Als Reaktion auf das am Donnerstag von der türkis-grünen Koalition vorgelegte Gesetzespaket gegen "Hass im Netz" haben die Online-Giganten Google und Facebook europäische Lösungen statt nationaler Ansätze gefordert. Ein Sprecher von Google Austria teilte mit, dass der Konzern es als seine Verpflichtung sehe, "Hassrede von unseren Plattformen zu verbannen". Der Sprecher zeigte sich auch besorgt darüber, "dass unterschiedliche nationale Ansätze zu einer Fragmentierung des digitalen europäischen Binnenmarkts führen" könnten.
Schon mit der Einführung der Digitalsteuer, die große amerikanische Internetkonzerne zur Abfuhr zusätzlicher Steuern auf Online-Werbung zwingen soll, hat die österreichische Regierung Reaktionen ausgelöst. Seit November müssen Publisher in Österreich die Kosten für den Alleingang bezahlen. Beim Besuch des US-Außenministers Mike Pompeo in Wien im August konnte kein Einvernehmen mit der österreichischen Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz erzielt werden. Alleingänge als Mittel der Politik haben Vorzug.
Schon bisher gab es große Anstrengungen, hasserfüllte Rede und strafrechtlich relevante Beleidigungen und Drohungen aus den Netzwerken von Google und Facebook zu verbannen. Dazu werden bedenkliche Beiträge mit Warnhinweis versehen, inkriminierende Botschaften in Suchergebnissen nicht angezeigt, Konten von Usern geschlossen oder Chat-Gruppen aufgelöst. Was in einem Land strafbar ist, wird in einem anderen als Teil der Kultur und Grundrechte angesehen. Vor dem Beginn des Prozesses in Paris zum Anschlag auf die Satirezeitung “Charlie Hebdo” im Jänner 2015 hat der französische Präsident Emmanuel Macron das Recht auf Blasphemie in seinem Land verteidigt. In Pakistan steht darauf die Todesstrafe.
Hasspostings sollen künftig leichter geahndet werden, betroffene User sich rasch, kostengünstig und niederschwellig wehren können. Das ist das Ziel des Gesetzespakets gegen “Hass im Netz”, das Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am 3. September nach ausgiebigen Verhandlungen präsentierten.
Mit dem Paket sollen Opfer von Bedrohungen, Herabwürdigung bzw. bloßstellender Foto- und Filmaufnahmen in Onlineforen bestärkt werden, sich zur Wehr zu setzen, unterstrich Raab. Für Frauen sei das “ein Meilenstein” – vor allem für junge Mädchen. Denn zwei Drittel aller 18- bis 23-jährigen Frauen seien Opfer von “Hass im Netz”-Delikten, den Mädchen widerfahre das dreimal häufiger als Burschen.
Auch Zadic sieht Frauen als Hauptgruppe: “Viele viele junge Frauen, die online politisch aktiv sind” sollen sich künftig rasch, niedrigschwellig und ohne allzu große Kosten gegen “wüste” Beleidigung, Beschimpfung oder Bloßstellung in Onlineforen zur Wehr setzen können.
"In den vergangenen Jahren haben wir intensiv mit verschiedenen Behörden zusammengearbeitet, um hier Änderungen vorzunehmen, die unsere Nutzerinnen und Nutzer online schützen", teilte Google Austria mit und bekundete Zweifel am neuen Entwurf der Regierung. "Wir sind uns nicht sicher, wie sich dieses neue Gesetz auf die Grundrechte wie Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen auswirken wird", lauteten die Bedenken. "Wir treten daher dafür ein, dass die Länder der EU auf einen gemeinsamen europäischen Ansatz hinarbeiten", hieß es von Google Austria.
Facebook verwies in seiner Reaktion auf eine Stellungnahme der Internet Service Providers Austria (ISPA). Darin werden nationale Alleingänge als Stolpersteine für die EU im Kampf gegen Hass im Netz bezeichnet. Die ISPA unterstützt zwar das Ansinnen der Bundesregierung, "dass alle Menschen die Vorzüge des Internets ohne Angst vor illegalen Anfeindungen nutzen können", wie sie in ihrer Stellungnahme schreibt. Dabei dürfe aber nicht vernachlässigt werden, die geplanten Maßnahmen in einem gesamteuropäischen Kontext zu bewerten, mahnte ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert, für den die "national betriebene Fragmentierung" von einem "schockierenden Mangel an Vertrauen in die Arbeit der EU-Institutionen" zeuge.
Den angedachten nationalen Alleingang sieht die ISPA kontraproduktiv. Wie Online-Plattformen mit illegalen Inhalten umgehen sollen, werde derzeit "intensiv und mit hoher Umsicht auf europäischer Ebene im Rahmen der Verhandlungen zum Digital Services Act diskutiert", hieß es in der Stellungnahme. Das österreichische Vorpreschen könne für diesen Prozess zum Sand im Getriebe werden, fürchtet die ISPA. "Der Verband der österreichischen Internetwirtschaft begrüßt jene Maßnahmen, die Betroffene von Hasspostings unterstützen und Rechtssicherheit für Provider schaffen".
(APA/red)
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