Online-Lexikon: Fakten über Wikipedia für Schulaufsatz

Jede Geschichte braucht eine Einleitung, auch wenn man heutzutage bekanntlich schneller auf den Punkt kommen soll. Um diesen erst einmal zu finden, braucht es valide Informationen, vertrauenswürdige Quellen und ein Lexikon. Nachschlagewerke als dicke, in Leder gebundene Bücher sind nicht ausgestorben, auch 20 Jahre nach der Gründung der Online-Enzyklopädie Wikipedia nicht. Doch während die klassischen Lexika nur noch in wenigen Haushalten zu finden sind und dort oft genug in den Bücherregalen verstauben, begleitet Wikipedia die Nutzer im Alltag. So schauen sich einer Studie zufolge zumindest Menschen in den reicheren Industriestaaten (OECD) im Durchschnitt neun Wikipedia-Artikel pro Monat an. Rund 90 Prozent der Autoren auf Wikipedia sind Männer. Nachstehend einige Fakten zum Online-Lexikon Wikipedia – auch geeignet für Referat, Schulaufsatz oder Diplomarbeit.

Hello World

Der wichtigste nicht-kommerzielle Dienst der Internet-Geschichte begann am 15. Jänner 2001 wie so viele Online-Projekte mit dem Gruß der Programmierer: "Hello World". Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales tippte die beiden Worte in eine neue Wiki-Software ein, die einen schnellen Aufbau eines Online-Lexikons ermöglichen sollte.

Der Mann aus den Südstaaten der USA hatte schon kurz nach dem Studium an den aufblühenden Finanzmärkten Geld genug gemacht, um ein sorgenfreies Leben führen zu können. Mit zwei Partnern gründete er 1996 die Firma Bomis, die ähnlich wie Yahoo einen Webkatalog pflegte. Zum Angebot von Bomis gehörte auch "The Babe Engine", eine Suchmaschine für Bilder von spärlich bekleideten Frauen.

Digitale Enzyklopädien sollen von den neuen Regeln gegen Hass im Netz nicht erfasst werden.

Digitale Enzyklopädien sollen von den neuen Regeln gegen Hass im Netz nicht erfasst werden | © APA/MacDougall

Online-Nachschlagewerk

Wales verfolgte aber auch schon damals den Plan, ein Online-Nachschlagewerk aufzubauen. Der erste Ansatz für "Nupedia" war ganz klassisch. Mit Larry Sanger stellte Wales im Jahr 2000 einen Chefredakteur ein. Dieser sollte Beiträge bei Experten bestellen und für die Veröffentlichung sorgen. Doch der festgelegt siebenstufige Review-Prozess erwies sich als teuer und ineffizient. Es wurden viel zu wenige Artikel veröffentlicht, im ersten Jahr nur 21.

Enzyklopädie im Internet

Das Experiment mit der Wiki-Software war eigentlich nur als ein Sammelbecken gedacht, wo die ersten Ideen für die Online-Enzyklopädie im Internet zusammengetragen werden sollten, sagt der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch, der über Wikipedia geforscht hat. "Aber sehr schnell zeigte sich dann, dass dieses Sammelbecken das eigentlich Spannende war. Denn während die eigentlich ursprünglich von Wales geplante Enzyklopädie sehr schnell scheiterte, entwickelte sich Wikipedia rasant, zog eine große Zahl von freiwilligen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden an und hatte innerhalb von Wochen schon Tausende von Artikeln produziert."

Sanger verließ Wikipedia Anfang 2003 und sagte in einem Interview, er habe die Nase voll von den "Trollen" und "anarchistischen Typen", die "gegen die Idee sind, dass jemand irgendeine Art von Autorität haben sollte, die andere nicht haben". Doch diese Kritik konnte den Aufstieg nicht verhindern: 20 Jahre nach der Gründung gibt es mehr als 55 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen, verfasst von unzähligen Freiwilligen.

55 Millionen Artikel online

Im Buch "Wikipedia-Story" des langjährigen Insiders Pavel Richter lobt Wikipedia-Mitbegründer Wales dabei die Rolle der deutschsprachigen Community: "Kurz nachdem wir die deutsche Wikipedia gestartet haben, stellte sich heraus, dass die Deutschen offenbar ein besonderes Verhältnis zur Idee hinter Wikipedia haben. Denn wie sonst ließe sich erklären, dass Deutsch zwar auf der Liste der am häufigsten gesprochenen Sprachen weltweit nur auf Platz 13 steht, die deutsche Wikipedia aber die viertgrößte aller Ausgaben ist?"

Wenn nur die Artikel von menschlichen Autorinnen und Autoren gezählt würden, läge die deutsche Wikipedia sogar direkt hinter der englischen Ausgabe an der Spitze. Die Versionen auf Platz zwei (Cebuano, eine auf den Philippinen gesprochene Sprache) und drei (Schwedisch) wurden nämlich mit Texten von umstrittenen Software-Robotern des Schweden Lars Sverker Johansson aufgeblasen.

