimmungen findet das Konzert diesmal allerdings ohne Live-Publikum statt. Bereits zum sechsten Mal am Neujahrspult steht Riccardo Muti, der eine "Botschaft der Hoffnung" in die Welt senden will. "Gerade jetzt müssen wir Hoffnung haben", so Muti am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Im Konzertprogramm dominiert wie immer Johann Strauß und Co. Die Tanzeinlagen vom Wiener Staatsballett in der Choreographie von José Carlos Martínez und in Kostümen von Christian Lacroix wurden bereits im Sommer aufgezeichnet. Die Fernsehübertragung des ORF am 1. Jänner wird mit 14 Live-Kameras für ein Weltpublikum in Szene gesetzt.
Wehmütiger Dirigent Riccardo Muti
Der Dirigent, der 2021 seinen 80. Geburtstag feiert und "seit fünfzig Jahren unser Maestro ist", wie Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer unterstrich, wird die Philharmoniker in der kommenden Saison intensiv begleiten. Bei der Entscheidung, ihn auch ein weiteres Mal mit dem Neujahrskonzert zu betrauen, war vom Coronavirus freilich noch keine Rede. "Wir haben viel diskutiert, Konzert ja oder nein", berichtete Muti. "Das Resultat war: Wir können die Musik und die Kultur nicht abschaffen."
Er wohne allein im Hotel, die Straßen rundherum seien leer, manchmal fühle es sich an wie ein Horror-Film, gab Muti zu. Und es sei seltsam, diese Musik, die in ihrer "Freude und Nostalgie" als unmittelbares Geschenk an das Publikum zu verstehen sei, vor einem leeren Saal zu spielen. "Die 'Polka schnell' ist wie ein rasanter Zug, der dann in einem Bahnhof einfährt. Da erwartet man, dass jemand dort auf einen wartet und reagiert." Doch das Orchester wisse, "dass wir mit Millionen von Menschen rund um die Welt verbunden sind. Wir schicken ihnen La Speranza, die Hoffnung".
Prävention für sichere Kultur
Das Orchester arbeitet mit einer strengen täglichen Teststrategie, abseits der Bühne werden stets FFP2-Masken getragen, dazu kommt das detaillierte Präventionskonzept des Musikverein und des ORF. "Wir nehmen diese Maßnahmen auf uns, weil wir es als großes Privileg empfinden, spielen zu dürfen", so Froschauer. "Mit diesem Privileg gehen wir verantwortungsvoll um." Im Goldenen Saal, der aktuell "mit Konzertsälen in der ganzen Welt das traurige Schicksal teilt, zu schweigen", wie Musikvereins-Intendant Stephan Pauly betonte, hatten noch im Herbst Konzerte - ebenfalls unter strengen Vorkehrungen - stattgefunden.
"Wir hatten 25.000 Gäste und keinen einzigen Covid-Fall." Die Pandemie habe die gesamte, weltweite Community der klassischen Musik in eine völlig unerwartete Krise gestürzt. "Die Schäden - die persönlichen und die der Institutionen - sind enorm und die Livemusik wird schmerzlich vermisst." Daher sei das Neujahrskonzert auch ein Signal der Hoffnung, "dass bald alle Musiker überall wieder spielen können", so Pauly.
Donauwalzer und schlaflose Nächte
Im Konzertprogramm dominiert freilich Johann Strauß und Co. Den Auftakt macht Franz von Suppé, zwischendurch erklingen Nummern von Carl Zeller, Karl Millöcker und Karl Komzak, aus der Strauß-Dynastie sind neben den traditionellen Zugaben von Donauwalzer und Radetzkymarsch auch andere populäre Stücke wie der "Frühlingsstimmen"-Walzer oder der "Kaiser-Walzer" dabei. Das Repertoire sei für einen Dirigenten alles andere als einfach, betonte Neujahrs-Veteran Muti. "Die Leute glauben, das ist einfacheMusik. Nein! Wenn du eine Mischung finden willst zwischen deinen Ideen und der Tradition, die dem Orchester innewohnt, brauchst du einen wirklich guten Piloten." Vor seinem ersten Neujahrskonzert habe er nächtelang nicht schlafen können. "Es ist schwierig, diesem Orchester mit diesem Repertoire gegenüberzutreten. Ich hatte das Gefühl, da richte ich eher Schaden an."
Die Musik sei delikat, fordernd und technisch schwierig. "Das Orchester spielt immer mit Kraft und Zuversicht, aber: so richtig entspannt man sich erst beim 'Radetzkymarsch'. Die 'blaue Donau' ist so delikat, ein kleiner Fehler ruiniert alles. Ich möchte mit dem ersten Hornisten nicht tauschen!" Auch der befreiende Radetzkymarsch wird heuer freilich anders sein, so ganz ohne Livepublikum zum Mitklatschen. "Ich wurde gefragt, wie kann man ihn ohne Applaus spielen?", so Muti. "Ich verrate ihnen etwas: Das Stück wurde ohne Applaus geschrieben!"
Tanzeinlagen vom Wiener Staatsballett
Die beiden Tanzeinlagen in der Choreographie von José Carlos Martínez und in Kostümen von Christian Lacroix zu Josef Strauß' Margherita-Polka und zum Walzer Frühlingsstimmen von Johann Strauß Sohn entstanden bereits Ende August in Wien im Gartenpalais Liechtenstein sowie im Looshaus - einem der zentralen Bauwerke der Wiener Moderne, produziert vom ORF.
