ORF-Stiftungsrat diskutiert zum Wohl der Konkurrenz
Der Stiftungsrat setzt sich in seiner heutigen letzten Sitzung des Jahres unter anderem mit dem Finanzplan für das kommende Jahr sowie der Strategie bis 2025 auseinander. Sorgen bereitet dem von den Grünen entsandten Stiftungsrat Lothar Lockl der Vormarsch internationaler IT-Konzerne. "Der österreichische Medienstandort und der unabhängige Journalismus sind aufgrund neuer technologischer Entwicklungen in massiver Gefahr", sagte er im Gespräch mit der APA.
Grüne Schützenhilfe für neues ORF-Gesetz
Die Auswirkungen der Digitalisierung seien in Österreich lange unterschätzt worden. "Das gilt auch für den ORF, wo sicher auch vieles verschlafen worden ist", so Lockl. Es brauche nun dringend die gesetzlichen Änderungen, um dem ORF weitere Digitalisierungsschritte zu ermöglichen. "Da geht es nicht um Kosmetik, sondern darum, sich völlig neu aufzustellen." Der "innerösterreichische Kleinkrieg" darüber müsse beendet werden. Bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen dürfe es weniger darum gehen, "wo kann ich etwas beschränken, sondern was kann ich ermöglichen". "Beenden wir diesen Provinzstreit", appellierte Stiftungsrat Lothar Lockl an die österreichischen Medien. "Die IT-Giganten sind auf der Überholspur und scheren sich nicht um diese Nabelschau."
Aufheben von Werbeschranken
Der ORF müsse auch ohne neues Gesetz alles tun, um die Digitalisierung voranzutreiben, betonte ÖVP-"Freundeskreisleiter" Thomas Zach im Gespräch mit der APA. "Digitalisierung erst zu machen, wenn wir die bestmöglichen gesetzlichen Rahmenbedingungen haben, heißt, sie zu verschlafen", sagte er.
Sowohl für das heurige als auch für das nächste Jahr erwartet der ORF ein ausgeglichenes Ergebnis. Erfreulicherweise sei die Werbewirtschaft nicht so stark eingebrochen, wie es sich im Frühjahr abgezeichnet habe, sagte Zach. "Es verdient große Anerkennung, was die Mitarbeiter in diesem Jahr geleistet haben. Das hat dazu beigetragen, dass wir das Krisenjahr gut überstanden haben."
Erschließung digitaler Vertriebskanäle
Generaldirektor Alexander Wrabetz legt den Stiftungsräten im Rahmen der Sitzung außerdem die ORF-Strategie bis 2025 zum Beschluss vor. "Es geht um die Zukunftsfahrt Richtung digitaler Plattform", sagte Zach. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass die klassischen Vertriebskanäle ebenfalls im Fokus bleiben und weiterentwickelt werden. Weiterer Kernpunkt sei die Konzentration auf das Publikum.
SPÖ leistet Treueschwur
Eine möglichst große Zustimmung zum Strategiepapier sieht SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Heinz Lederer als entscheidend an. Das Papier habe "Hand und Fuß", sagte er zur APA. Es brauche nun rasch eine gemeinsame Anstrengung sowohl auf Seiten des ORF als auch auf Seiten der österreichischen Printmedien, um das Digitalpaket festzuzurren. "Sonst wird der Abfluss an Werbemitteln gigantisch sein", warnte auch er. Das heurige Jahr sei zum Glück doch noch gut verlaufen, was sowohl der ORF-Enterprise als auch den Programmmachern zu verdanken sei. In den kommenden Jahren dürfe der Fokus allerdings nicht auf "sparen, sparen, sparen" liegen, sondern es brauche etwa auch eine Diskussion um die Gebührenrefundierung.
Aufgrund der Coronakrise tagen die Mitglieder des Gremiums via Skype. Für den von den Neos entsandten Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner ist es die letzte Sitzung. Haselsteiner kündigte vor zwei Wochen an, seinen Sitz im Gremium im Lauf des Dezembers zurückzulegen. Nächste Wochen wollen die Neos seine Nachfolge präsentieren.
Kommentar: Privatmedien auf digitalen Kanälen das Werbegeschäft streitig zu machen, scheint die eigentliche Agenda der vereinigten Freundeskreise zu sein. Dieser Fight wurde vor kurzem noch unter dem Hashtag "ORF-Player" ausgefochten. Mit Riesenbudgets für Regierungskommunikation soll den konkurrierenden Medienanbietern wohl auch ihre Zustimmung abgekauft werden.
Meinung: Private Medienanbieter sollen ihr Ass aus der Hand zu geben und gegen vier Buben eintauschen. ORF-Gebühren plus uneingeschränkte Werbemöglichkeiten würde das Aussterben von unabhängigen Journalismus eher beflügeln statt abwenden. Die Marktdominanz des ORF ist ohnehin schon gigantisch. Die letzten Brosamen am Werbekuchen sollte man den Privatmedien überlassen. Es ist kein "Glück", dass der ORF keine nenneswerten Verluste in der Corona-Krise erleidet, sondern knallharte Berechnung. Virtueller Applaus kostet eben weniger als echter.
(APA/red)