Verfeinerte Analyse bringt Wien leichte Übersterblichkeit

Seit Ausbruch der Coronakrise in Österreich waren mit Stand Montag, 11. Mai exakt 591 Personen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. In der Millionenstadt Wien wurden 144 Todesfälle bestätigt. Eine Analyse der Statistikbehörde (MA 23) kam zum Schluss, dass bislang nicht mehr Menschen als üblich in Wien gestorben sind. Laut MA-23-Chef Klemens Himpele gab es trotz Corona im Jahr 2020 bisher "keine Übersterblichkeit in Wien".

Übersterblichkeit in Wien verfeinert

Pro Jahr sterben in Wien 300 pro Woche – das sind etwa 16.000 bis 17.000 Menschen. Aufgrund von Grippewellen oder Hitzeperioden schwankt die Zahl der Todesfälle stark. Diese Schwankungen werden in der Übersterblichkeitsanalyse der Stadt berücksichtigt. Daraus ergibt sich eine definierte Bandbreite von erwarteten Todesfällen für jede Woche im Jahr.

Trotz Corona wurde in diesem Jahr bis einschließlich 26. April in der Altersgruppe 65 plus noch keine Auffälligkeit festgestellt. Die Zahl der Todesfälle lag etwa von 6. bis 19. April im oberen Bereich der Bandbreite: Überschritten wurde diese aber nicht. In der Altersgruppe 0 bis 64 trat seit dem Jahr 2015 in keiner Woche Übersterblichkeit in Wien auf.

Das waren die Erkenntnisse vom 11. Mai. Am 28. Juni hat sich das Blatt um die Sterblichkeitsstatistik gewendet, auch wenn die Kehrseite nicht viel anders aussieht. Nun gibt es eine "leichte Übersterblichkeit" in Österreich, wie MA-23-Chef Klemens Himpele einräumte. Im Ecowin Verlag hat Himpele vor kurzem ein Buch veröffentlicht, das Einblicke in die Erhebung von statistischen Daten und deren Auswertung gibt.

Krisenmanagement auf dem Prüfstand

Angesichts solcher Erkenntnisse und betreffend der Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus wird das Krisenmanagement der Wiener Stadtregierung. Magistratsbehörden und Ministerien allgemein hinterfragt. Vor allem die Oppositionsparteien FPÖ Wien und HC Strache äußerten sich in den letzten Gemeinderatssitzungen skeptisch. Sie vermuten politisches Kalkül auf Regierungsebene, um die Achtsamkeit der Bevölkerung für die Virusgefahr aufrecht zu halten.

Kleine Korrekturen notwendig

Die Ergebnisse der Statistikbehörde im Mai passen tatsächlich nicht ins Bild vom heutigen Wien knapp zwei Monate später. Ampeln an den Städtischen Bädern, Mundschutz in der U-Bahn und Verständnis für Linke Demonstranten passen nicht so recht in eine Coronakrise, die ohne höhere Sterblichkeit ihr Auskommen finden muss. Die Wiener Stadtregierung findet eine Lösung und wendet eine verfeinerte Methodik an. Ein Update am 28. 6. 2020 auf der Wien 1x1 Website gibt Auskunft über die Headline

Leichte Übersterblichkeit verzeichnet

Zwei Monate nach Start des Mortalitätsmonitorings haben wir die Analysemethode verfeinert: Bei der Berechnung der Prognosebänder auf Grundlage der Vorjahre wird jetzt auch die steigende Lebenserwartung (neben der sich ändernden Bevölkerungsstruktur und der Saisonalität des Sterbegeschehens) berücksichtigt. Für Wien bedeutet die geänderte Methodik leicht veränderte Ergebnisse: im Zuge der Grippewelle kam es im Jänner während einer Woche zu Übersterblichkeit. Am Höhepunkt der COVID-19-Pandemie liegen die Sterbezahlen allerdings weiterhin innerhalb des Prognosebandes (am oberen Rand).

Neue Erkenntnisse zu Übersterblichkeit in Österreich

Das Coronavirus hat auf dem Höhepunkt seiner Ausbreitung in Österreich zu einer leichten Übersterblichkeit in der Altersgruppe ab 65 Jahren geführt. In den Kalenderwochen zwölf, 14, 15 und 16 lag die Zahl der Todesfälle etwas außerhalb der erwarteten Bandbreite, errechnete die Landesstatistik Wien (MA 23). „Österreich ist aber bisher gut durch die Krise gekommen“, sagte MA-23-Chef Klemens Himpele zur APA.

In der Kalenderwoche 15 (6. bis 12. April 2020) hatte es in Österreich 1.545 Todesfälle in der Altersgruppe 65 plus gegeben. Die erwartete Bandbreite wurde jedoch mit 1.272 bis 1.462 Toten errechnet, zeigen die Daten der Landesstatistik Wien.

"Ich nehme an, dass das die Grippe ist"

Auch in der Kalenderwoche fünf (27. Jänner bis 2. Februar) – also vor dem Bekanntwerden der ersten Covid-19-Fälle in Österreich – gab es nach den Daten der MA 23 eine leichte Übersterblichkeit in Österreich. „Ich nehme an, dass das die Grippe ist“, sagte Himpele. Bei der Übersterblichkeit rund um die Kalenderwoche 15 sei es "naheliegend", dass diese auf das Coronavirus zurückzuführen ist, da das "die Hochphase von Covid-19" in Österreich war, so der Experte.

Klemens Himpele - Statistisch gesehen - ISBN-13 9783711002495 / 216 Seiten / 14.5 x 21.0 cm / Ecowin

Klemens Himpele - Statistisch gesehen - ISBN-13 9783711002495 / 216 Seiten / 14.5 x 21.0 cm / Ecowin

Über Klemens Himpele

Himpele ist nicht nur Chef der Wiener Statistikbehörde (MA 23), sondern Buchautor und Befürworter logischer Rückschlüsse anhand statistischer Daten. In der zweiten Märzwoche 2020 erschien sein Buch "Statistisch gesehen: Echte Zahlen statt halber Wahrheiten aus Österreich und Deutschland" im Ecowin Verlag. Klemens Himpele korrigiert in seinem Sachbuch "Statistisch gesehen" auf unterhaltsame Weise unser Bild von Daten und Fakten. Wenn er über die Pest und die Spanische Grippe berichtet, und klar wird, dass die Menschen damals keine 30 Jahre alt wurden, wird schnöde Wissenschaftsstatistik mit einem Mal leicht begreiflich. In seinem Buch "Statistisch gesehen" geht Himpele auch auf die Frage ein, warum mit Daten sorgsam umgegangen werden muss, und Statistik als wichtige Basis des demokratischen Diskurses dient.

Den anderen Teil der Wahrheit und die echten Zahlen gibt es im Buch zu lesen

(APA/red)