Es tanzen Liudmila Konovalova, Ketevan Papava, Alice Firenze, Sveva Gargiulo, Eszter Ledán, Denys Cherevychko, Davide Dato, Masayu Kimoto, Roman Lazik und Zsolt Török.
Ende August 2020 entstanden die beiden Tanzeinlagen des traditionell vom ORF produzierten Neujahrskonzertballetts. Diese wurden in den prunkvollen Räumen und Anlagen des Gartenpalais Liechtenstein, sowie im Looshaus - einem der zentralen Bauwerke der Wiener Moderne, geschaffen von Adolf Loos - mit zehn Solistinnen und Solisten des Wiener Staatsballetts aufgezeichnet. Die Choreografie stammt, wie im Vorjahr, zum zweiten Mal vom Spanier José Carlos Martínez. Die Kostüme zu beiden ORF-Ballettstücken hat - nach 1998 und 2000 - zum dritten Mal der französische Modeschöpfer Christian Lacroix entworfen. Getanzt wurde zu Josef Strauss? "Margherita-Polka", op. 244, die erstmals bei einem Neujahrskonzert zu hören ist. Dabei kamen die Tänzerinnen Alice Firenze, Sveva Gargiulo und Ketevan Papava sowie der Tänzer Davide Dato zum Einsatz.
Das zweite Ballett wurde zum Walzer "Frühlingsstimmen", op. 410, von Johann Strauss Sohn aufgeführt. Dazu tanzten die vier Paare Liudmila Konovalova und Denys Cherevychko, Ketevan Papava und Roman Lazik, Alice Firenze und Masayu Kimoto sowie Eszter Ledán und Zsolt Török. Regie führte auch hier bereits zum dritten Mal Konzertregisseur Henning Kasten. Im Bild: Sveva Gargiulo, Davide Dato, Ketevan Papava, Alice Firenze
Fernsehübertragung mit 14 Kameras
Ein Fernsehevent war das Neujahrskonzert freilich schon lange. 1995 fand die erste ORF-Übertragung statt, erst jüngst wurde der Kooperationsvertrag, der auch das Sommernachtskonzert Schönbrunn umfasst, bis ins Jahr 2027 verlängert. "In dieser langen Reihe wird aber dieses Neujahrskonzert einzigartig sein", so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. "Ich bin im Namen von Millionen von Fernsehzuschauern dankbar, die dieses starke Hoffnungssignal empfangen werden. In so vielen Ländern können Kulturereignisse nicht stattfinden. Da ist es umso schöner, dass aus Wien und in dieser Qualität die Herzen von Musikliebhabern in der ganzen Welt erhellt werden."
Ab 11.15 Uhr ist das musikalische Großevent live in ORF 2 zu sehen, respektive auf Ö1 zu hören. Die Oberhoheit über die 14 Kameras der Fernsehübertragung hat 2021 bereits zum dritten Mal Henning Kasten. Für den Kommentar sorgt indessen wieder Barbara Rett. Und damit die Philharmoniker im Saal nicht gänzlich auf Applaus verzichten müssen, setzt der ORF diesesmal auf interaktive Ovationen. So hat man unter www.mynewyearsconcert.com eine Plattform aufgesetzt, mittels derer registrierte Zuschauer ihren Applaus am Ende beider Konzertteile live abgeben können. Dieser wird durch 20 Lautsprecher in den Goldenen Saal des Musikvereins eingespielt. Auch können Interessierte hier vorab ein Foto ihrer Begeisterung hochladen. EineAuswahl der besten Aufnahmen wird dann während des Applauses eingeblendet.
ORF feiert Neujahrskonzert
Zugleich belässt es der ORF nicht bei der schieren Konzertübertragung, sondern flankiert das in fast 100 Länder weltweit übertragene Konzert thematisch. So beginnt der Neujahrstag in ORF 2 zur Einstimmung um 10.35 Uhr mit einer Reportage unter dem Titel "Auftakt zum Neujahrskonzert 2021". Neben diesem Blick hinter die Kulissen gibt es gegen 11.50 Uhr auch wieder einen Pausenfilm. Dieser ist heuer aus Anlass des 100-jährigen Bestehens dem kleinsten Bundesland gewidmet - unter dem sprechenden Titel "Happy Birthday, Burgenland!".
Einen weiteren Jahresjubilar würdigt man mit den von Jose Carlos Martinez choreografierten Balletteinlagen während des Konzerts. Diese wurden heuer auch im Looshaus gedreht, um an den 150. Geburtstag dessen Erbauers Adolf Loos zu erinnern. Die zehn Solistinnen und Solisten des Wiener Staatsballetts sind dabei in Roben von Christian Lacroix gewandet.
Wer all das nach durchzechter Nacht lieber ausgeschlafen erlebt, für den gibt es drei Wiederholungen. ORF III zeigt das Neujahrskonzert noch am Abend ab 20.15 Uhr für Langschläfer. 3sat folgt gar erst am 2. Jänner um 20.15 Uhr und ORF 2 legt in der "matinee" am 6. Jänner ab 10.05 Uhr nach.
(APA/red)