Jeder hat schon über die Flut an "Fake News" gehört und gelesen, die in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter über das Coronavirus kursieren. Von Bill Gates über 5G bis hin zur großen Verschwörung an der Wall Street und der Klassiker schlechthin: das künstliche Virus aus Wuhan.
Wenn man Aliens und andere Wahrsager beiseite lässt, ist den Leuten am Verbreiten von Fake News spätestens Mitte April die Freude vergangen. Ab diesem Zeitpunkt gingen Twitter, Google und Facebook rigide zur Sache und löschten bedenkliche Inhalte zum Thema Coronavirus oder platzierten Warnhinweise. Facebook benachrichtige proaktiv seine Nutzer, wenn sie mit gefährlichen Falschinformationen rund um das Coronavirus interagiert haben. Zuvor waren schon “hunderttausende” Postings gelöscht worden, so Facebook.
Die wiederholten Warnungen über Fake News haben Wirkung gezeigt. Liest man heute Kommentare unter Beiträgen des ORF auf Facebook zu Corona-Neuinfektionen, lernt man viele Urheber und Verbreiter von Falschinfos näher kennen: Wut-Bürger und Corona-Verlierer äußern ihren Unmut. Sie bezweifeln die anhaltende Gefährlichkeit des Virus, die Maßnahmen der Regierung, die Ehrlichkeit des Kanzlers, und sie verbreiten jeden Blödsinn, der ihre Gefühlslage widerspiegelt.
Im Mai weitete der Facebook-Konzern sein Faktencheck-Programm auf Österreich aus. Mit über 60 unabhängigen, externen Faktenprüfern arbeite Facebook weltweit zusammen, mehr als 50 Sprachen würden so abgedeckt. Das Faktencheck-Team der APA – Austria Presse Agentur ist auch aktiv beteiligt.
Zur selben Zeit hat auch der Kurznachrichtendienst Twitter damit begonnen, in seinem Netzwerk verbreitete Falschinformationen und Verschwörungstheorien zum Coronavirus mit Warnhinweisen zu versehen. “Irreführende” und “umstrittene” Botschaften zu der Pandemie würden gekennzeichnet, teilten die Twitter-Manager in einem Internetbeitrag mit. Bei der Identifizierung solcher fragwürdigen und mutmaßlich schädlichen Inhalte arbeite Twitter mit “vertrauenswürdigen Partnern” zusammen, hieß es in der Mitteilung, ohne dass diese Partner genannt wurden.
Der Begriff Fake News gehört vor allem Donald Trump, der die Medien seines Landes damit tagtäglich diskreditiert. Als griffige Bezeichnung für Falschnachrichten auf Facebook, sollte er deshalb nicht verwendet werden. Wann immer dieser Begriff in letzter Zeit auftaucht, wird über Falschnachrichten berichtet, die in Sozialen Netzwerken noch immer zuhauf kursieren, obwohl die großen Internetgiganten schon längst den Hahn zugedreht haben.
Die Autorin, Journalistin, Digital-Expertin, digitale Botschafterin Österreichs in der EU und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig hatte eine Antwort, als sie Anfang April in einem Interview zum inflationären Gebrauch von "Fake News" befragt wurde: "Ich verwende den Begriff „Fake News“ extrem selten, weil er so schwammig ist, und unterschiedliche Leute Unterschiedliches darunter verstehen – und weil er nach strenger Definition eigentlich Falschnachrichten beschreibt, die bewusst täuschen sollen", lautete ihre Meinung vor zwei Monaten.
Brodnig betrachtet sich nicht als Faktencheckerin, weil sie keine solche Webseite betreibe, wie etwa mimilama in Österreich oder Correctiv in Deutschland. Auf erstgenanntem Portal findet man alle existierenden Falschmeldungen, die es gibt, fein säuberlich zusammengesucht aus gestalkten Social Media Profilen oder auch indischen Lokalzeitungen, wenn der Stoff im Netz ausgeht. Da werden die Aufdecker schnell fündig. Was niemand zuvor kannte oder zu sehen bekam, bekommt es auf diesem Portal als ehrliche Fake News (NICHT KLICKEN*) Meldung aufgetischt.