Werbung gibt es nicht

Die deutschsprachige Community hat auch stark dazu beigetragen, dass sämtliche Ideen einer Kommerzialisierung der Wikipedia verworfen wurden. "Niemand wurde durch sie zum Milliardär, Werbung gibt es nicht", stellt Richter fest, der von 2011 bis 2014 Vorstand und Geschäftsführer der deutschen Wikimedia-Fördergesellschaft war. Zunächst sei die Wikipedia nur als ein Internetprojekt von ein paar Nerds angesehen worden. Etablierte Nachschlagewerke hätten sie zunächst ignoriert, schließlich heftig bekämpft.

Wikimedia Foundation zahlt

Die renommierten Lexika hat Wikipedia aber seit Jahren hinter sich gelassen. Nach 244 Jahren gab der Verlag der Encyclopaedia Britannica 2012 bekannt, dass diese nur noch digital erscheint.
Zwei Jahre später zog der Brockhaus - der hierzulande das Maß aller Nachschlagewerke war - nach. Wikipedia kommt dagegen mit vergleichsweise kleinen Summen aus: Die Wikimedia Foundation, die die Infrastruktur des Online-Lexikon finanziert und mehr als 100 Programmierer bezahlt, nimmt jährlich über 120 Millionen Dollar an Spenden ein. Der deutsche Förderverein Wikimedia Deutschland verfügt mit über 80.000 Mitgliedern über einen Jahresetat von rund 18 Millionen Euro.

Berühmte Fehlleistungen

Wie alle Medienprojekte, an denen Menschen mitarbeiten, ist Wikipedia nicht fehlerlos. So wurde erst nach Jahren entdeckt, dass der Rhein nicht 1320 Kilometer lang ist, sondern nur 1230 Kilometer. Der Zahlendreher stand zuvor aber auch in gedruckten Lexika. Gravierender sind Fehlleistungen wie die falsche Behauptung, dass in einem deutschen Konzentrationslager in Warschau 200.000 Polen vergast worden seien. Es gibt zwar keinen Zweifel, dass es das Konzentrationslager Warschau gegeben hat, dieses war aber kein Vernichtungslager, wie 15 Jahre lang in der englischen Wikipedia zu lesen war. "Es bleibt ein dunkler Schatten auf der Geschichte der Wikipedia, in diesem zentralen Fall über einen so langen Zeitraum versagt zu haben", schreibt Richter.

Immerhin ist der Beitrag um das Warschauer Lager auch ein Beweis, dass bei wichtigen Wikipedia-Artikeln früher oder später die Qualitätskontrolle doch funktioniert. Wikipedia-Forscher Dobusch sieht das Fehlerrisiko bei kleinen Beiträgen höher als bei großen Themen: "Wenn ich die Wikipedia benutze, dann muss mir bewusst sein, dass die Wikipedia umso vertrauenswürdiger ist, je populärer und wichtiger ein Thema ist. Denn das bedeutet, dass mehr Menschen sich dafür interessieren, mehr Menschen diese Artikel lesen, drüberschauen oder Fehler beanstanden und korrigieren."

Qualitätssicherung durch Männer

Mitbegründer Wales betont oft, dass funktionierende Wikipedia-Communities die Voraussetzung für eine Qualitätssicherung seien: "Communities, in denen die Mitglieder respektvoll und freundlich miteinander umgehen; Communities, die offen sind für Menschen aus jeder Religion, jeden Geschlechts, jeder politischen Ausrichtung und jeder sozialen Herkunft." Allerdings kommt Wikipedia bei dieser Herausforderung seit Jahren nicht von der Stelle. Rund 90 Prozent der Autoren sind Männer, die meisten von ihnen aus westlichen Industrienationen. Und nicht wenige meinen, dass die Diskussionskultur in der Wikipedia-Gemeinde stark verbesserungswürdig sei.

Gegenmodell zu Social Media

Ein Impuls für die Zukunftsfähigkeit von Wikipedia kommt aus der deutschsprachigen Community, nämlich Wikidata. "Das ist die Idee hinter Wikipedia nur für maschinenlesbare Wissensdatenbank", erläutert Richter in einem Gespräch mit der dpa. Die Zukunft werde der künstlichen Intelligenz gehören. "Darin sind sich eigentlich alle einig." Mit Wikidata werde eine große und wichtige Basis, nämlich strukturiertes maschinenlesbares Wissen, von Anfang an auf eine gemeinnützige Basis gestellt und durch die Kraft einer starken Community getragen. "Das bedeutet, dass wir als Gesellschaft nicht in die Abhängigkeit von Google, Facebook und Alibaba und anderen Internetriesen kommen."

Von Christoph Dernbach/dpa