Medien

Schluss gemacht mit ORF-Liebesgschichten von T. Spira

© ORF/Cosmos Factory/Peter Kasperak

Nina Horowitz sei eine “Idealbesetzung” für die Sendung, meinte ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl im Oktober vergangenen Jahres, als Nina Horowitz Nachfolgerin von Elizabeth T. Spira sein wollte. Im Abspann der ersten Folge von "Liebesgschichten und Heiratssachen" scheint der kunstsinnige ORF-Mann ebenso auf, wie die Interviewerin und Casting Director Sharon Nuni. Am 6. Juli flimmerte das ORF-Erfolgsformat zum ersten Mal unter der neuen Regie über die Bildschirme. Eine Jahrzehnte dauernde Liebesgeschichte voller Feingefühl, Respekt und Empathie für den Partner fand an diesem Tag ein trauriges Ende.

Nina Horowitz leitet die Sendung "Liebesgschichten und Heiratssachen" | © ORF/Roman Zach-Kiesling

Elizabeth T. Spira wird vermisst

Trauriger als das Ableben von Elizabeth T. Spira kann ein Stück Talk Tv von der ORF-Family nicht sein. Kritik an der ersten Sendung von "Liebesgschichten und Heiratssachen" scheint auf den ersten Blick gar nicht angebracht. Der Sendungsaufbau hat sich kein bisschen verändert. Singles stellen sich vor, ein alter Schlagersong, kleine Lebensbeichten und knappe Zwischenfragen aus dem Off. Sechs mal hintereinander geht das so, dann kommt der Abspann und der Aufruf zum Mitmachen. Ein einfaches Storyboard und watscheneinfach zu kopieren.

Talk TV statt Wega Film

Insider wissen natürlich, dass die einfachen Rezepte immer die schwierigsten sind, und kennen jene Menschen aus der Film/TV Branche, die das können. Auch wer sich nicht kennt, merkt bereits am Namen der Firmen Talk TV und Wega Film, dass es sich um zwei unterschiedliche Gattungen handelt. Talk TV produziert Talk Shows fürs TV, unter anderem die Barbara Karlich Show oder die Late Night Posse mit Peter Klien "Gute Nacht Österreich". Die Wega Film hat eine beeindruckende Liste an Dokumentationen, Kinofilmen und Fernsehfilmen vorzuweisen und ist seit Jahrzehnten ein Garant für filmische Qualität. Nomen est omen.

Sharon Nuni verantwortet ORF-Kuppelsendung "Liebesg'schichten und Heiratssachen" redaktionell | © ORF/Roman Zach-Kiesling

Das letzte Schäuferl

Von 2013 bis 2019 produzierte Elizabeth T. Spira mit der Wega Film die Liebesg'schichten. Ihre Arbeitsweise folgte den Regeln des Dokumentarfilms. Nach den Filmschulbüchern der damaligen Zeit durften Menschen nur dokumentiert, und das Geschehen ja nicht beeinflusst werden, Das wird Studenten an Filmschulen auch heute noch eingetrichert. Weil jeder Dokumentarfilmer auch ein verkannter Filmregisseur ist, wird der Gestaltung des Dokumentarfilms hohe Aufmerksamkeit geschenkt und vom Macher eine eigene Note verliehen..

Weil die Beeinflussung des Geschehens durch stilistische Mittel im Genre Dokumentarfilm verpönt ist, werden kreative Ausdrucksformen in der Filmgestaltung nur sparsam eingesetzt. Spira ging mit dem Einsatz von Musik, Zwischenschnitten und kleinen Aufführungen, die sie den Protagonisten abverlangte, ans Limit des Möglichen. Den Drahtseilakt konnte nur sie bewältigen, weil sie die Grenzen kannte und das Filmhandwerk erlernt hat.

Deshalb gebührt Elizabeth T. Spira so hoher Respekt für ihre Arbeit. Ob bei den Alltagsgschichten oder den Liebesgschichten – sie schaffte es, die Regeln einzuhalten und Menschenportraits zu zeichnen, die sich den Vorwurf  von "Sozialpornografie" nicht gefallen lassen mussten.

Relaunch der Marke Liebesg'schichten geglückt

Unterschiede zwischen Dokumentation, Real Satire und Trash TV interessieren heute niemanden mehr. Genau so wenig, ob ein Cornetto anders schmeckt als vor 20 Jahren, solange die Form an die gewohnte Kost erinnert. Das Format von  Liebesg'schichten und Heiratssachen unter der Regie von Nina Horowitz hat sich wie versprochen nicht geändert, aber die Zutaten schmecken anders. Die erste Sendung hinterließ einen künstlichen Nachgeschmack.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel

Der Hit von Conny Froboess wurde bei der ersten Folge von Liebesg'schichten und Heiratssachen mit Horowitz noch nicht angespielt, aber wird 100-prozentig in einem der kommenden 54 Porträts partnersuchender Singles auf ORF 2 zu hören sein. Bei der ersten Ausgabe wurden Musikstücke von Frank Sinatra, Roy Black, Hildegard Knef, Supremes und Modern Talking gespielt. Man erinnert sich.

Spanische Orangen

Beim Einsatz der Musiktitel hörte man die ersten Misstöne heraus, die eine Spira niemals zugelassen hätte. Beim Porträt von Luzia wurde der Song "That's Life" von Sinatra beinahe zur Gänze gespielt. Die Montage orientierte sich am 4/4 Takt der Songs. Ein Schnitt war ein böser Einschnitt in die Menschenwürde. Der authentischste und passendste Song der Sendung wurde nicht von Talk TV ausgesucht, sondern von Teilnehmer Manfredo aus der Steiermark.

Urbane Mythen und falsches Interesse

Klaus Kinsky hat gesagt: Wer mich beleidigt, bestimme ich. Stimmt insofern, als dass es keine nachweisbare Quelle für diesen Ausspruch gibt. Wer einen Vogel von einem Papagei nicht unterscheiden kann, sollte keine Dokumentarreihe übernehmen und sie von Trash TV Produzenten in die Lächerlichkeit ziehen lassen. Nina Horowitz hat ihren Attitude in wenigen Sätzen vorgestellt. Mit einer Reihe von pointierten Fragen hat sie deutlich gemacht, warum "Am Schauplatz"-Moderation noch lange keine "Am Schauplatz"-Recherche ist.

  • Was essen Sie den immer in der Pizza Milano
  • Nehmen sie dem Papagei einen Schlutzkrapfen mit?
  • Wie war das Pantscherl mit Roy Black?
  • Wieso sind Sie in dieser Sendung gelandet?
  • Bitte drücken sie sich so aus, dass ihre Frau Mama nicht errötet
  • Also am Hintern schauen sie schon, das geben sie zu?
  • Wieso sind sie Single?
  • Sie sind kein junger Hüpfer mehr

(red)

Veröffentlicht von
Redaktion

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