Das letzte Stegreiftheater Europas wäre längst Geschichte, hätten die Stadt Wien und treue Sponsoren nicht ihre schützenden Hände über die Tschauner Bühne gelegt, um den Fortbestand zu sichern. Das einzigartige Kulturjuwel am Westende von Ottakring wurde 1909 gegründet und hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Unverdrossen wird in der Maroltingergasse 43 die Tradition des Stegreifspiels und Laientheaters bewahrt und weiterentwickelt. Vor ein paar Jahren wurde das Bühnenprogramm vielfältiger und der Theaterbetrieb professioneller gestaltet. Am 11. Juni eröffnete die Tschauner Bühne die Saison 2024 mit der Premiere der Best-Of-Musikrevue “1000 Jahre Tschauner”.
Das Freilufttheater ist vollständig saniert und mit Bühnentechnik vom Feinsten ausgestattet worden. Die Soundanlage ermöglicht Inszenierungen wie man sie sonst nur von großen Theatern kennt. Durch sie können auch Musical, Schlagerrevue, Kabarett, Kasperl- und Kindertheater sowie Konzerte aller Stilrichtungen problemlos aufgeführt werden. Zum Auftakt der Spielzeit 2024 wollten die Theatermacher:innen etwas besonderes bieten. Sie entschieden sich für eine schwungvolle Musikrevue mit bekannten Melodien aus der Musikgeschichte. Kein Stegreiftheater, sondern eine perfekt gesungene und gesprochene Aufführung erwartet das Publikum. Fünf professionelle Schauspieler:innen bilden unter der Regie von Markus Richter ein Musical-Cast bei dem jeder Ton sitzt.
Laut und deutlich waren vor der Aufführung auch jene Menschen zu hören , denen das Wohlergehen der Tschauner Bühne ein besonderes Anliegen ist und die den Auftakt der Tschauner-Saison 2024 begleiteten: Stefanie Lamp, Harry Kopietz, Monika Erb und Wolfgang Haas. Die Bezirksvorsteherin von Ottakring, der ehemalige Wiener Landtagspräsident, die Geschäftsführerin der Tschauner Bühne und ein Hauptsponsor traten beim 115-Jahre Jubiläum vor den Vorhang. Sie spendeten tausend Worte des Dankes an die lieben Stammgäste, ohne die das alles gar nicht möglich wäre.
Zur Best-Of-Musikrevue “1000 Jahre Tschauner” Premiere kamen zahlreiche Ehrengäste in die Premierenvorstellung. Die in der ersten Reihe wurden von Kopietz besonders freundlich begrüßt. Darunter Toni Faber mit Begleitung, Richard Lugner mit Ehefrau, Leo Kohlbauer und Jacqueline Lugner, Chris Lohner, Joesi Prokopetz und Andy Lee Lang. Zusammen mit den anwesenden Medien genossen sie die Eröffnungsreden und das tadellose Schauspiel auf der Bühne.
Ein verzweifelter Regisseur, eine desinteressierte Choreografin und ein überambitionierter Autor suchen ein Konzept, um zum 115. Jubiläum der altehrwürdigen Tschauner Bühne eine spektakuläres Stück zu kreieren, das dem Jubiläum gerecht wird. Dabei braucht es Unterstützung von ganz oben (Anm.: womöglich Gott), die schließlich kommt. Die zündende Idee liefert Sigmund Freud.
Im zweiten Teil werden Ausschnitte aus vergangenen Produktionen wie “Im weißen Rössl”, “Pflanz der Vampire”, “Sissi, Beuteljahre einer Kaiserin”, “Komm ein bisschen mit nach Italien” und “Charlies Tante” gebracht. Außerdem witzige Reminiszenzen aus “Cats”, “Phantom der Oper”, “Die Schöne und das Biest”, “Rebecca” und “My Fair Lady” sowie allerlei Filmmusik und Melodien, wie man sie aus dem Wetterpanorama von ServusTV kennt.
Die Musikrevue “1000 Jahre Tschauner” zeigt vor, dass auf dieser Bühne rein technisch alles möglich ist. Georg Hasenzagl, Jürgen Kapaun, Lilly Kugler-König, Markus Richter und Daniela Lehner überzeugen im Musicalfach sowohl stimmlich als auch gesanglich. Das kreative Team und Ensemble unter der Regie von Markus Richter hat Szenen entwickelt, die ihr volles schauspielerisches Potential zur Geltung bringen.
Was ein wenig fehlt im Skript ist das sprichwörtliche “goldene Wienerherz”. Kein Murren, kein Raunzen, kein Anprangern sozialer oder politischer Verhältnisse. Man muss schon sehr genau hinhören, um Kritik an den “Obrigen” rauszuhören. Im besten Fall bleibt es bei einer Andeutung (“Was war mei’ Leistung?) und Sympathiezeichen für gewisse Präferenzen.
Die großen Schenkelklopfer blieben nicht zuletzt deshalb aus, weil vor lauter Korrektheit kein Spielraum für profane oder vulgäre Pointen mehr vorhanden ist. Im Stegreiftheater des Altes Wien waren diese Zutaten noch die Würze in der Suppe. Das Stück “1000 Jahre Tschauner” nimmt andere Mittel zur Hand. Es präsentiert sich als selbstbestimmtes Auftragswerk bei dem eine schwungvolle Musikrevue herausgekommen ist. Mit ein wenig Selbstreflexion und Ironie gelingt es dem Ensemble, das Vorstadttheater-Publikum auf ganzer Linie zu amüsieren.
Es hat ‘passt. Vorüber ist die Last.
(key)
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