Wiener Stadtregierung fordert Aufklärung der Tatumstände
Die Aufarbeitung nach dem Terroranschlag in Wien Montagabend mit vier Toten und über zwanzig Verletzten ist am Mittwoch weiter fortgesetzt worden. Neben den umfangreichen Ermittlungen der Behörden traf sich die Regierung am Vormittag neuerlich zu einer Online-Sitzung des Ministerrats, der Wiener Stadtsenat zu einer Sondersitzung. Indes wurden weitere Details zu den Ermittlungen bekannt. So handelt es sich bei den Todesopfern um einen 39-jährigen Österreicher sowie eine 44-jährige Österreicherin und zwei ausländische Staatsbürger - eine 24-jährige Deutsche und einen 21-jährigen Mazedonier.
Dazu zählten die Behörden weitere 23 Verletzte im Alter von 21 bis 43 Jahren. Unter ihnen sind laut Manfred Reinthaler, Vorstand der Pressestelle der Wiener Polizei, sieben Frauen. 13 Verletzte - inklusive des 28-jährigen Polizisten - erlitten Schussverletzungen, die anderen zogen sich beispielsweise durch Splitter Wunden zu oder auf der Flucht.
Heimische Behörden wurden gewarnt
Die Spuren des 20-jährigen Attentäters führten unter anderem in die Schweiz, wo am Dienstag in Winterthur zwei Personen festgenommen worden waren, die in engem Kontakt mit dem Attentäter gestanden sein sollen.
Wie die slowakische Polizei am Mittwoch in einem Facebook-Posting bestätigte, soll der 20-Jährige im Sommer versucht haben, dort Munition zu kaufen. Der Versuch sei gescheitert. Unmittelbar danach wurden aber laut der slowakischen Polizei die österreichischen Kollegen informiert. Ein Sprecher des Innenministeriums hatte dies am Dienstagabend gegenüber der Süddeutschen Zeitung bestätigt. Gegenüber der APA gab es am Mittwoch dazu zunächst keine Stellungnahme.
Der "Kurier" berichtete am Mittwoch online, dass das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LTV) den Hinweis im Oktober erhielt. Der 20-Jährige soll bei seiner Fahrt in die Slowakei außerdem von einem weiteren Mann begleitet worden sein. Laut "Süddeutscher Zeitung" wurde für die Reise offenbar ein Auto verwendet, das auf die Mutter eines der Polizei bekannten Islamisten angemeldet ist.
IS-Sympathisant wollte nach Syrien
Der Attentäter war im September 2018 in der Türkei mit einem zweiten Mann aufgegriffen, in Haft genommen und nach mehreren Monaten nach Österreich zur Übernahme der Strafverfolgung zurückgewiesen worden. In Wien wurde im Jänner 2019 über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Am 25. April 2019 wurde der 20-Jährige in einem Terror-Prozess als IS-Sympathisant zu 22 Monaten Haft verurteilt wurde, weil er nach Syrien reisen wollte, um sich der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Am 5. Dezember 2019 erfolgte seine vorzeitige Entlassung. Hätte der 20-Jährige seine volle Strafe abgesessen, wäre er zum Anschlagszeitpunkt noch im Gefängnis gesessen. Als bisher Unbescholtener und junger Erwachsener wäre er aber ohnedies nach dem Jugendgerichtsgesetz - er war um Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt - zu behandeln gewesen und daher wohl spätestens nach Verbüßung von 2/3 der Strafe gegen Auflagen bedingt entlassen worden.
Weiter beschäftigt waren die Ermittler auch mit der Auswertung des umfangreichen Videomaterials und der Prüfung eines Dienstagabend veröffentlichten Bekennerschreibens der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Ergebnisse dazu könnten dann am Nachmittag folgen, denn da plant das Innenministerium, über den Ermittlungsstand zu informieren.
Sondersitzung im Rathaus
Bereits am Vormittag hatte der Wiener Stadtsenat in einer Sondersitzung im Rathaus den Opfern des Terroranschlags gedacht. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) drückte dabei den Angehörigen der Getöteten sowie der Verletzen sein Mitgefühl aus. An der Gedenkveranstaltung nahmen neben dem Bürgermeister die amtsführenden und nicht amtsführenden Stadträtinnen und Stadträte, die Klubobleute, die Präsidenten des Landtags und die Vorsitzenden des Gemeinderats teil.
"Wir werden deutlich machen, dass wir uns von diesem Terrorakt nicht in die Knie zwingen lassen", versicherte Bürgermeister Ludwig in der Sondersitzung. Viele in der Stadt seien davon überzeugt gewesen, dass ein derartiger Akt in Wien nicht stattfinden werde. "Diese Hoffnung ist an diesem Abend zerstört worden", sagte Ludwig. Aber den Feinden der humanistischen Werte werde man "keinen Millimeter" einräumen, versprach er.
Er bedankte sich im Namen aller politischen Verantwortlichen bei den Einsatzkräften. Die Polizei sei sehr schnell eingeschritten und habe den Terroristen innerhalb weniger Minuten aus dem Verkehr gezogen. Die Rettung und andere Organisationen hätten die Polizei in jener Nacht unterstützt. Auch die Wiener Linien hob Ludwig hervor - die dafür gesorgt hätten, dass Menschen, die sich in der Innenstadt aufgehalten haben, diesen Bereich geregelt verlassen konnten. "Denn nichts wäre schlimmer gewesen, als wenn eine Paniksituation aufgetreten wäre."
Ludwig lobte auch Personen, die während des Terrorakts Zivilcourage bewiesen hätten. Er habe bereits mit zwei türkischstämmigen Wienern gesprochen, die einen Polizisten gerettet haben, berichtete er. Diese hätten stolz berichtet, dass sie Wurzeln in einem anderen Land hätten und auch bekennende Muslime seien, dass sie aber gerade deshalb diesen Anschlag besonders verurteilen.
Aufarbeitung nach Terroranschlag in Wien
Die Oppositionsparteien SPÖ und Neos forderten vor der nachmittäglichen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates Aufklärung über die Umstände im Vorfeld des Terroranschlages in Wien. Die SPÖ will wissen, was die heimischen Behörden über den gescheiterten Munitionskauf des Täters in der Slowakei gewusst haben. Die Neos forderten die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission und die FPÖ verlangte mehr Härte im Vorgehen gegen den radikalen Islam.
Nach dem Terroranschlag in Wien verschärfte die italienische Polizei die Kontrollen rund um Bahnhöfe, Flughäfen, Botschaften, Monumente und Basiliken. Auch wurden die Sicherheitskontrollen an den Grenzübergängen zu Österreich verschärft, angefangen vom Brenner an der Grenze zwischen Tirol und Südtirol. An den Kontrollen beteiligt sich auch das italienische Heer.
(APA/red)