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Viennale Trailer von Regisseur Radu Jude macht ratlos

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© Radu Jude

Der Trailer für die 62. Viennale (17. bis 29. Oktober) fällt schlicht und beschwingt aus. Er stammt von Regisseur Radu Jude, dessen Werke regelmäßig zur Aufführung kommen und heuer wieder dabei ist. Einen Vorgeschmack lieferte er mit dem Viennale Trailer 2024. Darin wird anderthalb Minuten lang eine Musikerin gezeigt, die Tambal spielt. Die Melodie ist bekannt: Es handelt sich um die Tritsch-Tratsch-Polka von Johann Strauss II. Zwei Einstellungen und ein Schnittwechsel, mehr ist im Video nicht drinnen. Die Musik ist der eigentliche Kracher. Sie bereitet unisono gute Laune. Wer davon nicht begeistert ist, hat den Trailer offenbar falsch verstanden. Er läuft ab morgen in ausgewählten Kinos im Vorprogramm.

A film by Radu Jude

Was ist nun die Botschaft hinter dem Trailer? Die 62. Viennale hat im Wahljahr ein besonderes Programm parat, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. World Cinema ist das Losungswort einer umfassenden Werkschau neuer Kinofilme. Bei der Gestaltung des Viennale Trailers gab es wie üblich keine Vorgaben, der Regisseur war frei in der Gestaltung seines Kurzfilms. Eine unterschwellige Message könnte das Mitklatschen jener sein, die partout keine gute Laune verspüren, mit zu wenig "Joy" im politischen Denken ausgestattet ist, alles immer so eng sehen.

Radu Jude ließ über seinen Ansatz ein paar Worte fallen: "Ich habe gesehen, wie ein steifes, perfekt gekleidetes Publikum in einem Wiener Konzertsaal die klassische Orchesterversion des Stückes aufgenommen hat, und da Kino immer noch eine populäre Kunst ist, ziehe ich es vor, es von Frau Tudorache auf einem Tambal spielen zu lassen. Das ist sicherlich lebendiger und lustiger."

Das lustige Tambal

Das Tambal ist ein traditionelles Musikinstrument, das vor allem in der Musik des Balkanraums und in bestimmten Teilen Asiens vorkommt. Es gehört zur Familie der Zither und wird Schlägeln oder dem Zupfen von Saiten gespielt - manchmal auch beides. Typische Merkmale des Tambal sind sein rechteckiger Resonanzkörper und die Vielzahl von Saiten, die über die Oberfläche gespannt sind. Der Klang ist melodisch und durchdringend, was das Tambal in folkloristischen Musikstilen sehr beliebt macht.

Nicoleta Tudorache spielt Strauss auf einer Tambal im Viennale Trailer 2024. | © Radu Jude

In der rumänischen Folkloremusik spielt das Tambal eine zentrale Rolle und ist ein unverzichtbares Instrument in vielen traditionellen Ensembles. Oft wird es bei festlichen Anlässen, Hochzeiten und anderen kulturellen Feierlichkeiten eingesetzt, wo es die Tänze begleitet und die Stimmung hebt. Es ist nicht nur ein Instrument, sondern auch ein Träger kultureller Identität und Tradition, der Generationen verbindet und die lebendige Folklore lebendig hält.

Das sagt die Direktorin

"Radu Jude ist einer der überraschendsten Gegenwartsregisseure Europas", so Viennale Direktorin Eva Sangiorgi. "Es bedeutet mir sehr viel, dass er unsere Einladung angenommen hat, den Trailer für die 62. Viennale zu schaffen. In diesem Wahljahr ist es sinnträchtig, sich mit den Konzepten von Nationalität und kulturellem Eigentum zu beschäftigen. Und so lädt denn auch dieser verspielte, dabei doch blitzgescheite kurze Film zu politischer Reflexion ein, während er zugleich jegliche intellektuelle Aufgeblasenheit herausfordert. Am Vorabend des Strauss-Jahres 2025, in dem der 200. Jahrestag der Geburt des ikonischen österreichischen Komponisten extensiv gefeiert werden wird, feiere ich diese ent-heiligende Einladung zur kulturellen Aneignung, diesmal – in einer umgekehrten Plünder-Bewegung – eines Symbols der westlichen Musikkultur."

Direktorin Eva Sangiorgi bei der Vorschau auf die Viennale 2024 Highlights. | © keymedia.at

Endlich verständlich

Eignet sich Radu Judes die Musik einen österreichischen Komponisten an, dessen Jubiläum nächstes Jahr bei uns gefeiert wird, um ein steifes Publikum in altehrwürdigen Konzertsälen wachzurütteln? Sollten klassische Konzertbesucher und Orchester in Wien generell etwas lebendiger und lustiger sein? Oder steckt mehr dahinter, wie Sangiorgi vermutet, ein ent-heiligendes Rauben und Plagiieren von allen Seiten der westlichen Musikkultur?

Das Vergehen der kulturellen Aneignung hat zuerst Johann Strauss II begangen, als er sich einer Melodie bediente, die aus der tschechischen Volksmusik stammt. In Rumänien wird Polka seit Jahrhunderten bei Festen, Hochzeiten und folkloristischen Feiern aufgeführt. Zuletzt entstand ein Viennale Trailer über die Tritsch-Tratsch-Polka. Das klingende Hackbrett von Radu Judes stimmt auf ein Festival der harten und zarten Töne ein, gleichzeitig versprüht es gute Laune. Wer davon nicht begeistert ist, hat den Trailer offenbar falsch verstanden. Oder bleibt ratlos.

(PA/red)

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Redaktion

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