Der ORF-Redakteursrat hat gegen die aus seiner Sicht "fragwürdige Entlassung" eines Vorarlberger Redakteurs wegen eines Verstoßes gegen interne Coronavirus-Vorschriften protestiert. Die Maßnahme sei "völlig überzogen", hieß es in einer Aussendung. Weil es sich um einen Belegschaftsvertreter handelt, sei zudem eine "Racheaktion" nahe liegend. Der Betroffene langjährige ORF-Redakteur für Kulturthemen habe sich nämlich in seiner Funktion als gewählter Redakteurssprecher für den Erhalt der Kultursendung auf Radio Vorarlberg stark gemacht. Laut Einschätzung des Redakteursrats hat er sich damit den Unmut des verantwortlichen Landesdirektors zugezogen, deshalb wurde er entlassen.
Offenbar soll aber auch "ein Exempel an einem engagierten Belegschaftsvertreter statuiert" werden. Denn wer wird sich noch für die Anliegen der Redaktionen einsetzen, wenn dann in ganz anderem Zusammenhang Gründe für eine Entlassung derart konstruiert werden, fragte die Redakteursvertretung. Daher habe die Entscheidung auch weitreichende Folgen. Werden nämlich mit "fadenscheinigen Begründungen willkürliche Entlassungen ausgesprochen", so erzeugt dies ein "Klima der Angst", womit die Freiheit der journalistischen Tätigkeit "schwer beeinträchtigt" wäre, so die Argumentation.
Der ORF-Redakteur wurde Ende März fristlos entlassen. Er soll im Landesstudio Dornbirn die Corona-Isolationszone und dort einen Senderaum betreten haben, obwohl er nicht zum isolierten Team zählte. Laut dem Redakteursrat musste er das Radio-Studio aber betreten, um seine Dienstpflicht zu erfüllen. Der ORF-Mitarbeiter geht gegen seine Entlassung vor dem Arbeitsgericht Feldkirch vor.
Der ORF hat unterdessen von einem "Fehlverhalten" des Betroffenen gesprochen. In einem der APA übermittelten Statement heißt es: "Der Landesdirektor des ORF-Vorarlberg hat das Fehlverhalten des Mitarbeiters berichtet und Maßnahmen vorgeschlagen, die vom ORF nach Prüfung umgesetzt wurden."
Die Regeln, deren "lückenlose" Einhaltung gefordert wurde, dienten zur "Sicherstellung eines sicheren Sendebetriebes", hieß es. Darüber hinaus werde der ORF zum laufenden Verfahren nicht Stellung nehmen.
(APA)
Kommentar: Als vor einem Jahr und länger die gesamte Medienbranche hinter dem ORF stand, und sogar Armin Wolf in Schutz nahm, war die Berichterstattung für eine kurze Phase ausgewogen und zutiefst journalistisch geprägt. Seit Corona-Krise und Show-Quarantäne für ORF-Moderatoren (ergo Nachrichtensprecher) hat sich das (Zeit im) Bild gewandelt. Der Begriff "Regierungsfunk" taucht zwar nicht mehr auf, wäre aber passender denn je. Ob im Nachmittagsprogramm für PensionistInnen, in Corona-Sonderprogrammen oder in hochoffiziellen Nachrichtensendungen: die Message-Control wirkt.
Wenn Herr Oberhauser meint, jetzt dürfen die Enkerl wieder auf Besuch kommen, stimmt das natürlich. Dass es nie verboten war, wird verschwiegen. Wenn ZIB-Moderatorin Bernhard und Kollege im Gleichklang flöten: "So machen wir das weiter", dann sind Nachrichtenregisseure am Werk, die ihren Sprechern (*Journalisten?) klare Anweisungen geben. Dass in so einem Klima sogar Redakteure gefeuert werden, die den eigenen Betrieb und die eigene Handhabung der Regeln hinterfragen, ist kein gutes Zeichen für die Unabhängigkeit des Journalismus – unter einer grünen Regierungsbeteiligung ist es ein Armutszeugnis.
Seit HC Strache sein Comeback auf der Krone-Titelseite gefeiert hat, scheint eines klar: die Pressefreiheit nimmt wieder ab und sie wird von Innen heraus kompromittiert: den Super-Chefredakteuren, den Super-Verlegern, den Super-Geschäftsführern. Der unabhängige Journalist ist für sie reine Illusion und nicht einmal ein Kürzel wert. Das böse Erwachen gab es nun auch für einen Vorarlberger ORF-Redakteur, der sein Maul zu weit aufriss und formell betrachtet sicherlich auch schwere Fehler beging.
Als Redakteurssprecher stand ihm eine APA-Meldung zu. Oder wohl eher der "Gewerkschaft", die ihm mit dieser Meldung einen Bärendienst erwiesen hat. Hoffentlich bekommt der Mann rasch seinen Job zurück, was bei diesem Entlassungsgrund (Gesundheitsgefährdung nach Corona-Regeln) aber unwahrscheinlich ist. Nach zwei Jahren ist der Fall vor dem Arbeitsgericht gelöst, ein paar Tausender extra aufs Konto des Geschädigten und die Journalistenkarriere für immer dahin.
(red)
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