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Ende Mai präsentierte Ingrid Brodnig im APA-Gespräch ihre Tipps, wie man auch als Privatperson etwas gegen die Verbreitung von Fake News unternehmen kann. Wieder ging es um jene falschen Behauptungen von Usern in Sozialen Medien, die ihre tägliche Portion "Corona ist gar nicht so gefährlich" nicht mehr richtig einordnen können, und ansprechende Bildbotschaften teilen. Fake News im Titel einer Aussendung überzubewerten, wäre zack, zack möglich, aber schlechter Stil. Ausser man spielt bewusst mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs, um unabhängigen Medien einen Pauschalverdacht umzuhängen. Ausschnitte aus einem Interview und Zitate lassen kein seriöses Urteil über Intention und Wahrheit zu. Guter Journalismus überlässt die Interpretation den Lesern. (red)
Die Austrian Press Agency hat eigene Corona-Faktenchecks eingeführt, in Deutschland klärt Dr. Drosten auf. Das kann eine Art Impfwirkung haben.
Wien (APA) - Trotz zahlreicher Faktenchecks auf diversen Kanälen werden Falschmeldungen und besonders Verschwörungstheorien weiterhin in vielen Postings oder Privatnachrichten geteilt. Die Journalistin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig gibt diesmal im APA-Gespräch Tipps, wie man auch als Privatperson etwas gegen die Verbreitung von Fake News unternehmen kann.
Brodnig, die Falschmeldungen rund um die Coronakrise unter der E-Mail-Adresse coronavirus@brodnig.org sammelt, ist überzeugt: Menschen sind für Desinformation wohl auch deshalb empfänglich, "weil es sich gut anfühlt, diese für wahr zu behalten", wie sie gegenüber der APA erläutert. Solche Meldungen würden oft bestehende Vorurteile bestätigen oder einen trügerischen Eindruck von Gewissheit geben, dass es eine simple Erklärung für angsteinflößende Vorfälle wie die Coronakrise gebe. Gerade das mache es auch so schwer, argumentativ durchzukommen: "Weil oft die nüchternen Fakten nicht so gut ins Konzept passen wie spekulative oder nachweisbar falsche Behauptungen", glaubt Brodnig.
Um gegenzusteuern, müsse man es laut Brodnig schaffen, jene Menschen zu erreichen, "die noch nicht komplett von einer Theorie überzeugt sind, sondern vor allem verunsichert". Diese könne man "noch eher" mit Fakten erreichen. Hier spielten sowohl etablierte Medien als auch jeder Bürger selbst eine Rolle: "Es ist gut, wenn möglichst viele unterschiedliche Medien Faktenchecks und Aufklärung liefern. Gerade wenn eine Quelle, der jemand sonst auch vertraut, einen Faktencheck anbietet, steigt die Chance, dass die jeweilige Person sich den Faktencheck zu Herzen nimmt", ist Brodnig überzeugt. Es sei aber auch sinnvoll, in der Familie und im Freundeskreis "verständnisvoll zu sein, aber auch argumentativ dagegen zu halten".
Dafür gebe es verschieden Strategien: So könne man etwa direkt auf Fakten verweisen, die eindeutig das Gesagte widerlegen, rät die Journalistin. Ein anderer Zugang sei, Unstimmigkeiten in der Logik einer Verschwörungstheorie aufzuzeigen: So gebe es zum Beispiel die These, dass die Handystrahlung von 5G angeblich COVID-19 auslösen würde. "Nicht logisch an dieser Behauptung ist, dass auch Menschen in Regionen erkranken, wo es gar kein 5G gibt", nennt Brodnig eine mögliche Argumentation. Auch sei es sinnvoll, die jeweilige Quelle der Behauptung zu hinterfragen: "Ist das wirklich ein seriöser Experte - oder jemand, der seit Jahren gewagte Thesen verbreitet und schon mehrfach falsch lag?"
Wichtig sei aber, keine zu hohen Erwartungen zu haben, dass man - bloß weil man gute Argumente zusammengetragen hat - die andere Person auch erreicht. "Es gibt viele psychologische Schutzmechanismen und rhetorische Ausflüchte, mit denen sich Menschen gegen gute Argumente immunisieren können", so Brodnig. In manchen Fällen sei es bereits ein Erfolg,"wenn die Person ein bisschen ins Grübeln kommt - wenn sie beginnt, zu zweifeln".
(APA/red)
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